Kapitel 6 (part 4)

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»Bitte lass es funktionieren. Man sagt doch, aller guten Dinge sind drei? So schwer kann das nicht sein. Was kann schon großartig passieren. Zerfetzt von Unmengen an Energie zu werden ist bestimmt nicht so schlimm wie es sich anhört... « Ich schluckte schwer.

Ich stand in Xenias Zimmer mit der rechten Hand auf der Türklinke – so verkrampft und fest umklammert, dass ich sie fast abreißen könnte. Ich stand kurz vor meinem dritten Versuch durch den Schleier zu treten. Der erste Versuch war kein großer Erfolg gewesen – rein gar nicht war passiert. Ich öffnete die Tür und blickte auf den Flur dahinter. Beim zweiten Versuch, habe ich immerhin die Energie gespürt die mir über Gesicht und Arme gestrichen war, doch als ich die Tür geöffnet habe, war einfach alles verpufft und ich stand wie zuvor auch im Gang vor ihrem Zimmer.

Komm schon Abbie. Konzentrier dich! Denk an das, was Xenia dir gesagt hat. Sie hat sich solche Mühe gegeben mir alles verständlich zu erklären. Denk an dein Ziel! Denk an deine Großeltern. Opa vorm Fernseher, der sich eine Infosendung anschaut, Oma am Herd wie sie irgendetwas Leckeres zubereitet und das Haus köstlich duften lässt.

Wieder konnte ich die Energie spüren. Langsam braute sie sich zusammen, wie ein kleiner Sturm. Zuerst nur ganz wenig, doch schnell wurde sie immer mehr und wilder. Schwer zu kontrollieren. Die Energie zerrte an meinen Kleidern, an meinen Haaren und prickelte auf der Haut. Sobald ich das Gefühl hatte, Oma und Opa auf der anderen Seite vorzufinden, sande ich schnell ein Stoßgebet an denjenigen, der auch immer mir gerade zusah, drückte dann die Tür auf und trat über die Schwelle.

Ich wurde mit solch einer Wucht getroffen – kein Vergleich zum letzten Mal als ich unbewusst den Schleier passierte. Mir wurde schwarz vor Augen und es drehte sich alles, doch so schnell der Schwindel gekommen war, so schnell war er auch wieder weg. Als ich wieder klar sehen konnte, realisierte ich überglücklich, dass ich bei uns zu Hause im Flur stand. Zuhause. Endlich wieder zu Hause. Ich hatte es geschafft! Ich wusste nicht genau wie, aber ich hatte es tatsächlich geschafft. Ich konnte es nicht fassen. Wie eine Vierjährige vollführte ich einen kleinen Freudensprung.

»Abbie? Bist du das? Seht ihr, ich hab euch doch gesagt ich habe sie gehört.« Oma kam um die Ecke. »Oh mein Gott. Wo warst du denn nur? Ich habe mit solche Sorgen gemacht«, leiser fügte sie dann noch hinzu, »Da konnten die beiden mir sagen was sie wollten, ich wusste, dass du niemals einfach so gehen würdest ohne etwas zu sagen. Nicht meine kleine Abbie.« Oma nahm mich in eine feste Großmutter-Umarmung und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich war so glücklich sie zu sehen. Ich hatte mir auch schreckliche Sorgen um sie und Opa gemacht und vermisst hatte ich sie schrecklich. Sie sah mich kurz an und drückte mich dann noch einmal bevor sie mich endgültig losließ. »Bist du verletzt? Hast du Hunger? Du musst doch vollkommen verhungert sein. Du bist nur noch Haut und Knochen. Komm mit in die gute Küche. Ich habe noch was Kartoffeln von heute Mittag übrig. Ich mache dir schnell etwas Leckeres.« Sie zog mich mit sich in die Küche.

»Hallo Abigail. Wie ich sehe, geht es dir gut.« Ich blieb kurz überrascht stehen. Am Küchentisch saßen Dominik und Darcia, die Eltern von Jesper, und tranken gemütlich Tee. Vor ihnen stand ein Teller mir verschiedenen Plätzchen die Oma immer im Haus hatte, falls Gäste unerwartet kommen sollten.

»Das du mir ja nie wieder so lange weg bleibst, du kleine Ausreißerin«, schalte Opas Stimme aus der Stube – wie ich mir gedacht hatte, saß er vor dem Fernseher.

Ich setzte mich zu Jespers Eltern an den Tisch und starrte die beiden einen Augenblick lang an. Oma war dabei, das Essen von heute Mittag aufzuwärmen und für mich vorzubereiten. Sie kehrte uns den Rücken zu. Dominik beugte sich über den Tisch in meine Richtung und sagte mit leiser Stimme: » Da wir nichts mehr von Jesper gehört haben seit er los ist dich zu suchen, geh ich stark davon aus, dass du eine kurze Urlaubsreise durch den Schleier getan hast? Also war der Ruf deiner Wurzeln schlussendlich doch stärker als Luc gedacht hat. Er hat versucht es mit allen Mitteln zu verhindern, aber deine Verbindung mit Eagsúlia lässt sich nun mal nicht leugnen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals mit dir darüber reden würde.«

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt