part eleven

192 22 3
                                    

Frodo PoV:
Ich bereute, dass ich Rick zugesagt hatte. Ich war müde, ich hatte kaum geschlafen, ich hatte keine Lust. Am liebsten hätte ich mich den ganzen verdammten Tag zu Hause verkrochen, gezockt, YouTube-Videos geguckt und sonst nichts. Aber ich wusste, Rick abzusagen, würde eh nichts bringen. Er würde wahrscheinlich zu mir kommen und mich an den Haaren aus der Wohnung zerren. Zuzutrauen wär's ihm.
Seufzend stand ich also auf. Ein Blick auf die Uhr ließ mich laut fluchen. Es war bereits jetzt 14:30Uhr. Ich brauchte mindestens eine halbe Stunde zu Rick und war noch nichtmal geduscht. Ich würde also in jedem Fall zu spät kommen. 'Dann könntest du ihm ja doch absagen...', flüsterte eine Stimme in meinem Hinterkopf. Ich schüttelte ruckartig den Kopf. Es würde nichts nützen. Seufzend stieg ich also unter die Dusche und wusch mich in Rekordzeit. Bereits 15 Minuten später stand ich auf meinem Longboard und fuhr zu Rick. Es war zwar kalt, aber für November untypisch sonnig. Also ließ ich mir den Fahrtwind um die Nase wehen, als ich durch Berlin fuhr.
Es war ruhig auf den Straßen und das gefiel mir. Die meisten Menschen waren irgendwo, arbeiteten, taten irgendwas Sinnvolles. Im November gab es verhältnismäßig wenig Touristen. Und die hielten sich dann meistens sowieso am Brandenburger Tor oder am Alex auf. Also hatte ich, relativ gesehen, meine Ruhe. So konnte ich die Gedanken ein wenig treiben lassen. Flo hatte also nichts mit Steven. Ich lachte über mich selbst, dass ich ausgerechnet Laras Worte für bare Münze genommen hatte. Aber hieß das automatisch, dass Flo und ich...? Ich verbot mir, den Gedanken zu Ende zu denken. Flo hatte immer noch Ina! Ich war höchstens sein bester Freund und selbst da war ich mir nicht mehr so sicher.
Als ich bereits kurz vor Ricks Wohnung war, fiel mir ein, dass ich ja gar nicht Bescheid gesagt hatte, dass ich zu spät kommen würde. Also schrieb ich Rick schnell eine Nachricht, dass ich in fünf Minuten da wäre. Es kam keine Antwort, wahrscheinlich war er sauer. Rick hasste Unpünktlichkeit. Ich seufzte. Na, dass konnte ja was werden. Er sollte bloß nicht merken, wie sehr mich die ganze Geschichte immer noch mitnahm. Er machte sich sowieso zu viele Sorgen um mich. Also zwang ich mich, zu lächeln, als ich bei Rick klingelte.

"Hi!", rief ich überschwänglich, als ich an Ricks Wohnungstür ankam. Die von Steven hatte ich gekonnt ignoriert. "Äh, hi", antwortete Rick und sah mich argwöhnisch an. Ich trat ein und versuchte zu grinsen. "Alles okay?", fragte Rick. Er klang besorgt. Verdammt, er sollte doch aufhören, sich Sorgen zu machen! "Klar! Was soll denn nicht okay sein?", fragte ich und versuchte weiter, fröhlich zu wirken. Ich merkte, wie ich immer mehr scheiterte, also wandte ich Rick den Rücken zu und ging Richtung Ricks Zimmer. "Äh", machte er hinter mir. Ruckartig drehte ich mich um. "Das war 'ne rhetorische Frage, Alter. Ick weiß jenau, wat nich' okay is'. Aber ick hab kein' Bock, da drüber zu reden, okay?", fragte ich und klang gereizter, als ich wollte. Eigentlich war ich Rick ja dankbar, dass er sich so um mich kümmerte und sich um mich sorgte. Aber ich wollte nicht, dass wir dieses Thema immer und immer wieder durchkauten. Ich musste einfach damit klarkommen. In Ricks Zimmer ließ ich mich auf die Couch fallen und sah, welches Spiel lief: Super Smah Bros. Ich grinste. Rick kam hinter mir her und sah mich an. Seinen Blick konnte ich nicht so Recht deuten."Das trifft sich gut. Steven hat mir vorhin geschrieben, er fragt, ob wir mit ihm unten bei ihm zocken wollen", erklärte er mir. Mein Grinsen war wie weggewischt. "Ach komm, das wird lustig. Und Steve würde sich freuen, nachdem du Samstag nur so kurz da warst." Dieser Satz versetzte mir einen Stich. Ich hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen, vor allem Steve gegenüber. Ich hätte nicht einfach so abhauen sollen, aber irgendwie war mir die Situation zu viel geworden. Ich hoffte, er hätte Verständnis für mich, und so stimmte ich Ricks Vorschlag zu.
"Na jut. Aber er weiß von nichts?", vergewisserte ich mich. Rick nickte. Immerhin, dann konnte ich diesen Gesprächen wenigstens entgehen, wenn Steven dabei war. Meine Miene hellte sich ob der Vorstellung, mal nicht über meine Probleme reden zu müssen, auf. "Dann los!", rief ich und sprang wieder auf. Ich klang weniger enthusiastisch, als ich mich fühlte. Warum nur? War es eine leise Vorahnung?

Rick zog sich Schuhe an und lief dann, mir voran, nach unten. Schnell hatte er mich abgehängt. Als ich vor Steves Wohnungstür ankam, lag schon sein Finger auf der Klingel. Er hatte sich aus irgendeinem Grund so vor der Tür positioniert, dass ich mich hinter ihn stellen musste.
Schon wurde die Tur schwungvoll von Steven geöffnet. "Hey!", rief er und ließ uns ein. Ich wollte gerade zu einer Begrüßung ansetzen, da kam Rick mir zuvor. "Hi!", rief er, ungewöhnlich laut und küsste Steven. Mir lief es heiß und kalt den Rücken runter. Vor meinem inneren Auge wurde Rick durch Flo ersetzt. Flo und Steven? Nein! Ich dachte weiter. Flo und ich? Ich versuchte, auch diesen Gedanken abzuschütteln. Rick trat an Steven vorbei und rief, wieder unnatürlich laut: "Ich geh' schonmal rein!" Ich verdrehte die Augen, dann trat auch ich ein.
Nach der Begrüßung schloss Steven die Tür und schob mich in Richtung Wohnzimmer. Plötzlich hörte ich eine Stimme, die ich unter Tausenden wieder erkannt hätte. Hatte Rick nicht gesagt, nur Steven wäre hier? Ich kramte in meinem Gehirn. Nein, eigentlich hatte er dazu gar nichts gesagt. Aber ich war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sonst niemand hier wäre. Und schon gar nicht er! Das leise "Hi, Rick", ließ mich Schaudern. Er klang müde und fertig. Noch mehr als sonst. Panik durchfuhr mich und ich drehte mich ruckartig um. Ich musste weg, schnell! "Ick muss weg!", keuchte ich, panisch. Ich sah in Steves Augen. Er sah mich beruhigend an. Beruhigend?! Behutsam legte er mir die Hände auf die Schultern. "Musst du nicht", murmelte er und wollte mich schon wieder weiterschieben. Er drehte mich um und ging weiter hinter mir her. Ich versuchte es ihm zu erklären, doch scheiterte kläglich. Schon standen wir im Wohnzimmer. Steven gab mir einen letzten Schubs, sodass ich mitten im Zimmer zum Stehen kam. Steven blieb in der Tür hinter mir stehen. Direkt vor der Couch stand Flo und sah mich entgeistert an. Ich musterte ihn schnell. Die Augenringe, noch dunkler als sonst. Die Hände, zitternd. Die Haut, fahl, gräulich, als hätte er schon lange kein Sonnenlicht mehr gesehen. Er sah komplett fertig aus. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich ihn für einen Drogenjunkie gehalten. "Du?", entfuhr es ihm. Die Kälte seiner Stimme fuhr mir durch Mark und Bein. Am liebsten wäre ich abgehauen, doch ich wusste, dass Steven mich höchstwahrscheinlich aufhalten würde. "Steve, wat soll dit?", fuhr er fort und wandte sich an diesen. Doch stattdessen ergriff Rick das Wort, der die ganze Zeit wie angewurzelt im Raum gestanden hatte. Bei seiner Erklärung zog ich hörbar die Luft ein. "Das ist ganz einfach. Ihr redet jetzt und hier miteinander. Das is' schon lange überfällig und wir haben keinen Bock, eure Geheimnisse weiter vor uns geheim zu halten." Nur langsam drangen seine Worte zu mir durch. Mit Flo reden? Ich? Hier und jetzt? Das konnte unmöglich sein Ernst sein! Er wusste doch genau, was bei mir los war! Flo sah genau so entgeistert aus wie ich. "Dit könnt' ihr doch nich' machen!", rief ich entgeistert aus und drehte mich zu Steven. Doch Steven schüttelte den Kopf. "Wir können und wir werden. Wir warten in der Küche, falls ihr uns braucht. Und kommt bloß nicht auf die Idee, einfach abzuhauen! Wisst ihr, manchmal müssen einem eben gute Freunde in den Arsch treten. Ihr werdet euch besser fühlen, wenn ihr erstmal miteinander gesprochen habt", erklärte er. Bei den letzten Worten wurde seine Stimme weich. Rick war neben Steven getreten und sah uns an. "Genau. Wir wissen, wovon wir reden. Also, bis später!" Dann war die Tür zu und ich mit Flo alleine. Ich holte tief Luft und sah dann Flo an.

SpinOff: FroidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt