Kapitel 12 (part 2)

133 8 0
                                    

                                                               Xenia 

Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, und Jesper mit Abbie alleine ließ, ging ich, nicht wie Jesper mir gesagt hatte zu meinem Zimmer um zu schlafen und etwas Energie zu tanken, sondern in ein anderes Zimmer in dem sich jemand befand der mir ebenfalls sehr viel bedeutete. Auf dem kurzen Weg den ich über den Flur zurücklegte, um in das Zimmer drei Türen weiter hineinzuschlüpfen, herrschte Tumult. Chaos konnte man es auch nennen. Selbst ungefähr eine Woche nach dem Angriff auf unser Versteck, waltete noch rege Aufruhr.

Ich klopfte leise an das dunkle Holz der Tür und wartete auf eine Antwort von drinnen. Als diese jedoch ausfiel, öffnete ich die Tür so leise wie möglich – was bei den quietschenden Scharnieren nicht gerade einfach war – und ging hinein. Es war dunkel. Bedrückend dunkel. Ich tastete meinen Weg durch den kleinen Raum bis hin zu dem kleinen Tisch auf dem, wie in Abbies Zimmer, eine kleine Lichtkugel stand. Ich schloss meine Finger um das Glas und konzentrierte mich auf die Energie in der Materie die sich darin befand. Augenblicklich, begann die Lichtkugel ein schummriges Licht auszustrahlen. Ein Kinderspiel. Solche Sachen lernten wir schon in unserer Kindheit.

Auch hier in dieser Kammer, stand nur ein Tisch mit Stuhl und ein Bett in dem eine Person lag und schlief. Ich setzte mich auf den Stuhl neben den Tisch und zog ihn näher ans Bett heran bis meine Knie den Bettrand berührten.

Fiete lag auf dem Rücken und schlief tief und fest. Auch wenn ich mich eigentlich langsam an seinen Anblick gewöhnt habe, so zog sich doch jedes Mal mein Herz schmerzhaft zusammen, wenn ich ihn so still und ruhig sah. Das passte einfach nicht zu ihm, dem Fiete der immer einen dummen Spruch auf den Lippen hatte, einen bis an den Rand der Weißglut bringen konnte und alles und jeden anmachte, dass nicht bei drei auf den Bäumen war – sehr zu meinem Leidwesen musste ich gestehen. Manchmal musste ich mich wirklich zurückhalten, um ihn nicht bei jeder dämlichen Bemerkung eins überzuhauen. Aber jetzt, wünschte ich mir nichts anderes, als einen seiner frechen Kommentare zu hören.

Sein rechtes Bein war geschient und gegipst da es mehrmals gebrochen ist. Sein linker Arm war verbunden. Er war nur bis zur Hüfte mit einer Decke bedeckt was mir einen freien Blick auf seine bandagierte Brust verschaffte. Kleinere Narben zogen sich über seine Arme und seinen Bauch. Unter dem Verband lugte auf seiner rechten Brust eine schwarze Verschnörkelung hervor. Das Tattoo, das jeder von uns besaß. Seins bedeutete Entschlüssler – was auf seine Gabe basiert, jedes Schloss knacken zu können. Egal wie schwer oder knifflig es auch sein mag, Fiete bekommt es im Handumdrehen geöffnet. Ich glaube jedoch, er bezieht sein Tattoo, der Entschlüssler, gerne auf andere Sachen.

Ich reiße mich kopfschüttelnd von seiner Brust los und mein Blick wanderte nach oben. Seine linke Gesichtshälfte schimmert in verschiedenen Farben – von Blau, Violett bis hin zu Lila war alles dabei. Die geplatzten Lippen waren auf dem Weg der Besserung genauso wie sein geschwollenes linkes Auge das langsam wieder auf Normalgröße schrumpfte.

Nachdem wir den Wasserfall verlassen hatten, haben wir uns so schnell wie möglich auf den Weg nach Hause gemacht – was nicht so leicht gewesen war, da die Jungs Abbie abwechselnd hatten tragen müssen. Natürlich hätten wir gerne die Verfolgung von Raigan aufgenommen und uns den Kelch zurückgeholt, doch wir beschlossen, dass es sinnvoller wäre, erstmals zurück zum Quartier zu gehen und uns eine neue Strategie zusammenzulegen.

Als wir nach einer guten Woche Reise durch den Uhkaus-Wald und die darauffolgenden Wälder endlich hier ankamen, erwartete uns das reinste Grauen. Die Umbra – diese miesen feigen Arschlöcher –, muss irgendwie herausgefunden haben, wo wir uns aufhalten. All die Jahre über, die wir jetzt schon hier wohnen und unsere Pläne schmieden, ist uns nie jemand auf die Schliche gekommen. Wir haben immer darauf geachtet, dass niemand herausfindet, was hinter unseren Wänden abläuft und stets äußersten Wert darauf gelegt, nicht von der Umbra entdeckt zu werden. Wieso also ausgerechnet jetzt? Sie haben unser Lager angegriffen, geplündert, gemordet und das schlimmste war, sie haben die Insignie – die Feder des Kopfschmucks der Luftherrscherin Isati –, die wir bei uns versteckt hielten, gefunden und gestohlen. Mit dem heiligen Kelch der Einigung, den Raigan uns mit unfairen Tricks abgenommen hat und dem Buch des Gelehrten, das sie laut unseren Informationen bereits besitzen, haben sie jetzt bereits ganze drei Insignien gesammelt.

Drei von fünf.

Dank der Tatsache, dass Abbie das Medaillon, das sie an ihren Vater erinnert und von ihm erhalten hat, stets bei sich trägt und es mit Argusaugen behütet, haben sie wenigsten nicht auch noch das in die Hände bekommen. Ein kleiner Trost. Den Göttinnen sei Dank.

Jetzt blieb also nur noch eine Insignie übrig, das Horn des Feuerdrachen Kasai. Wir mussten es unter allen Umständen vor den anderen finden. Vor der Umbra.

Aber mit dem Angriff und der Entwendung der Insignie noch nicht genug... unter all den verletzten und schwer verletzen gab es auch einige Tote zu betrauern. Wir haben großen Verlust erlitten. Denn unter ihnen befand sich auch .... Jendrik. Tränen bildeten sich in meinen Augen.

Jendrik.

Jendrik ist tot.

Der Man der hier für Recht und Ordnung gesorgt hat, ist tot. Nolans und Luns Vater ist tot. Nun waren sie Waisen. Ich konnte das einfach nicht fassen. Wie konnte jemand, der so schlau und stark war wie Jendrik, einfach sterben. Das geht doch nicht. Er konnte uns doch nicht mit diesem ganzen Chaos zurück lassen. Ich konnte mir gar nicht ausmalen, wie schwer das für Nolan und Luna sein musste. Sie hatten bereits ihre Mutter verloren und jetzt auch noch ihren Vater. Ich habe meinen nie gekannt. Aber Jendrik war stets ein guter Vater gewesen – gerecht, nett aber streng. Auch mir ist er ein Art Vater und Vorbild gewesen. Und jetzt war er für immer fort. Nie wieder würden wir ihn um einen Rat fragen können.

Meine Mutter – ich kann nur immer wieder den Göttinnen danken das ihr nichts passiert ist, außer einigen kleineren Verletzungen geht es ihr gut – hat uns, mir, Jesper und Nolan vom Überfall erzählt. Sie kamen in der Nacht, als sozusagen alle schliefen und fast niemand hier war. Sie überrumpelten Fiete, der im Eingangsbereich Wachdienst hatte und schlugen sich weiter vor. Sie wussten offenbar ganz genau wo sie die Insignie vorfinden würden. Die Eindringlinge schienen nicht lange suchen zu müssen und wussten genau wo sie hinwollten. Vom Lärm der Kämpfe geweckt, hat sich auch meine Mutter eingemischt um zu sehen was los war und um zu helfen. Als sie ankam, war es für Jendrik bereits zu spät. Jede Hilfe war umsonst. Ein langer dicker Holzsplitter hatte sich durch seine Brust und Lunge gebohrt.

Wie jedes Mal, wenn meine Gedanken zu der Nacht des Überfalls wanderten, kamen mir so einige Fragen auf. Wie konnten diese Leute so plötzlich genau wissen, wo unser Versteck sich befindet und das wir die Insignie hier bei uns in einem geschützten Raum aufbewahren? Vor allem, wie wussten sie, wo sie danach suchen mussten? Entweder, das Glück war an diesem Tag auf ihrer Seite oder .... Ich wagte nicht einmal in diese Richtung zu überlegen, denn beim reinen Gedanken daran setzen sich mir die Haare auf den Armen zu Berge und unsägliche Wut stieg in mir auf.

Einen Maulwurf? Einen verdammten Verräter? Ich konnte und wollte das nicht glauben. Jeden hier kannte ich seit meiner Kindheit und bei keinem einzigen konnte ich mir vorstellen, dass er für den Feind Informationen sammelte und abzweigte. Alle waren treue Seelen. Aber wie sonst sollten sie von uns erfahren haben? Es ergab einfach keinen Sinn. Naja, ich redete hier zwar von Vertrauen, aber ich musste nur an Raigan denken und schon rutschte meine Stimmung noch tiefer in den Keller. Er ist auch einst einer von uns gewesen bis er uns verraten hat – uns in den Rücken gefallen ist – und zu der Umbra übergelaufen ist. Ich und auch die anderen wissen bis heute nicht, was ihn dazu getrieben hat. Also, wer sagt mir, dass sich nicht noch ein zweiter Raigan unter uns befand. Versteckt hinter einem treuen Hundelächeln und unauffälligem Verhalten. Sicher sein konnte ich mir nicht. Nicht mehr.

Außerdem...Nolan war am Tag nachdem wir hier ankamen verschwunden. Er hatte sich nicht mehr blicken lassen. Nicht einmal. Seit drei Tagen hatte ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Wo er sich rumtrieb ... ich wusste es nicht. Vielleicht musste er mit all dem erst einmal ins Reine kommen. Auf seine eigene Art und Weise trauern. Etwas Zeit für sich haben, um über alles nachzudenken. Immerhin war sein Vater gestorben. Ich konnte das verstehen. Aber das rechtfertigte noch lange nicht sein Verhalten. Er wurde hier gebraucht, verdammt noch mal. Jetzt mehr denn je. Wir alle brauchten ihn hier. Also wo um Himmels willen blieb er nur?! Auch Luna brauchte ihn jetzt. Sie war ganz alleine und auch wenn wir sie trösteten, so war es doch nicht das gleiche, wie die aufmunternde Umarmung eines großen Bruders. Wenn er schon nicht an uns dachte, dann doch wenigsten an seine kleine Schwester.

Für ihn hoffte ich, dass er so schnell wie möglich seinen Arsch hierhin zurückbeförderte und sich wie ein Mann allem stellte.

Das Leben konnte eben manchmal eine richtige Bitch sein.

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt