Abbie
»Können wir das Horn diesem Blackbeyn nicht einfach abkaufen?«, schlug Jesper vor. »Er hat ja sowieso vor es zu verkaufen. Wieso den momentanen Käufer dann nicht einfach überbieten?«
Ein leises höhnisches Auflachen kam von Nolan. »Du bist nicht von hier. Du und Abbie ihr könnt das also nicht wissen, aber mit Tibault Blackbeyn, dem Oberhaupt der Blackbeyns, macht man keine Geschäfte. Wenn man schlau ist, dann hält man sich fern und mischt sich nicht in seine Angelegenheiten ein.« Ich runzelte verwirrt die Stirn. »Sagen wir mal so, er hat nicht gerade den besten Ruf unter uns. Ihm wird nachgesagt mit illegalen Waren zu handeln und er macht auch keinen Hehl daraus. Alles was er irgendwie zu Geld machen kann wird von ihm verkauft. Seine Preise sind meist unmenschlich hoch.« Ein dunkler Schatten lief über seine grünen Augen. »Oft verlangt er auch andere Sachen als Geld. Sachen, die es sich für keinen Gegenstand der Welt lohnt sie herzugeben. Und obwohl viele von seinen nicht ganz koscheren Geschäften wissen, suchen sie ihn dennoch auf, wenn sie etwas brauchen.« Ein Schauer lief mir den Rücken herunter und die schlimmsten Vorstellungen liefen mir durch den Kopf – wie sein Erstgeborenes, das Augenlicht, ein Jahr des eigenen Lebens, Sachen, die Feenwesen zum Austausch einer Gefälligkeit eingefordert hätten und die ich niemals hergeben würde. Bei dem Gedanken musste ich schwer schlucken und ich konnte mir den nächsten Kommentar, trotz der ernsten Situation, nicht verkneifen. »Ist dieser Tibault etwa ein Feenwesen?«
Nolan warf mir einen neutralen Blick zu, nicht einmal ein kleines Schmunzeln. Er zuckte nicht einmal mit der Braue. Seit unserem Kuss auf dem Dach waren bereits ganze zwei Tage vergangen und wir hatten noch nicht wirklich die Gelegenheit gehabt, alleine miteinander zu sprechen und zu klären, was da eigentlich zwischen uns lief. Immer kam etwas dazwischen und nie hatten wir die Gelegenheit einige Momente zu zweit zu verbringen.
Ich blicke in seine smaragdgrünen Augen und hätte mich am liebsten in ihnen verloren und das ganze Chaos um uns herum einfach vergessen. Mich zusammenrollen wie ein kleines Kind und schlafen – das wäre jetzt perfekt. Jemand anderem die Rettung der Welt – der Welten – anvertrauen und erst wieder aufstehen, wenn alles vorbei war. Doch wem machte ich damit etwas vor. Das konnte ich nicht. Zu sehr war ich jetzt schon in allem verwickelt. Ich konnte jetzt nicht einfach nach Hause gehen und so tun, als sei nichts geschehen und alles in Ordnung. Denn das war es nicht! Ganz und gar nicht.
Als Nolan blinzelte, brach der Kontakt ab und ich befand mich ruckartig wieder in dem Büro mit den anderen.
»Nein«, sagte Nolan um auf meine im Scherz – naja, vielleicht nicht hundertprozentig nur ein Scherz – gemeinte Frage zu antworten. »Blackbeyn ist so wie Xenia, Sirhan oder ich. Ein normaler Aegsiulianer.«
Ich verkniff mir meinen nächsten Kommentar – dass sie für meinen Geschmack nicht gerade als normal durchgingen – und Nolan fuhr fort: »Man sagt ihm sogar nach, das er mit Lebewesen handelt. Nymphen, Varks, Elfen, Goldlingen, alles was er in seine gierigen Finger bekommt und nicht rechtzeitig entkommen kann. Nichts ist vor seinem nimmersatten Gemüt sicher. Der Mann der diese Insignie erstatten will, muss einen unglaublich hohen Preis gewillt sein zu zahlen. Stellt sich nur die Frage, ob beide, nur einer oder vielleicht sogar keiner von ihnen weiß, um was genau sie da feilschen.«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte Xenia. »Da wir ihm die Insignie ja sowieso stehlen werden, was tut es da zur Sache ob Tibault weiß um was genau es sich bei dem Horn handelt oder eben nicht. Beide Situationen enden darin, dass er ohne das Horn am Ende dasteht.«
»Es spielt insofern eine Rolle, dass, wenn er weiß was genau das Horn ist und wie wertvoll, die Sicherheitsmaßnahmen bestimmt umso höher sein werden. Tibault ist jemand, der seine Ware sicher aufbewahrt und der keine Kosten und Mühe scheut um das zu bewerkstelligen. Was es uns natürlich erschweren wird, ungesehen in das Anwesen einzudringen und die Insignie zu entwenden. Er wird sich diesen Handel nicht unter die Lappen gehen lassen und wird die Insignie bestimmt gut und vor allem sicher – diebessicher – aufbewahren. Es wird also nicht leicht werden da ran zu kommen.«
»Hinzukommt«, sagte Orelia, »dass das Anwesen der Blackbeyn wirklich groß ist. Es wird schwierig, das Horn des Feuerdrachen in dem großen Gebäude zu finden. Er könnte es überall verstecken.«
»Dann suchen wir halt jeden Raum durch«, schlug Xenia schulterzuckend vor. »Etwas anderes bleibt uns ja nicht übrig. Und vielleicht lässt mich meine Gabe ja dieses Mal nicht im Stich und ich kann bei der Suche hilfreich sein.«
»Ich könnte noch einmal versuchen, eine Vision zu erzwingen um herauszufinden, wo genau die Truhe mit der Insignie aufbewahrt wird«, schlug ich vor.
Orelia nickte. »Ein Versuch kann nicht schaden.«
»Da bin ich anderer Meinung.« Jesper sah mich mit gerunzelter Stirn an. Seine grauen Augen blickten misstrauisch und besorgt in meine. »Wenn du nach jeder Vision immer wieder das Bewusstsein verlierst, kann das doch nicht gut für dich sein. Zumindest nicht auf lange Sicht. Ich finde, du solltest das Ganze erst einmal etwas langsamer angehen. Du bist es noch nicht gewöhnt die Visionen heraufzubeschwören und wer weiß, was für Folgen das ständige nutzen deiner Gabe zur Folge hat.«
Ich wusste er meinte es nur gut. Ich konnte die Besorgnis in seinem Gesicht ablesen und doch blieb mir nichts anderes übrig als es zu versuchen. Allerdings wollte ich auch nicht der Grund für seine Sorgen oder Bedenken sein also sagte ich – und versuchte dabei so überzeugend und zuversichtlich wie nur irgend möglich zu klingen: »Mach dir keine Sorgen um mich Jesper. Ich bin okay. Mir geht es gut. Wirklich! Das macht mir nichts aus.« Als er immer noch nicht so ganz überzeugt zu sein schien, faste ich ihm leicht am Arm und fügte hinzu: »Vertrau mir.«
Er nickte zwar, aber ich wusste, dass ich ihn mit meinen Worten nicht überzeugt hatte – zumindest nicht komplett.
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Eagsúlia - Macht der Elemente
FantasySeit ihrer frühen Kindheit wurde Abbie von schlimmen Albträumen heimgesucht und wurde von jedem außer ihrem besten Freund Jesper gemieden. Wobei sich es aber genau bei diesen Albträumen handelt soll sie erst erfahren, als sie auf magische Weise in e...