Kapitel 10 (part 1)

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                                                                         Abigail

»Wieso musste es denn ausgerechnet hinter dem Wasserfall sein?«, fragte Jesper, wrang sein Oberteil aus und schüttelte seinen Kopf um das Wasser auszuschütteln – der Anblick erinnerte mich an einen nassen Hund. Kleine Wassertropfen hingen in seinen Haaren und rannten ihm am Gesicht nach unten und tropften auf den Boden.

»Ach, sei keine Heulsuse Jes«, sagte Xenia.

Jes? Das war mir auch neu und dem Blick nach zu urteilen, den Jesper ihr zuwarf, ihm ebenfalls. Ich musste allerdings im Stillen zugeben, dass mit nassen Kleidern durch die kalten und feuchten Gänge zu laufen nicht gerade angenehm sein wird. Selbst die Ersatzkleider waren in der Tasche nicht komplett trocken geblieben.

Gerade warf Jesper ihr einen wütenden Blick zu über den Xenia nur lachen konnte.

»Wir haben keine Zeit zum rumalbern.« Nolan zog gerade sein Oberteil wieder an, was er meinetwegen ruhig auslassen hätte können. Seine definierten Bauchmuskeln konnten sich zeigen lassen. Schnell vertrieb ich die Gedanken an den Kuss die sich wieder anzubahnen versuchten. »Lasst uns den Kelch suchen.«

»Leicht gesagt«, erwiderte Xenia immer noch mit einem amüsierten Grinsen im Gesicht das jetzt jedoch verschwand. »Es ist so dunkel. Weiter hinten werden wir nicht einmal mehr die Hand vor den Augen sehen können. Wie gedenkst du, den Kelch in dieser Finsternis zu finden? Willst du uns den Weg mit deinem kleinen Feuerzeug beleuchten?«

So, als ob ihre Worte auf Gehör gestoßen wären, wurde es plötzlich heller hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um. Der Gang, der vor uns in den Berg hineinführte, war nun beleuchtet und schien uns zu sich und tief in sein Inneres zu locken.

»Was zum?« Zu beiden Seiten des Gangs leuchteten zwei schmale Streifen in einem hellen grünlichen Licht. Wie Lichterketten die zu beiden Seiten der Steinwand hing und uns den Weg zeigte. Es war nicht Taghell, aber hell genug um alles erkennen zu können und nicht über die eigenen Füße zu stolpern.

»Wie ist das möglich?«, fragte ich erstaunt und bedachte das grünliche Licht genauer.

»Es muss einen Art Mechanismus geben. Die Höhle muss mit einem Zauber belegt sein, der wohl irgendwie auf unsere Anwesenheit reagiert hat«, spekulierte Nolan. »Naja. Jedenfalls haben wir jetzt, eine Sorge weniger. Jetzt sehen wir genug.«

Ohne weitere Worte gingen wir los. Immer tiefer und tiefer in den Berg hinein nur begleitet von unserem Atem und den schlürfenden Fußschritten die von den Wänden wiederhallten. Nach kurzer Zeit des Schweigens sagte Jesper: »Wie weit geht das denn noch? Wir befinden uns bestimmt schon weit unter der Erdoberfläche. Und ein Ende ist nicht in Sicht.«

»Ich schätze mal, wer auch immer dafür gesorgt hat, das die Lichter auf die Gegenwart von Menschen reagieren, hat auch dafür gesorgt, dass das Innere des Felsen viel größer ist als man von außen vielleicht vermutet. Ich würde also nicht damit rechnen, das wir direkt auf den Kelch stoßen.«

»Und außerdem, gibt es ja auch noch diese mysteriösen Wächtern mit denen wir uns scheinbar rumschlagen müssen. Obwohl ich ja hoffe, dass das nur eine Masche war, um die Leute davon abzuhalten weiter zu gehen.«, fügte ich hinzu. »Vielleicht haben wir ja auch reine Seelen«, ich machte Anführungszeichen in der Luft, »und können uns den Kelch einfach holen und damit wieder hinausspazieren.«

»Ach was, ohne etwas Action ist es doch langweilig«, sagte Xenia und grinste mich an. Ich konnte nur lächelnd den Kopf über ihre Aussage schütteln. Das Schlimmste war, sie meinte es ernst.

Als wir nach einer Ewigkeit, jedenfalls kam es mir ewig vor, endlich auf einen großen Hohlraum stießen, blieben wir stehen. Staunend sah ich mich um. Der Raum hatte immerhin einen Durchmesser von gut zwanzig Metern. Steinsäulen zogen sich verstreut durch den Raum und die Decke ragte hoch über uns von der gefährlich aussehende Steinspitzen hingen. Zögerlich machte ich einige Schritte in den Raum hinein. Es schien kein anderer Weg hinauszuführen. Wenn wir den Kelch gefunden hatten, mussten wir auf den gleichen Weg zurück, auf den wir gekommen waren. Ich machte noch einen Schritt in den Raum hinein. Das Bild von qualvoll schreienden Menschen zuckte kurz vor meinem geistigen Auge auf. Dann erkannte ich es. Das hier war der Raum, den ich in meiner Vision gesehen habe. Den Raum, in dem Jesper ... Ich schluckte schwer und kniff die Augen feste zusammen, so, als ob ich dadurch verhindern konnte, die Bilder erneut zu sehen. Langsam öffnete ich die Augen wieder, erleichtert, nur Stein und keine verletzten Menschen vor mir zu sehen.

Als ich mich umdrehte, entdeckte ich direkt neben dem Durchgang, durch den wir gerade gekommen waren, zwei große Steinstatuen. Zu beiden Seiten stand jeweils eine drei Meter hohe Statue. Sie stellten zwei Mischwesen – zwei Chimären – dar. Sie hatten den Kopf eines Löwen. Eine prächtige Mähne umrahmte den Kopf der linken Chimäre, die rechte hatte keine. Es handelte sich vielleicht um Männchen und Weibchen. Beide hatten den Körper eines Tigers und aus dem Rücken ragten große kräftig aussehende Flügel die sich gefaltet an ihre Körper schmiegten. Der lange Schwanz, der um die mächtigen Pranken geschlungen war, endete im Kopf einer Schlange. Die Schlange der weiblichen Chimäre hatte ihr Maul weit aufgerissen und präsentierte ihre langen gebogenen Giftzähne. Mindestens zehn Zentimeter waren die gefährlichen Giftspritzen. Ich wendete den Blick von der Schlange ab und schaute nach oben in die Augen des Weibchens. Irgendwie, hatte ich das ungute Gefühl, beobachtet zu werden und ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter und ließ mir die Haare auf den Armen zu Berge stehen. Obwohl sie nur aus Stein bestanden, schien mich das Tier durch ihre kalten dunklen Augen misstrauisch zu mustern, als ob sie abzuschätzen versuchte ob ich vertrauenswürdig war oder nicht. Freund oder Feind. Ob ich gleich etwas stehlen würde, was sie seit Jahrtausenden bewachten oder nicht. Waren das hier, die beiden Chimären, etwa die Wächter von denen in der Warnung die Rede war? Aber wie, sollten sie jemanden töten, wenn sie aus Stein waren?

Ehe ich meinen Blick von der Statue losreißen konnte, vernahm ich die aufgeregte Stimme von Xenia. »Hier drüben.«

Sie stand auf der anderen Seite des Raums voreinem Art Altar. Er bestand ebenfalls aus Stein und schien aus der Wand gehauenzu sein. Darauf standen ein paar hinunter gebrannte Kerzenstummel oder zerbrocheneKerzen in Kerzenständern, ein paar leere Seiten Papier, die jedoch unter meinenFingern praktisch zerfielen als ich sie berührte, eine kleine verrostete hoheSchale und einige Knochen. Alles war mit Staub und Spinnenweben bedeckt undließ erahnen, für wie lange niemand mehr hier unten gewesen war. Dann sah ichauch das, auf das Xenia starrte. Vor uns in die Wand befanden sich zweirechteckige Löcher nebeneinander. Dazwischen zehn Zentimeter Abstand. In jedemder beiden befand sich ein Kelch. Zwei identisch aussehende Kelche. Golden undreich verziert. Keine einzige Spinnwebe befand sich auf den Kelchen. Sieglänzten, als ob sie gerade erst poliert worden wären. Mehrere kleine Steineund ein einziger großer blauer Stein zierten den Griff des Kelches. Sie sahensehr teuer und beeindruckend aus. Kelche eines König würdig. Kein Wunder, dader Kelch ja anscheinend einmal einer Göttin gehört hat. Allerdings, war in derProphezeiung nur die Rede von einem Kelch gewesen. 

Hier, befanden sichallerdings zwei.     

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt