„Komm ich zeig dir meine Stadt und wir fallen durch Straßen voller Menschen." (Elif - Unter meiner Haut)
„Was ist los, Florian?", wollte Thea, die es sich an meiner Schulter bequem gemacht hatte und genau merkte, dass ich nicht schlief, von mir wissen. Sie merkte immer sofort, wenn irgendetwas ganz gehörig schief lief. Wie so ein sechster Sinn.„Kann nicht schlafen", murmelte ich nur und die Künstlerin lachte nur leise.
„Das bin ich mir bewusst. Warum kannst du nicht schlafen?", hakte sie weiter nach und ich schloss die Augen. Daran wollte ich am liebsten gar nicht denken...
Die Nachricht von Ina hatte ich mittlerweile immer noch nicht gelesen, aber allein die Tatsache, dass diese Nachricht existierte, änderte alles. Komplett, von Grund auf, unwiderruflich.
„Zu viel im Kopf, muss zu viel nachdenken", erwiderte ich und Thea setzte sich nun auf, schaute mich musternd an. Und ich konnte ihren Blick nicht erwidern, wollte nicht in ihre Augen schauen, wenn mein Herz nicht komplett bei der Sache war.
„Dann machen wir jetzt was, komm, steh auf und zieh dir was an", zuckte sie dann mit den Schultern und schlug die Decke zur Seite. Die kalte Zimmerluft ließ mich erschaudern, aber ich tat, wie mir geheißen. Sie wusste schon, was sie da tat und mit mir vorhatte.
„Ich würd mich wärmer anziehen, wir werden länger draußen bleiben", riet Thea mir, als sie in ihre Schuhe schlüpfte und ich nahm mir noch meinen Pullover, bevor ich ihr folgte. „Und hier, halt mal."
Und so stand ich dann da, zwei Flaschen Wein in der Hand neben einer Thea, die sich vorm Spiegel durch die Haare fuhr und nach ihrem Aussehen schaute. Die ganze Situation war ja schon merkwürdig genug, aber eine Thea, die nach ihren Aussehen schaute, schoss den Vogel ab. Sowas hatte ich vorher auch noch nicht so oft erlebt. Und dabei meinte ich meine normale Thea, nicht die Künstlerin Anthea La Flore.
„Und jetzt, komm, wir haben viel vor", meinte sie lächelnd, während sie mich am Arm aus der Tür zog, in eines ihrer Thea-Abenteuer, die wohl zu 100% auf sie passen, aber in denen ich wahrscheinlich nie meinen Platz finden würde.
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist", murmelte ich und dachte immer wieder an diese Nachricht zurück. Ich zögerte.
„Komm schon, Flo. Das wird dir gut tun!", hielt mir Thea eine mittlerweile offene Flasche hin, aus der schon ein Schluck fehlte. Und ich zögerte noch mehr.
„Eine Sekunde", verlangte ich so dann nur, drehte mich um und zog mein Handy aus meiner Tasche. Ich musste mich damit konfrontieren. Und so öffnete ich die Nachricht, meine Augen flogen über die Zeilen und mein Herz krampfte sich immer weiter zusammen.
‚Hallo Florian...'
‚... neustes Video...'
‚... lange nicht mehr gesehen...'
‚... es interessiert mich einfach...'
‚... Ina'
Ich schluckte, wollte mich irgendwo festhalten, um nicht zu schwanken, doch da war einfach nichts zum Festhalten, keine Stütze, niemand.
„Gib her", raunte ich Thea zu und nahm ihr die Flasche ab, trank einen großen, großen Schluck und hoffte, dass die Wirkung bald einsetzen würde.
„So ist es richtig. Und jetzt komm, wir haben einen langen Weg vor uns", meinte Thea aufmunternd und rannte dann los, mitten durch die leeren Straßen Berlins, wohl mit einem ganz bestimmten Ziel vor Augen. Und ich rannte einfach hinterher.
+
„Was ist? Kannst du nicht mehr?", rief ich Flo über meine Schulter zu und verlangsamte meinen Schritt, ließ Flo zu mir aufstoßen, bis ich ganz stehen blieb. „Ich hätte dir schon mehr Ausdauer zugetraut, Florian", neckte ich ihn weiter, doch anstatt ihn etwas erwidern zu lassen, drückte ich meine Lippen auf die Seine. Ein kurzer Kuss, der sich in der nächsten Sekunde zu etwas größerem entwickelte.
Er schmeckte nach Rotwein. Ich hatte meinen Lieblingswein mitgenommen, und in Kombination mit diesem wundervollen Mann an meiner Seite schmeckte er nur noch besser.
„Was auch immer dich beschäftigt, Flo, du kannst davor nicht weglaufen, das wissen wir beide. Aber wenn ich mal weglaufen möchte, dann mache ich genau das hier. Und mir geht es jedes Mal besser. Also komm, noch ein Stück, das macht den Kopf frei und dir wird's besser gehen", erklärte ich ihm nach einer kurzen Weil und hielt ihm erneut die Flasche hin.
Ich liebte es, nachts durch Berlin zu rennen, am Ende meiner Kräfte, wenn mein Herz stark pumpte und mein Atem immer flacher wurde. Es war eines dieser Gefühle, die ich am meisten liebte. Diese Lebendigkeit, wenn ich eine Zeit lang nicht wirklich gelebt, mich einfach eingeschlossen hatte. Diesen freien Kopf, wenn all die Gedanken mich mal wieder zu überrumpeln schienen. Und dieser Alkohol, der den Rest tat. Eine bessere Kombination hatte ich noch nicht gefunden.
Und Florian schien mir in dieser Hinsicht zu vertrauen, er folgte mir, powerte sich aus, steigerte sich nur noch ins Laufen rein, nicht mehr in seine ganzen Probleme, von denen er mir nicht erzählen wollte.
Was in diesen Moment zählte, waren einfach nur wir. Wir ließen uns von nichts ablenken, sondern rannten einfach weg. Vereinzelt kamen uns Menschen entgegen, vor allem betrunkene Partygänger oder Nachtspazierer, die wir aber alle hinter uns zurück ließen. Wir rannten. Vorbei an den Menschen, vorbei an ihren Geschichten, ließen uns einfach nur fallen. Und es war ein gutes Gefühl.
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Das Blumenmädchen (LeFloid)
FanficFlo hatte mehr als genug um die Ohren: Die Masterarbeit machte ihm das Leben schwer, YouTube musste laufen, auch wenn er keine Lust hatte, und in der Liebe schien er wohl auch kein Glück mehr zu haben. Nie wieder. Nicht nach allem, was er Ina angeta...