Kapitel 11 (part 4)

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                                                                     *

                                                                Nolan

Eine scharfe glänzende Klinge zielte auf meine Kehle. Ich duckte mich blitzschnell und entkam so dem tödlichen Schlag. Der nächste Hieb ging ebenfalls ins Leere. Genauso der Folgende. Ich hatte langsam genug vom Ausweichen und ging nun meinerseits in Angriffsstellung über und bearbeitet meinen Gegner mit schnellen hintereinander folgenden Schlägen und Hieben. Ich erwischte ihn leicht am Arm doch bevor ich mir seine kurze Unaufmerksamkeit zu nutzen machen konnte, um ihn noch einmal zu treffen, sah ich im Augenwinkel, wie Abbie in sich zusammenbrach.

Mein Hirn setzte kurz aus und raste dann im Galopp davon. Ich wollte zu ihr laufen, mich versichern, das ihr nichts passierte und sie so schnell wie möglich hier raus und somit in Sicherheit bringen. Mein Gegner bemerkte, dass meine Gedanken nicht hundertprozentig beim Kampf waren und nutze dies gnadenlos aus, so wie ich es meinerseits ebenfalls getan hätte. Nur im allerletzten Moment konnte ich dem Hieb ausweichen. Ein paar Zentimeter weiter rechts und der Schlag hätte mir den Unterleib aufgeschlitzt und meine Eingeweide auf dem Boden verteilt. Wäre kein schöner Anblick gewesen. Ich musste mich konzentrieren! Sonst würde das nicht gut ausgehen.

Mit einem weiteren kurzen Seitenblick, konnte ich sehen, wie Jesper sich neben Abbie kniete, sie hochhob und sie auf den Armen tragend zum Ausgang schaffte. Erst als sie es auch tatsächlich in einem Stück durch den Ausgang geschafft hatten, konnte ich durchatmen.

Gut. Eine Sorge weniger. Jesper würde sich gut um sie kümmern, das wusste ich.

Dann blitze ein anderer Gedanke durch meinen Kopf und mein Blick schnellte erneut zum Ausgang hinüber durch den Jesper gerade gegangen war. Wie war das möglich? Bilder wie Raigan, dieses verdammte Arschloch, Jesper erstochen hatte liefen vor meinem inneren Auge wieder und wieder ab in dem Versuch das, was da geschehen war, aus einem anderen Winkel zu betrachten. Vielleicht war die Verletzung ja doch nicht so tief und schlimm gewesen, wie ich anfangs vermutete hatte. Vielleicht hatte Raigan ihn ja verfehlt und nur leicht gestreift. Doch egal, wie oft ich es durch meinen Kopf wiederholte, die Verletzung, die Raigan Jesper zugetragen hat, war tödlich. Eigentlich. Wie konnte er also jetzt durch den Raum laufen, mit Abbie auf den Armen, als ob nichts gewesen wäre?

Ein stechender Schmerz am linken Oberschenkel ließ mich zusammenzucken. Ich hatte mich ablenken lassen. Der Hieb kam aus dem Nichts. Ich musste mich verdammt nochmal konzentrieren sonst würde das hier ins Auge gehen. Ich drehte mich um, verbannte jegliche Gedanken an Abbie und Jesper aus meinem Kopf, und schenkte meinem Gegner – der zufrieden grinste – wieder vollste Aufmerksamkeit.

»Wirst du langsam müde?«, fragte dieser höhnisch.

»Hättest du wohl gerne.« Ich fackelte nicht lange. Meine Nerven waren zu reißen gespannt und ich wollte das so schnell wie möglich zu Ender bringen. Ich machte einen Schritt auf den Mann zu, zielte mit meinem Schwert auf seine Kehle. Er parierte den Schlag mit Leichtigkeit ab. Rechts von mir konnte ich sehen, wie einer der Kelche im Licht der Höhle aufblitzte. Xenia kämpfte gegen ihn und schien alle Hände voll zu tun zu haben. Hinter meinem Gegner, der auf mich konzentriert war, und somit die sich anschleichende Gefahr nicht bemerkte – kam die Chimäre zum Vorschein. Mit ihrer riesigen Pranke zielte sie auf dem Mann vor mir. Dieser wurde von den Füßen gerissen und von den langen Krallen der Chimäre wortwörtlich zerfetzt. Blut spritzte in alle Richtungen. Ein weiterer kurzer Blick nach rechts zeigte mir, das Xenia nun mit der anderen großen Katze beschäftigt war und alle Hände voll zu tun hatte, nicht zu verlieren. Alle Leute der Umbra lagen verstreut und regungslos auf dem Boden. Nur noch Xenia und ich, sowie die beiden Chimären waren übrig. Sie wich gerade einem Schlag von dem langen Schwanz der Chimäre aus und rollte sich ab. Kam sofort wieder auf die Beine. Ich vertraute Xenia und ihren Fähigkeiten. Sie würde das schon schaukeln. Außerdem hatte ich selbst eine große Schmusekatze auf den Fersen der so schnell nicht langweilig wurde.

Ich scannte den Raum und sobald ich gefunden hatte, wonach ich suchte, rannte ich los.

»Xenia, ich weiß du hast gerade selbst eins von diesen lästigen Dingern am Hals, aber kannst du dich vielleicht kurz auch um dieses hier kümmern? Ich hab eine Idee«, rief ich ihr im Laufen zu und versuchte, die Chimäre abzuschütteln.

»Was für eine Frage. Willst du mich etwa beleidigen?« Sie duckte sich unter den Krallen der Katze hindurch, drehte sich dabei zu mir und warf im gleichen Moment einen großen Stein in meine Richtung und traf die Chimäre mitten auf die Schnauze. Diese stoppte kurz die Verfolgung, blieb stehen und knurrte in Xenias Richtung. Wie erhofft, ließ sich jedoch nicht von ihr provozieren und lief mir weiterhin hinterher – wie eine Katze der Maus hinterherjagen würde.

Ich fluchte leise. Diese Viecher waren schlauer als gedacht. Eine richtige Plage. Aber mein Vorhaben würden sie mir nicht zunichtemachen.

Dann endlich hatte ich erreicht, wonach ich Ausschau gehalten hatte. Neben einen der Säulen, ganz in der Nähe des Altars, lag verlassen und zurückgelassen einer der identisch aussehenden Kelche. Ich schnappte ihn mir und stellte ihn zurück in das linke Loch in der Felswand.

Sobald der Kelch wieder an seinem rechtmäßigen Platz stand, drehte ich mich um und suchte nach dem verbleibenden. Scannte den Raum. Ein kurzes Aufblitzen von Gold sprang mir in die Augen. Der Kelch lag einige Meter von mir entfernt neben einer eingestürzten Säule – wartete nur darauf, dass ich ihn mir nahm und zurücksetze.

Ich lief darauf zu. Weit kam ich nicht. Die Chimäre sprang mir mit einem großen Satz in den Weg hob die Lefzen und zeigte knurrend die Zähne. Mag zwar sein, dass diese Wesen einen gewissen Grad an Intelligenz besaßen, aber so viel Verstand, um zu verstehen, dass wir die Kelche nur an ihren rechtlichen Platz bringen wollten, das überstieg dann wohl ihre Kapazität an Intelligenz.

»Ich will diesen dummen Kelch doch gar nicht«, schrie ich ihr ins Gesicht. Sie antwortete ihrerseits nur mit einem Knurren und versuchte nach mir zu schnappen. Ich sprang zur Seite und rollte mich ab. Mein Schwert in der Hand lief ich weiter. Nach nur zwei Schritten verlor ich plötzlich den Boden unter den Füßen. Ich strauchelte und von den Füßen gerissen. Die Chimäre hatte ihren Schwanz um meinen Knöchel geschlungen und hob mich hoch – ließ mich kopfüber, wie einen menschlichen Boxsack, über den Boden baumeln. Ich strampelte wild um mich, versuchte mich aus dem festen Griff zu befreien, doch das führte nur dazu, dass sich ihr Griff um meinen Knöchel noch enger zuzog.

Ein leises Zischen ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. Ich wusste, ich hatte etwas Wichtiges vergessen. Der Schlangenkopf, der sich am Ende des Schwanzes befand, zischte mich an und präsentierte mir ihre Zähne von denen bereits ihr Gift tropfte. Mein Schwert in ihre Richtung schwingend, versuchte ich, den Schwanz vom Körper der Chimäre zu trennen und mich so, aus ihrem Griff zu befreien. Schnell musste ich jedoch begreifen, dass ich ihn nicht erreichte. Mein Arm war zu kurz. Ich fluchte – ließ einige unschöne Wörter über meine Lippen. Langsam gingen mir die Möglichkeiten aus.

Die Chimäre bog ihren Schwanz und brachte mich näher zu ihrem Gesicht und somit in die Reichweite ihrer langen Reißzähne. Ich hob das Schwert, bereit, mich zu verteidigen und dem Tier ein Auge auszustechen wenn nötig.

Es öffnete weit den Mund und ... hielt inne.

Perplex ließ ich das Schwert ein wenig sinken. Immer noch bereits mich im Falle eines plötzlichen Angriffs zu verteidigen. Im nächsten Moment löste sich der Schwanz von meinem Knöchel und ich landete unsanft auf dem Boden. Was war passiert? Als ich mich umsah, entdeckte ich, wie Xenia vor dem Altar stand. Hinter ihr in der Wand zwei funkelnde Kelche. Sie hatte es geschafft.

Ihr Vorhaben, die Kelche zu schützen, nicht mehr vorhanden ließen die beiden Chimären von uns ab und schlenderten zu ihrem Platz zurück, setzten sich wieder auf ihre Position neben dem Eingang. Sobald sie saßen, begannen ihre Glieder wieder zu versteinern und nach einigen Sekunden saßen zwei Steinfiguren vor uns.

Ich richtete mich auf und klopfte mir den Staub von den Kleidern.

»Das war mal ne knappe Sache«, sagte Xenia und hielt sich dabei den Arm, den sie sich ganz am Anfang verletzt hatte. Der Stoff war bereits Blutgetränkt. Sie grinste mich an und meinte: »Eine Sekunde später und du wärst als Katzenfutter geendet.« 

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt