Kapitel 12

1.3K 21 0
                                    

Katharinas Sicht:

Ich fuhr zu dem Hotel meines Vaters. Ich konnte mich heute nicht mehr auf meine Arbeit oder andere geschäftliche Sachen konzentrieren! Ich parkte direkt vor dem Eingang und lief suchend durch das ganze Hotel. Als ich in dem Arbeitszimmer meines Vaters schaute, hatte ich ihn endlich gefunden.

„Katharina, na was machst du denn schon hier? Ich hatte doch gesagt, du musst erst um 2 Uhr kommen, oder hatte ich das vergessen?" „Nein Papa, du hast schon Recht, aber sei mir bitte nicht böse, ich kann heute nicht arbeiten. Ich schaffe das einfach nicht. Kannst du bitte die Termine absagen?" „Wie du schaffst es nicht? Katharina, es geht hier nicht darum ob du Zeit hast oder nicht! Die Leute verlassen sich auf uns und nur weil du mal keine Lust hast, müssen sie warten!", sagte mein Vater streng und ein wenig wütend. „Du verstehst das nicht! Ich packe das heute nervlich nicht!", gab ich trotzig von mir. „Es ist wegen dem letzten Einsatz, oder? Er hat dich ganz schon mitgenommen..." „Er?", rief ich entsetzt. „Ja, der Einsatz!" „Oh, auch so. Äh, ja der Einsatz hat mich ziemlich mitgenommen.", erwiderte ich erleichtert. Ich hatte schon gedacht, er meinte Markus. Für einen kurzen Moment dachte ich, er konnte meine Gedanken lesen, die sich nur noch um Markus drehten. Doch ich konnte diese Gedanken nicht abstellen...

„Ja dann geh dich ausruhen, es bringt ja nichts wenn du nur halb bei der Sache bist und sich die Kunden durch deine Anspannung nicht entspannen können." „Danke Papa", sagte ich erleichtert und hab ihm noch einen Kuss auf die Wange bevor ich ging.

In meinem Auto atmete ich erstmal tief ein und aus: Was konnte ich jetzt am besten machen, um mich von den um Markus drehenden Gedanken abzulenken? Mein erster Gedanke war meine Wohnung, dort fühlte ich mich wohl und konnte super abschalten. Also zögerte ich nicht lange und fuhr zu meinem Apartment.

Doch auch hier fühlte ich mich nicht entspannt und auch die Gedanken ließen mich nicht los. Immer wieder erschien vor meinem inneren Augen ein lächelnder Markus und plötzlich stellte ich mir die Frage, ob es richtig gewesen war, einfach so zu verschwinden.

Wie geht es Markus jetzt wohl? Er hatte sich bestimmt gefragt wo ich blieb und als er nachgeschaut hat, war ich nicht mehr da. Wie gemein von mir, doch ich konnte jetzt nichts mehr ändern.

Unschlüssig und irgendwie fehl am Platz stand ich in meiner Wohnung. Mein Blick schweifte umher und blieb an einem halb fertigen Geschenk hängen, das auf meinem Wohnzimmertisch stand. Es war ein gerahmtes Bild von uns Bergrettern. Es wurde gemacht kurz nachdem Ben zu uns gestoßen war. Ich setzte mich auf das Sofa und nahm das Bild in die Hand. Ich betrachtete es genau: Wir standen alle auf der Wiese hinter Emilies Hof und sahen sehr glücklich aus. An diesem Tag wurden viele verschiedene Bilder gemacht; mal mit allen und mal nur einzelne Personen. Das Bild in meiner Hand zeigte Ben, Michi, meinen Bruder, Markus und mich. Wir lagen uns in den Armen und strahlten wie die Sonne, die am blauen Himmel stand. Es war im Spätsommer und wir hatten unsere Jacken an. Der leichte Wind, der an diesem Tag geweht hatte, spielte mit unseren Haaren – vor allem mit meinen. Ich stand zwischen Markus und Tobias. Erst jetzt bemerkte ich Markus' Blick: Er schaute mich verträumt und hoffnungsvoll an. Er hatte einen Arm um meine Taille gelegt und hielt mich ganz fest. Mir war es bisher gar nicht aufgefallen, doch es bestätigte sein gestriges Geständnis. Dieses Bild wollte ich Markus zu Weihnachten schenken, also genau genommen sollte er es jetzt schon haben.

Wir hatten nämlich ausgemacht, dass wir ziehen und demjenigen den wir gezogen haben etwas schenken. Und so bin ich zu diesem Bild gekommen, weil ich auch sonst keine Ahnung hatte, was ich Markus schenken sollte. Aber ich kam nicht dazu es ihm zu geben, geschweige denn es fertig einzupacken. Auf einmal wurde mir ganz warm im Herzen, obwohl es in meiner Wohnung sehr kalt war, da ich nicht geheizt hatte und draußen Schnee lag. Doch ich blieb einfach sitzen betrachtete weiterhin das Bild. Die Gedanken an diesen Tag strömten durch meinen Kopf und ich musste lächeln. Zu gern hätte ich jetzt noch einmal diesen Tag erlebt, auf die Zeichen von Markus geachtet und einfach glücklich gewesen; doch das war schon ein halbes Jahr her und seitdem hatte sich vieles geändert. Schöne Dinge, wie die Hochzeit von Emilie und Tobias. Sie waren die glücklichsten Menschen für mich als sie am Nachmittag ihren Hochzeitstanz tanzten. Und schwupp, war plötzlich wieder das Bild in meinem Kopf, als ich mit Markus getanzt hatte. Völlig unerwartet hatte er mich auf die Tanzfläche gezogen und war mir so nah gekommen, wie noch nie zu vor. Ich hatte den Moment genossen, war einfach nur glücklich genau an diesem Ort zu sein. Ich hätte ewig mit ihm tanzen können. Obwohl er ein wirklich schlechter Tänzer war, gab es in diesem Moment keinen besseren an meiner Seite. Allein sein Lächeln hatte ausgereicht, um meine Proteste vergessen zu lassen. Und auch trotz dem er einen tannengrünen Anzug trug, war er der schönste Mann an diesem Abend für mich!

Ich schüttelte den Kopf: An diese Momente hatte ich mir eigentlich vorgenommen nicht mehr zu denken, weil ich Markus sonst bei der nächsten Begegnung um den Hals gefallen wäre und ihn nicht mehr losgelassen hätte. Doch Markus war im Moment ja nicht hier und spielte hoffentlich nicht mit dem Gedanken, bei mir vorbei zu schauen!

Seufzend erhob ich mich, stellte das Bild, das ich wohl bald Markus geben müsste, wieder auf seinen vorrübergehenden Platz auf den Wohnzimmertisch und schaute aus dem Fenster. Eine weiße Schneedecke lag über jedem Grashalm und den Bäumen in meinem Garten. Ich ging auf das Fenster zu, um noch mehr von der verschneiten Winterwelt zu sehen, die ich noch gar nicht so richtig wahrgenommen hatte. Nun konnte ich bis rauf auf die Spitze des Dachsteins schauen. Es sah alles so friedlich da oben aus. Von den Vorkommnissen der letzten zwei Tage dort oben, war nichts mehr zu sehen oder gar zu erahnen. Es sah so aus, als wäre dort oben noch nie etwas Schlimmes passiert. Doch es gab ja auch das Sprichwort: „Stille Wasser sind tief" und das galt auch für die wunderschönen Berge.

 Vollkommen fasziniert von der wunderschönen Schneewelt vor mir, kam ich auf die Idee einen kurzen Spaziergang zu machen. Ich schaute noch kurz auf das Thermometer, bevor ich mir meine dickste Winterjacke und einen großen Schal raussuchte und anzog. Meine Füße steckte ich inklusive drei dicken Socken in meine Bergschuhe für den Winter, da sie einfach am wärmsten waren. Nach einem kurzen Blick auf mein Handy musste ich feststellen, dass es lieber zu Hause den Vormittag am Ladegerät verbringt und wohl mal ohne mich auskommen muss. Ich schnappte mir noch ein Paar Handschuhe und eine Mütze und schloss die Tür hinter mir, bevor ich in den Schnee hinaus trat.



Die Bergretter - Lieber Nähe als Distanz?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt