Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich jetzt sagen sollte. Aber das wurde mir auf jeden Fall auch erstmal erspart, denn unser Mathelehrer Mr. Melvrick scheuchte uns alle in unsere vorhergesehene Klassenräume. Ich wusste noch nicht ganz genau, ob es gut oder nicht so gut war, dass ich keinen Kurs mit Dylan hatte. Also setzten Lydia, die mich die ganze Zeit etwas verstört anschaute, und ich uns nach vorne an unseren Tisch und versuchten dem Unterricht zu folgen. Ich mochte Mathe überhaupt nicht und jetzt kam auch noch die Sache mit Dylan dazu. Er ... ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wie er mich Mate genannt hatte. Ein lautes Räuspern ließ mich aus meinen Gedanken schrecken. Etwas durch den Wind schaute ich unseren Lehrer an, der vorne an der Tafel irgendwelche Formeln angeschrieben hatte. "Nun Miss Martin?" Ich hatte keine Ahnung was er von mir wollte, deshalb zuckte ich einfach nur mit den Schultern. "Sie wissen die Antwort also nicht?", fragte diese penetrante Person mich in einem Tonfall, den ich am liebsten an die Wand geklatscht hätte. "Nein Mr. Melvrick. Ich weiß die Antwort nicht.", sagte ich mit einem bestimmten Nachruck in der Stimme, sodass er mich in Ruhe ließ. Ihn konnte ich jetzt einfach nicht gebrauchen. Die Schule müsste ich jetzt erst mal überleben und dann schau ich mal weiter.
Dieser Tag war ja mal der komplette Reinfall. In der Mittagspause wollte ich eigentlich zu Dylan gehen, aber ich hatte ihn natürlich nicht gefunden. Dann musste auch noch Lydia früher nach Hause, weil es ihrer kleinen Schwester nicht gut ging und sie niemand sonst abholen konnte. Und jetzt müsste ich zu Fuß nach Hause gehen. Und es sah ganz danach aus, als ob es anfangen würde zu regnen. Also machte ich mich, nachdem ich die Bücher in meinen Spind getan hatte, auf den Weg, der mindestens eine dreiviertel Stunde dauern würde. Nicht einmal Musik hatte ich dabei. Toller Start ins Wochenende. Ich wollte gerade aus der Schultür raus, da wurde ich von hinten an den Schultern gerissen und an die Wand geschleudert. Beinahe hätte ich vor Schmerz aufgeschrien, aber ich riss mich zusammen. Vor mir stand Miriam und sah mich wutentbrannt an. Oh oh. "Na du kleines Miststück?", fragte sie mich und drückte mich noch doller gegen die Wand. Ich konnte förmlich spüren wir der blaue Fleck immer größer wurde. Miriam war eine Nymphe. Eine Wassernymphe um genau zu sein. Das Einzige, was man über Nymphen wissen sollte, ist, dass sie eigentlich ganz friedlich waren, wenn man sie nicht verärgerte, aber wenn man sie verärgerte, dann sah es schlecht für einen aus. Ihre sonst so hellblauen Augen hatten sogar einen leichten Rotschimmer. "Ich hab von so einem dämlichen Neuntklässler gehört, und ich hoffe für dich, dass das nur ein Gerücht ist, du hättest mit meinem Dylan geflirtet?" Geschockt sah ich sie an. Ach du ... das wird Ärger geben. Und trotzdem, als sie das 'meinen' so betont hatte, wurde ich irgendwie richtig wütend. Miriam drückte mich noch fester an die Wand und ich zischte vor Schmerz auf. Ein gehässiges Grinsen legte sich über ihre perfekt geschminkten Lippen. "Lass sie los." Wenn man vom Werwolf sprach. Als Miriam Dylan jedoch ignorierte fing er wieder an zu knurren, so wie er es heute morgen bei Andrew tat, und riss sie von mir weg. Ich holte erst einmal tief Luft und stellte mich von der Wand weg, damit kein Druck mehr auf meiner Schulter lastete. Dylan stand mittlerweile schützend vor mir und sah zu Miriam herab. Sie war zwar größer als ich, aber immer noch viel kleiner als Dylan. "Dylan!", rief die Nymphe erschrocken aus. "Willst du das etwa bestätigen, dass die da mit dir geflirtet hat?!" Wieder drang ein Knurren aus seiner Kehle. Dieses Geräusch machte mir langsam wirklich Angst. Ich wusste nicht genau warum ich das tat, aber ich nahm meine Hand ganz langsam hoch und legte sie Dylan sachte auf die Mitte seines Rückens. Augenblicklich verstummte er, als hätte ich einen Knopf gedrückt. "Verschwinde Miriam. Und lass Julia gefälligst in Ruhe.", sagte er. Nicht mehr knurrend, aber mit einem drohenden Unterton. Er blieb noch eine Weile so stehen, mit gesenktem Kopf und meiner Hand auf seinem Rücken, bis er schließlich Richtung Tür ging. Ich dachte zuerst, dass er jetzt einfach so abhauen würde, aber vor der Tür drehte er sich nochmal zu mir um. "Komm. Ich bring dich nach Hause."
Die Fahrt über sagten wir nichts und es hatte tatsächlich auch auf halber Strecke angefangen zu regnen. Zwar nur kurz, aber dafür ziemlich heftig. Ich zeigte ihm lediglich in welche Richtung er abbiegen müsste, damit wir bei mir ankommen würden. Vor meinem Haus hielt er schließlich an. Ich drehte mich zu ihm um und lächelte ihm etwas schüchtern zu. "Willst du noch mit rein kommen? Ich ... Ich glaube wir sollten darüber reden.", fragte ich ihn. Er nickte einfach nur und stieg aus dem Auto. Ich war schon immer eine Person gewesen, die über Probleme oder so was geredet hatte, anstatt es einfach zu ignorieren. Meine Meinung war, wenn man nicht darüber reden würde, dann könnte man es auch nie lösen. Also führte ich Dylan in das Wohnzimmer und fragte ihn, ob er auch etwas zu trinken haben wollte. Er schaute mich dabei nur lächelnd an und schüttelte den Kopf. Ich ging schnell in die Küche und füllte mir ein Glas Wasser auf, um mich dann zu Dylan zu setzen. Zuerst sagte niemand etwas, aber es war keineswegs ein unangenehmes Schweigen. Trotzdem brach ich die Stille. "Also bin ich jetzt deine Mate ... Dylan ... erklär es mir bitte." Bittend sah ich ihn an. Ich wusste nicht besonders viel darüber, obwohl mein Vater und großer Bruder ebenfalls Werwölfe waren. Ganz genau, meine Familie war zur Hälfte auch werwölfisch. Nur ich und Mom waren Menschen, aber ich wusste, dass Mom Dad seine Mate war und Wesley, mein Bruder, seine auch schon gefunden hatte. Nur hab ich nie nachgefragt, was das überhaupt war. Dylan setzte sich aufrechter hin und schaute mir in die Augen. "Deine Mate ist deine Seelenverwandte. Die Person, die für dich bestimmt ist und für dich geboren wurde. Du ... bist meine bessere Hälfte Julia. Es kommt nur sehr selten vor, dass ein Werwolf eine menschliche Mate findet, aber ... diese Verbindug soll sogar noch kräftiger sein, als die unter Werwölfen. Heute, als ich mit Lucas zur Schule gefahren bin, da war ich die ganze Zeit aufgeregt und ich wusste auch genau wo ich hinlaufen müsste, um dich zu finden. Und als ich dich gesehen habe ...", er untebrach seinen Satz und lachte leicht auf. "Ja man könnte sagen, ich war vervollständigt." Ich nahm ein Schluck von meinem Wasser. Ich war ... die Seelenverwandte von Dylan May. Dem Aplha des Beta-Rudels. Aber ich war doch nur ein Mensch! Andererseits, meine Mom war auch ein Mensch. Gott, das war alles zu viel für mich. "Dylan ich ... es tut mir leid, aber ich weiß momentan noch nicht wie ich darüber denken soll. Ich meine, wir gehen seit vier Jahren auf die gleiche Schule und ich hab immer versucht euch aus dem Weg zu gehen, was bisher auch wirklich gut geklappt hat. Wir kennen uns nicht ein bisschen und jetzt sagtst du mir aus heiterem Himmel, ich wäre deine Seelenverwandte! Ich ... gib mir bitte Zeit Dylan. Bitte, gerade ist mir das zu viel, als dass ich eine vernünftige Entscheidung treffen könnte." Ich sah wie in Dylans Augen quasi etwas brach, was mich meine Worte sofort beureuen ließ. Er senkte seinen Blick und nickte. "Gut.", sagte er leise. "Aber ... lass dir nicht zu viel Zeit. Du bist meine Seelenverwandte und es wird uns beiden nicht gut tun voneinander getrennt zu sein. Machs gut." Mit diesen Worten stand er auf und eilte zu Tür hinaus. Ich wollte ihm noch etwas hinterherrufen, aber in dem Moment wusste ich einfach nicht was. Ich ließ mich seufzend in den Sessel fallen und stellte mein Wasser auf das kleine Tischchen. "Machs besser Dylan ... Machs besser ..." Zeit meinen Bruder anzurufen.

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Luna - Das Herz des Rudels
Manusia SerigalaWir haben schon oft Geschichten gelesen, in denen es um Fabelwesen ging. So welche wie Werwölfe, Vampire oder Meejungfrauen. Aber, was wenn ich euch sage, dass es nicht nur Geschichten sind? Wenn es diese Wesen wirklich gäbe? Ihr glaubt mir nicht? H...