-6-

2.8K 170 2
                                    

Bild: Julia's Kleid

"Du bist meine Mate. Und wenn er dich auch nur einmal anfässt, dann werde ich ihn in Stücke reißen."

Ich strich Dylan über seinen Kiefer, um zu sehen wie er sich wieder entspannt. Seine Hände, die immer noch neben meinem Kopf an die Spinde gedrückt waren, hatten sich zu Fäuste geballt. "Dylan?" Er hob langsam den Kopf und sah mir in die Augen. Seine Augen spiegelten immer noch den Zorn und sein Atmen war ziemlich angestrengt. "Er wird mich nicht anfassen. Niemals. Und zwischen mir und ihm wird nie irgendetwas sein, was über eine einfache Freundschaft hinausgehen würde.", fing ich dort an, wo Dylan mich eben unterbrochen hatte. Ich nahm seine Hände vom Spind, öfnette die Fäuste und legte sie in meine. "Er wird niemals meine Hände halten oder mir auch nur annähernd so nahe kommen wie du. Und er wird mir auch niemals einen Kuss auf die Wange geben und dann einfach so verschwinden.", sagte ich und sah wie seine Mundwinkel nach oben zuckten. "Weil ich das nicht zulassen werde. Weil ich das nicht will." Ich hatte gerade zuende gesprochen, da ertönte die Schulklingel und die angenehme Stille wurde von aufgeregten Schülern durchbrochen. Dylans Wut war aus seinen Augen verschwunden. Er nickte mir zu, gab mir einen Kuss auf die Wange und lehnte sich zu meinem Ohr. "Halb sieben." Dann war er verschwunden und ließ mich mit einem Lächeln auf den Lippen im Flur stehen.

"MOM!" Ich fasste mir verzweifelt an die Stirn und schaute auf das Chaos, was ich verursacht hatte. Meine Zimmertür wurde aufgemacht und schob dabei ein paar Kleidungsstücke zur Seite. "Ach du meine Güte ...", hörte ich sie murmeln. Vorwurfsvoll sah meine Mutter mich an und zeigte auf meinen Teppichboden, der von Klamotten bedeckt war. "Das räumst du auf, bevor du weg bist." Ungläubig starrte ich sie an. Das konnte doch nicht ihr ernst sein. "Mom ... ich hab nichts zum anziehen!", motzte ich und ließ mich mit dem Gesicht zuerst ins Bett fallen. "Ich weiß Schatz ... Wie bekommst du so viele Sachen eigentlich in deinen Kleiderschrank?", hörte ich sie gedämpft durchs Kissen fragen. "Verrat mir dein Geheimniss ..." Ich drehte mich auf den Rücken und sah schmollend zu meiner Mutter. "Mama, lass das und sei mir behilflich.", quängelte ich und schob eine weiße Bluse von meinem Nachttisch. "Warst du denn schon im Bad?", fragte sie mich während sie sich überlegend ein dunkelblaues Spaghettitop ansah, es aber doch wegwarf. "Nein ..." - "Na dann los! Wenn dein Freund pünktlich ist, dann wirst du in anderthalb Stunden abgeholt. Du gehst ins Bad und ich suche dir was schickes aus." Schnell sprang ich aus meinem Bett und bahnte mir einen Weg durch alle Klamotten, die ich besaß. "Mama er ist nicht mein Freund.", stellte ich noch klar, bevor ich im Bad verschwand.

Nach gut einer Stunde war ich dann fertig und meine Mom auch. Sie hatte sogar meine Klamotten wieder in den Schrank geräumt. "Du bist ein Engel.", sagte ich ihr und grinste sie an. Nur in Unterwäsche stellte ich mich dann vors Bett und sah mir das Kleid an, was Mom mir rausgelegt hatte. Schnell zog ich es über und zupfte es zurecht. Es passte immer noch wie angegossen. Meine Oma hatte es mir vor zwei Weihnachten geschenkt. Leider ist sie kurz danach gestorben und konnte es nicht mehr an mir sehen. Meine Mutter strich mir über den Arm und legte ihren Kopf auf meine Schulter. "Ich wünschte Nana hätte es noch gesehen ...", sagte ich und strich über den weichen schwarzen Stoff. "Sie sieht dich doch Liebling. Jeden Tag." Lächelnd sah ich meine Mutter durch den Spiegel an. Sie hatte recht. Ich riss mich zusammen und ging wieder ins Bad, wo ich dann dezent Schminke auftrag und meine Haare erneut richtete. Ich hatte mich dazu entschlossen sie einfach offen zu lassen, weil sie nach dem Föhnen immer flauschig genug waren. Wieder in meinem Zimmer sah ich meine Mutter, die auf meinem Bett saß und ein Paar Schuhe am Finger hängen hatte. Beim zweiten Blick sah ich, dass es ihre schwarzen Pumps mit Riemchen waren. Auf solchen Schuhen konnte ich zwar laufen, aber das war mir immer zu umständlich. "Mom ... " - "Nein. Du wirst sie anziehen. Dylan ist groß genug, und weil du so ein Zwerg bist, kannt du dir das erlauben." Empört sah ich meine Mutter an und schnappte mir die Schuhe. Ja sie war größer als ich, aber nicht viel. Also hatte ich jetzt mein schwarzes Kleid von Nana und die Pumps meiner Mutter. "Du siehst wirklich wunderschön aus Liebling.", sagte meine Mutter und lächelte mir liebevoll zu. Ich sah mir das Endergebnis im Spiegel an und bewunderte erneut wie schön das Kleid war. "Aber das du mir nicht mit Kindern nach Hause kommst. Du bist zwar seine Mate, aber ich bin zu jung für eine Oma." Sofort schoss mir die Röte in den Kopf und ich schaute meine Mutter empört an. "MAMA!", rief ich und versteckte mein Gesicht in meinen Händen, worüber Mom nur lachen konnte. "Na komm.", sagte sie. "Zeigen wir dich mal deinem Vater." Ich folgte ihr die Treppe runter ins Wohnzimmer, wo mein Vater saß und sich die Nachrichten anschaute. "Schatz sieh doch was für eine schöne Tochter du hast.", machte Mom meinen Vater auf mich aufmerksam. Sobald er mich sah fiel ihm der Mund auf. Ich war wirklich gerührt über die Reaktion meines Vaters. Er sah mich so gut wie nie so schick rausgemacht. "Du bist ... wunderschön Maus. Aber wo willst du denn hin, wenn ich fragen darf?" Ach du ... stimmt ich hatte ihm ja noch gar nichts gesagt. "Hast du ihm etwa nichts erzählt?", fragte meine Mutter mich. "Mir was nicht erzählt?" Ich holte einmal tief Luft. "Hör zu Dad. Bitte flipp nicht aus oder so okay? Ich hab gleich eine Verabredung mit Dylan May.", brachte ich es auf den Punkt und sah wie mein Vater zunehmend verwirrter wurde. "Wie bist du denn auf den gekommen Maus? Ist er nicht ein We-" Ich entschloss Dad einfach zu unterbechen. "Ich bin seine Mate." Die Verwirrung wich aus seinem Gesicht und wurde von Erleichterung ersetzt. "Dann wird er dich nicht verletzen.", meinte Dad und nahm mich in den Arm. "Ich freue mich für dich Maus." Damit hatte ich zwar nicht gerechnet, aber wenigstens war er nicht dagegen. Er zog meine Mutter auch zu uns und es entstand ein fast vollständiges Familienkuscheln. Ich sah auf die Uhr und merkte, dass es kurz vor halb war. Das hieß Dylan würde gleich auftauchen. Mom merkte wohl, dass ich immer aufgeregter wurde und anfing an meinem Kleid zu zupfen, denn sie fasste mich an den Schultern und stellte mich aufrecht hin. "Nicht aufregen Liebling. Sonst fängst du an zu schwitzen.", warnte sie mich und sah zu wie sich ein entsetzter Ausdruck auf meinem Gesicht ausbreitete. Sie wollte gerade etwas dazu sagen, da klingelte es an der Tür. Ich atmete tief durch, schickte ein Stoßgebet zu Nana und ging die Tür öffnen. Vor ihr stand, wie ich es erwartet hatte, Dylan. Er trug eine schwarze Hose, weißes Hemd und ein schwarzes Jackett, Allem in einem ... sehr  attraktiv. Aber als mich sah hätte man meinen können, dass er aus allen Wolken fiel. Er öffnete seinen Mund, brauchte aber ein paar Anläufe um auch was zu sagen. "... wow." Wieder fingen meine Wangen an verdächtig zu kribbeln und ich schaute auf Moms Pumps. "Nicht zu ... viel?", fragte ich ihn unsicher. Immerhin hatte er nie erwähnt wo wir hingehen würden. "Nein. Einfach perfekt." Ich ließ ihn ins Haus, wo Mom und Dad schon am Ende des Flures auf ihn warteten. Bitte Nana, gib deiner Tochter irgendwie zu verstehen, dass sie deine Enkelin nicht blamieren sollte. Dylan ging völlig entspannt auf sie zu und gab beiden die Hand. "Guten Abend Mister und Misses Martin.", begrüßte er meine Eltern und ich war übrrascht wie förmlich er sprach. "Ich werde Ihre Tochter spätestens um viertel vor zehn wieder hier her bringen. Selbstverständlich wird ihr nichts passieren." Als ich sah wie meine Mutter ansetzte zu reden sah ich sie bittend an. Sie rollte dann einfach mit den Augen. "Dylan unsere Tochter hat uns bereits von dir erzählt, also mach ich es kurz und wünsche euch beiden viel Spaß." Meine Vater stimmte ihr zu. Dylan und ich verabschiedeten uns von ihnen und gingen dann raus zu seinem Auto. "Also können wir?", fragte er mich mit einem liebevollen Lächeln. Ich erwiederte es. "Ja.", sagte ich. "Wir können."

Luna - Das Herz des RudelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt