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Bild: Rudelhaus


Verwirrt schaute ich Jasper nach, wie er ganz lässig den Flur runter schländerte, als wäre das eben nicht passiert. Dylan war immer noch angespannt, drehte sich aber weg und ging mit mir zur Mensa. "Ich vertraue ihm nicht.", meinte Dylan leise, während wir auf den Rudeltisch zusteuerten. Wahrscheinlich sollte ich das nicht hören, aber ich hatte ganz andere Probleme. "Hör mal Dylan ich muss wirklich nicht an euren Tisch, nur weil Lydia heute nicht da ist.", versuchte ich mich rauszureden, doch wir waren schon da. "Leute.", fing er an und jedes Augenpaar lag auf ihm. Er zog mich an der Hand vor ihn, sodass ich mitten im Blickfeld von seinem Rudel stand. "Das ist Julia. Unsere Luna." Ich wurde von allen neugierig angeschaut. Besonders das einzige Mädchen in der Gruppe strahlte mich freundlich an. Sie hatte hellblonde, schon fast silberglänzende Haare und freundlich blaue Augen. "Hi.", meinte sie. "Ich bin Hannah. Die Jungs, die sich nicht selber vorstellen können, sind Lucas, Dylans Beta", sagte sie und zeigte auf einen Typen mit braunen Haaren und hellbraunen Augen. "Andrew", einer mit dunkelblonden Haaren und etwas dunkleren Augen als Lucas. "Und mein Mate Jeremy. Naja und Dylan kennst du ja, denk ich mal.", endete sie ihre Vorstellrunde und schaute lächelnd zu mir hoch. Jeremy hatte braune Haare und blaue Augen. Ich hob schüchtern die Hand und murmelte ein 'Hi' in die Runde. Ich sah wie Andrew und Lucas Dylan einen verwirrten Blick zuwarfen, als wir uns zu ihnen setzten. Ihren Blicken zu folge, konnte ich mir denken was sie dachten. Warum mich Dylan noch nicht gebissen hatte. Aber nicht einer von ihnen wagte es auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Nach etwa einer viertel Stunde fühlte ich mich auch schon wohler in der Runde, besonders die Unterhaltungen mit Hannah, mit der ich auf einer Wellenlänge zu sein schien. Ich hatte sogar erfahren, dass sie in meinem Biologiekurs war. "Echt?", fragte ich sie. Das hatte ich noch nie bemerkt um ehrlich zu sein. "Sag mal Hannah ... würde es dir was ausmachen, wenn du dich gleich neben mich setzten würdest? Um erhlich zu sein, würde ich noch eine Stunde neben Jasper nicht aushalten.", meinte ich so leise wie möglich zu ihr, was natürlich nichts brachte, weil ja alle außer mir an diesem Tisch ein Werwolfsgehör hatten. Hannah hatte zugestimmt, somit freute ich mich wieder auf die Stunde.

Mit den Jungs und Hannah ging die Pause relativ schnell um. Ich hatte das Gefühl mit allen gut zurecht zukommen, besonders mit Hannah. Mit ihr ging ich danach auch zu Biologie. Wir waren eine der Ersten im Raum, weshalb sie sich auch schnell neben mich setzte, bevor Jasper kam. Das Ding war, er kam nicht.

Während Biologie war Jasper nicht aufgetaucht, was ich ziemlich komisch fand, immerhin war er ja den ganzen Tag auch da. Aber mich sollte es nicht interessieren. Hannah und ich wurden von Jeremy und Dylan vor der Klasse abgeholt und zusammen gingen wir dann auch zu den Autos. Wir verabschiedeten uns von allen und stiegen dann ins Auto. "Hattest du noch was vor?", fragte mich Dylan, während er sich anschallte. Ich überlegte kurz, schüttelte dann aber mit dem Kopf. "Gut.", meinte er. "Dann will ich dir was zeigen." Mit den Worten fuhr er vom Parkplatz und bog in die entgegengesetzte Richtung meines Hauses ab.

Nach einer Weile fuhren wir durch den Wald auf einem Sandweg, der so aussah, als wenn er nicht oft benutzt werden würde. Ich hatte Dylan schon oft gefragt, wo wir denn hin wollten, aber nicht einmal das wollte er mir verraten. Dann kamen wir zu einem großen Holzhaus, in dem wenige Steinelemente verbaut waren. Dylan verkündigte, dass wir da waren, also stiegen wir aus. "Das ist unser Rudelhaus.", erklärte er mir, während er die Tür öffnete. "Hier Treffen wir uns immer zu Besprechungen oder wenn mal einer eine Pause von Zuhause brauchte." Staunend schaute ich mich um. Man kam direkt in eine Art Wohnzimmer, mit drei großen Couches, einem Fernsehsessel und einem Fernsehr. Die Wände waren in warmen Terracottatönen und hellem Steinboden. Es war wirklich sehr gemütlich. "Gefällts dir?" Dylan lehnte lässig gegen den Türrahmen und schaute mich lächelnd an. Ich nickte nur, weil ich momentan kein Wort rausbekam. "Ich wohne hier eigentlich schon. Mir geht es hier besser, als Zuhause. Deswegen können die Jungs oder Hannah auch immer hier her kommen, weil ich ja sowieso hier bin." Er nahm meine Hand und führte mich eine Treppe hoch. "Hier gibt es vier Schlafzimmer. Das größte gehört natürlich mir." Bei diesem 'natürlich' musste ich grinsen. Als wäre das so eine Verständlichkeit. "Dylan?" Er drehte sich zu mir um und schaute mich fragend an. "Wie kommt es, dass du in so einem großen Haus ganz alleine wohnst? Ich meine, du hast es dir doch sicherlich nicht gekauft oder?", fragte ich ihn. Er schüttelte den Kopf. "Nein.", sagte er und öffnete die zweite Tür auf der rechten Seite. Das müsste dann also sein Schlafzimmer sein. Die Wände waren wieder in warmen Tönen nur war diesesmal dunkles Laminat. Ein unordentliches Boxspringbett stand an der rechten Wand, gegenüber ein Kleiderschrank und die Wand gegenüberder Tür war fast komplett verglast und hatte einen kleinen Balkon. Ich ging auf die Glaswand zu und schaute bewundernd nach draußen. Man hatte einen wunderschönen Blick auf den Wald. Das ganze hatte schon fast etwas magisches. "Mein Großvater hatte dieses Haus selber gebaut.", meinte Dylan, der sich mittlerweile ins Bett gelegt hatte. Ich setzte mich zu ihm ans Fußende und hörte ihm aufmerksam zu. "Er dachte wohl, wir bräuchten einen Rückzugsort, womit er nicht ganz unrecht hatte. Mein Vater wollte hier nach Moms Tod nicht mehr leben, weshalb wir umgezogen sind, weiter in das Dorf. Aber ich fühle mich hier wohler und weil ich ja jetzt auch achtzehn bin ... tja." Dylan sah so sorglos aus mit seinen hinterm Kopf verschränkten Armen, geschlossenen Augen und dem kleinen Lächeln auf den Lippen. Aber seitdem wir heute morgen im Auto drüber geredet hatte, hatte Dylan kein Wort mehr über den Biss verloren. Zumindest nicht bei mir. Ich atmete  noch einmal tief ein uns setzte mich etwas aufrechter hin.

"Dylan?" Er öffnete seine Augen und blickte zu mir rüber. Meine Stimme war zwar fest, aber leiser als ich erhofft hatte. Als er sah, dass ich versuchte was zu sagen, bewegte er sich in meine Richtung. Also, dass er jetzt quasi vor mir saß. "Ja?" Ich blickte von meinen Händen hoch in seine Augen. Man konnte diese Spannung zwischen uns förmlich sehen. Mein Hals fühlte sich trocken an, als ich versuchte zu sprechen, aber ich nahm mich zusammen. "Beiß mich.", wiederholte ich die Worte von heute morgen. Dylan schwieg und schaute mich einfach nur an. Er stand ruckartig vom Bett auf, wodurch ich heftigt zusammenzuckte. Darauf war ich nicht gefasst gewesen. Ich beobachtete ihn dabei, wie er vor dem Fenster stand und sich die Haare raufte. "Ich kann nicht ...", flüsterte er, so leise, dass ich es beinahe nicht verstanden hätte. Mir spukte wieder der Gedanke von gestern abend durch den Kopf, wie ich einen Entschluss gefasst hatte. Dieses Mal würde ich nicht nachgeben. Ich erhob mich ebenfalls vom Bett und ging langsam auf Dylan zu, wobei ich das Gefühl hatte, nicht die gesamte Kontolle über meine Handlungen zu haben. Als ich vor ihm stand nahm ich vorsichtig seine Hände, die ständig aggressiv durch seine Haare fuhren. Ich sah zu ihm hoch, in seine dunkelblauen Augen, die zu leuchten schienen. Sachte hob ich meine rechte Hand an seine Wange und sah wie er seine Augen schloss. So weit wie möglich versuchte ich ihn zu mir runter zu bringen. Ich stellte mich auf Zehnspitzen und legte meine Stirn an seine. "Dylan." Schlagartig öffnete er die Augen. Man sah ihm an, dass er sich in dem Moment sehr beherrschen musste. Aber gerade das war es, was ich ihm ersparen wollte. Er machte einen Schritt nach vorne, wobei ich einen nach hinten machte. Als ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß, legte Dylan, so wie gestern in der Schule, seine Hände flach neben mich an die Wand, seine Stirn immer noch an meiner. "Bitte." Und bei diesem kleinem Wort gab er nach. Eine Hand legte er auf meine Hüfte und zog mich näher zu ihm, während er wie in Trance seine Lippen an meinen Hals legte. Überall wo wir uns berührten schien meine Haut zu prickeln. Ich lehnte meine Kopf weiter in den Nacken, was bei Dylan ein leises Knurren hervorrief. Und dann biss er mich. Es war wie eine Spritze, genau wie Mom sagte. Ein kurzes pieksen und dann war es vorbei. Ich fühlte mich nicht anders, nur das die Stelle etwas kribbelte. Dylan legte wieder seine Stirn an meine. "Danke ... " Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Mir war bewusst, dass er es herausgezögert hatte, weil er mir nicht wehtun wollte, aber im Endeffekt war das reinste Zeitverschwendung. Er hob seinen Kopf an und sah mir entschuldigend in die Augen. Gerade als er was sagen wollte unterbrach ich ihn. "Lass es Dylan." Mit einem Finger strich er mir von meiner Wange runter zu meinen Lippen. Ich bekam es nicht einmal mit, dass er immer näher kam. Die Spannung zwischen uns wurde beinahe unerträglich, aber Dylan setzte dem ganzen ein Ende, als er seine Lippen mit meinen versiegelte.

Luna - Das Herz des RudelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt