E I N S

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Luke's PoV:

Gelangweilt stütze ich meine Arme auf dem Tresen vor mir ab. Heute ist in der Bowling-Bahn wenig los, doch an einem Dienstag ist wohl kaum etwas anderes zu erwarten. Der letzte Kindergeburtstag war schon vor zwei Stunden verschwunden, also um neunzehn Uhr. Und ich bin hier hinter der Theke der Schuhausgabe natürlich gänzlich unterfordert.

Desinteressiert lasse ich meinen Blick über die vier Bahnen und die jeweils dazugehörigen Sitzgelegenheiten und die Bar streifen. Die Bar geführt von Billy und Paul, ist gut besetzt von den üblichen Verdächtigen, die auf den roten Leder-Barhockern herumlungern. Alles Ehemänner die versuchen ihren Frauen zu entfliehen. „Ich war bowlen mit den Jungs" hört sich dann wohl doch besser an als „Ich war eben einen trinken, im Pub um die Ecke." Die meisten von ihnen sind schon Stammgäste.

Hätte ich bloß an mein Songtext-Buch gedacht, denn der Akku meines Handys ist schon längst draufgegangen. Manchmal schreibe ich ein paar Lieder, singe sie dann in meiner Freizeit. Ich weiß, dass meine Stimme nichts besonderes ist, aber es macht mir Spaß. Also warum sollte ich dann damit aufhören? 

Dienstag ist einfach einer der schlimmsten Tage auf der Arbeit. Ich habe nicht nur abends Schicht, sondern muss auch als Letzter den ganzen Laden hier durchfegen und abschließen. Das heißt, zu Hause wäre ich erst so gegen halb zwölf in der Nacht. Na super. Morgen steht um neun Uhr die nächste Schicht im Kaffee an.

Gedanklich bin ich ganz wo anders, als bei der Arbeit. Wie fast jeden Tag mache ich mir Sorgen um meine finanzielle Versorgung. Ich habe nicht ohne Grund zwei Jobs, verteilt auf sieben Tage die Woche. Einen habe ich, um mein Leben zu finanzieren, den anderen um Geld an meinen Bruder zu schicken. Er braucht es für einen Klinikaufenthalt, weil er sich und sein Leben schon wieder nicht unter Kontrolle hat. Von meinen Eltern kann ich nach unserem Streit und meinem Auszug keine Hilfe mehr erwarten.

Müde gähne ich. In letzter Zeit finde ich einfach keine Gelegenheit richtig auszuschlafen, ich arbeite zu viel. Es ist halt einfach nicht leicht in einer großen Stadt mit übermäßig teuren Mieten über die Runden zu kommen.

Ich überbrücke die letzten ein einhalb Stunden Arbeit noch damit, die letzten Schuhe, die abgegeben wurden, überordentlich einzuräumen und den Männern an der Bar unauffällig zuzuhören. Um zwanzig nach Zehn beginnen Billy und Paul die restlichen Kunden zu vertreiben. Aus Erfahrung wissen wir, dass es etwas länger dauern wird, da die betrunkenen Männer teilweise sehr standhaft sein können. Einer nach dem anderen findet torkelnd seinen Weg durch die große, rot angestrichene Eingangstür nach draußen, bespricht dann noch mit seinen Kumpels, wohin sie als nächstes sollen, Billy und Paul mit eingeschlossen. Ihr schwerer Alkoholgeruch hängt noch in der Luft, meine Nase kräuselt sich deswegen. Ich hasse diesen Geruch. Für mich ist es unverständlich, weswegen man sich mit Alkohol so abschießt.

Gegen zehn nach halb fange ich damit an, die Bahnen systematisch zu fegen. Ich arbeite mich wie immer von rechts nach links vor bis zum Ausgang. Über die gigantischen Lautsprecher, die überall in der Halle aufgestellt sind, lasse ich etwas Musik abspielen, sodass das Fegen mir nicht so lustlos erscheint. Leise singe ich zu den Liedern von Sum 41, lasse meine Hüften rhythmisch dazu kreisen.

Ich bin gerade bei der letzten Bahn angekommen, als mir ein prall gefülltes Portemonnaie unter einer der, mit rotem Kunstleder bezogenen, Bänke auffällt. Nach kurzem überlegen lasse ich es in meine Hosentasche gleiten. Die Idee es in unsere Fundkiste zu tun, habe ich in Sekunden schnelle wieder verworfen. Hank, der unangenehme, garstige Typ von der Kasse bedient sich bestimmt daran. Ein Portemonnaie, vor allem eines, das so prall gefüllt ist überlebt da nicht lange. Ich werde einfach nach einem Führerschein oder einem Ausweis suchen, dann kann ich das Portemonnaie dem Besitzer zurück bringen. Und wenn ich Glück habe dann kassiere ich auch noch Finderlohn, so prall wie dieses Ding hier gefüllt ist. Nützlich wäre das ja, ich meine, in einer Woche ist meine Monatsmiete fällig.

Als ich die ganze Halle fertig gefegt habe, räume ich den Besen weg und hänge meine Arbeitsklamotten in den dafür vorgesehenen Spind. Nachdem ich meine Alltagskleidung wieder angezogen habe, krame ich nach dem Portemonnaie. Ich halte es in der Hand und überlege für einen kurzen Moment, ob ich es wirklich öffnen soll. Schließlich gehört es ja einem völlig Fremden, doch meine Neugier führt mich dazu, dass ich das Ding öffne und erstmal nichts außer massenhaft an Karten sah. Neben Kreditkarten, Girokarten und auch einer Kundenkarte von VideoWorld ist alles vertreten. Ich nehme mir die erste, eine Mitgliedskarte von irgendeinem unbekannten Shop, und suche nach etwas brauchbaren, doch das einzige, was ich dort sehe, ist ein Name.

Ashton. Ashton Irwin.

Mir kommt auf einmal eine Idee. Wenn er so viele Mitglieds- und Kundenkarten hat, dann hat er bestimmt auch eine bei uns.

Den nächsten Computer den ich sehe, einen an der Bar, fahre ich hoch. Mit schnellen Fingern tippe ich das Passwort, das alle Mitarbeiter haben, auf der abgenutzten Tastatur ein und schaue im Register nach, ob Irwin hier verzeichnet ist. Und das ist er tatsächlich. Neben seinem Namen stehen auch noch eine Adresse und eine Telefonnummer. Ich schreibe mir beides auf ein Blatt Papier und stecke es ist meine Tasche. Den Computer fahre ich wieder runter und mache mich auf den Weg nach Hause. 

Daddy?« LashtonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt