Verenas Sicht:
Ich beobachtete den Heli kurz, dann lief ich los; hinter das Haus zur großen Wiese, wo Michi gleich landen würde. Aus ein paar Metern Entfernung schaute ich hoch zu Michi und mir wurde dabei ganz warm ums Herz. Ich war so froh, zu wissen, dass er für mich da sein würde, auch in schweren Zeiten.
Als der Helikopter ganz sachte am Boden landete, riss ich mich aus meiner kleinen Schwärmerei und machte mich schnell auf den Weg die Trage für Markus aus dem hinteren Teil der gelben Maschine zu holen. Ich machte die Tür auf und zog die Trage, die schwerer war als ich gedacht hatte, zu mir. Ich drehte mich um und wollte gerade wieder ins Haus laufen, da sah ich Michi, der ausgestiegen war und circa einen Meter von mir entfernt stand. Er schaute mich mit einen glücklichen Lächeln an. Ich konnte nicht anders: ich strahlte wie ein Honigkuchenpferd und vergaß alles um mich herum. Dieser Mann machte mich einfach so verdammt glücklich!
Michi kam kaum merklich ein Stück auf mich zu und ich war froh die Trage in der Hand zu haben, sonst wäre ich ohne zu zögern, Michi um den Hals gefallen und hätte ihn erstmal nicht losgelassen. Mittlerweile spürte ich das Gewicht der Trage auch nicht mehr, sondern war nur auf Michi fixiert.
Plötzlich riss mich eine Stimme aus meiner Starre: „Verena kommst du? Markus braucht dich jetzt!" Ruckartig richtete ich meinen Blick in die Richtung aus der die Stimme kam. Es war Emilie, die dort stand und mich wieder in die Gegenwart zurückversetzte. Da fiel mir auch wieder ein, was ich zu hatte und augenblicklich wurde die Trage in meinen Händen wieder schwerer. Da ich diese nervige Trage loswerden wollte, Markus das Leben retten wollte und natürlich um aus dieser peinlichen Situation zu entfliehen, rannte ich schnell samt Trage ins Haus. Tobias wartete dort schon ungeduldig auf mich: „Beeil dich, er hat noch mehr Blut verloren! Ich mach mir echt Sorgen!" Nicht nur er machte sich Sorgen, ich machte mir gerade große Vorwürfe: Wie lange hatte ich mit Michi vor dem Heli gestanden und war in meine Traumwelt mit rosaroten Wolken geflüchtet? Ich hätte wissen müssen, dass ich in so einer Situation nicht auf meine Gefühle achten durfte.
Ich war nun schon so lange Ärztin und hatte vielen Familie mitteilen müssen, dass ihr geliebte Mensch nun nicht mehr auf Erden war. Auch bei Andreas' Tod war ich diejenige, die feststellen musste, dass man nichts mehr machen konnte. Das Schlimmste damals war aber den Bergrettern, sowie Emilie und ihrer Familie und vor allem Katharina zu sagen, dass sein Leben vorbei war. Bei allen gab es damals noch ein Fünkchen Hoffnung, dass Andreas es überleben würde, doch ich war es, die das bisschen Hoffnung erstickte. Ich wusste noch ganz genau wie entsetzt, traurig, verletzt und fassungslos sie waren, wie sie zusammen sackten und kraftlos am Boden saßen. Diese Situation wollte ich einfach nie wieder erleben. Mir hat es das Herz zerrissen, meine Freunde so hilflos und verletzt zu sehen. Bis heute ist es bei jedem noch ein wunder Punkt, doch sie versuchen so gut wie es geht damit umzugehen und auch Markus, der alles miterlebt hat, hilft diese schwere Zeit zu vergessen, ohne Andreas in Vergessenheit geraten zu lassen.
Um mir nicht noch einmal so eine Tragödie antun zu müssen, nickte ich Tobias einfach nur zu und half ihm, Markus in Die Trage zu hieven. Nachdem er festgeschnallt und transportbereit war, trugen wir ihn in den Heli. Tobias stieg vorne neben Michi ein und ich hinten um immer ein Auge auf Markus zu haben. Bevor ich die Helikoptertür schloss, rief ich Emilie, die immer noch in der Nähe das Hauses stand zu: „Ich rufe dich an, sobald wir wissen was mit ihm ist, du kannst dann mit deinen Kindern kommen." Dann schloss ich die Tür und während Michi abhob, fühlte ich nochmal Markus' Puls. Er war leider immer noch sehr niedrig, aber noch nicht lebensgefährlich tief. Die Chancen, dass er bald wieder auf den Beinen sein würde, waren gut, nur die Tatsache, dass er nun schon eine viertel Stunde bewusstlos war, machte mir ein paar Sorgen.
Der Flug ins Krankenhaus verlief reibungslos und Markus' Zustand blieb stabil. Nachdem wir gelandet waren, kamen sofort eine Gruppe Krankenschwestern auf uns zu und transportierten Markus nach meinen Anweisungen in einen Behandlungsraum. Ich wollte mir Markus mal genauer anschauen und hier hatte ich ja genügend Instrumente zur Verfügung. Ich verabschiedete mich noch schnell und schweren Herzens von Michi und Tobias, ohne das Tobias Verdacht schöpfen könnte und sagte ihnen, dass sie ruhig warten könnten, da es nicht lange dauern würde, das hoffte ich zumindest. Ich flitzte daraufhin in mein Büro und zog mir den weißen Kittel über meine normalen Klamotten. Das musste reichen, für eine komplette Ärztemontur fehlte jetzt die Zeit und außerdem hatte ich sowieso keine Schicht!
Auf dem Gang kam mir schon eine Krankenschwester von weitem entgegen und als ich näher bei ihr war bemerkte ich, dass sie ganz aufgeregt war und mir verdeutlichen wollte, dass etwas nicht stimmt. Ich erhöhte mein Tempo ein wenig, um schneller bei ihr zu sein und zu erfahren, was los war. „Der Patient, der von Ihnen eingeliefert wurde, ist aufgewacht und hat angefangen wild um sich zu schlagen, nachdem wir ihn auf den Behandlungstisch gelegt haben! Ein paar andere Ärzte versuchen ihn gerade zu beruhigen und ihn unter Kontrolle zu bringen", sagte die Krankenschwester aufgeregt und ein bisschen panisch. Als ich dies hörte, bekam ich es mit der Angst. Es schlich sich eine Diagnose in meinen Kopf, doch sie war alles andere als harmlos oder kurzweilig. Ich versuchte mich nicht noch mehr in meine Theorie hinein zu steigern, sondern lenkte meine ganze Konzentration darauf, so schnell wie möglich zu Markus zu kommen, da ich mich selbst vergewissern wollte, wie es ihm ging.
Ich bog gerade in das Behandlungszimmer, als Markus' Oberkörper ruckartig in die Höhe schoss und er die Hände und Arme der anderen Ärzte gewaltsam von sich weg schlug. Ich trat sofort an sein Bett und sprach leise und beruhigend auf ihn ein. Er wand seinen Kopf in meine Richtung, doch er schaute mich nicht an, sondern eher durch mich hindurch. Meine beruhigenden Worte halfen nichts und ich versuchte es mit Distanz: „Geht mal alle ein Stück zurück und lasst ihn los!", wand ich mich an die anderen Ärzte. Als diese ein wenig zurückgetreten waren, beruhigte sich Markus sogar ein bisschen, doch als ich versucht ihn aus dieser Trance zu holen, in der er sich befand, machte er weiter. Nach vielen misslungenen Versuchen ihn ruhig zu bekommen, beschloss ich, ihm ein leichtes Betäubungsmittel zu verabreichen.
Mein Plan war es, dass Markus erst einmal schläft, damit er dann ganz wach wird. Ich erklärte meinen Kollegen kurz, was ich vor hatte und ging dann schnell, eine Spritze vorzubereiten. Als ich zurück war, befahl ich den anwesenden Ärzten und Krankenschwestern, dass sie Markus so gut wie es geht fest halten, egal wie sehr er sich währt, damit ich die Spritze gefahrlos in seinen Oberarm machen kann. Und tatsächlich, gleich beim ersten Versuch klappte es. Markus, der immer noch in einer anderen Welt war, dämmerte kurz darauf vollkommen weg und fiel in einen ruhigen Schlaf. Leise bedankte ich mich bei allen Helfern und schickte sie aus dem Raum, damit sie Markus nicht weckten. Ich ging zu Markus und fühlte seinen Puls: Jetzt war er wieder normal und er atmete ganz gleichmäßig. Ich drehte mich um und winkte den letzten Ärzten noch einmal und sagte ihnen, dass ich bald auch wieder gehen würde.
Dann stand ich alleine in dem Zimmer und Markus betrachtete. Mir wurde erst jetzt bewusst, was dieser Unfall für Auswirkungen auf sein zukünftiges Bergretterleben haben könnte. Wenn er aus der Betäubung nicht wieder richtig aufwacht oder gar nicht mehr zu sich kommt, können wir ihn nicht einfach so in sein vorheriges Leben entlassen. Und schon wieder musste ich daran denken, wie ich das den anderen Bergrettern sagen könnte.
Immer war ich diejenige, die ihnen schlechte Neuigkeiten überbrachte, aber so war nun mal mein Job. Mein Gedankengang ging immer so weiter und nach einer Weile beschloss ich, dass es nicht brachte, wenn ich hier herum tigerte und mir Vorwürfe und vieles mehr mache. Ich versuchte eine Ablenkung zu finden und sofort fiel mit Markus' Platzwunde am Hinterkopf wieder ein. Ich suchte alles zusammen was ich für die Behandlung benötigen würde und machte mich mit voller Konzentration daran seinen Kopf sachte zur Seite zu drehen ohne das er wach wurde. Ich schaute mir die offene Stelle genau an und tupfte zuerst das angetrocknete Blut mit einem nassen Tuch weg. Anschließend desinfizierte ich alles und beschloss, dass es nicht genäht werden musste, da es nicht so schlimm war wie ich zuerst befürchtet hatte. Zum Schluss schmierte ich noch ein wenig heilende Salbe auf ein Stück Mullbinde, drückte dies leicht an die Wunde und wickelte eine Mullbinde zur Befestigung um seinen Kopf. Das gestaltete sich aber schwerer als gedacht, weil er so unvorteilhaft auf der Liege lag und ich deshalb wesentlich länger brauchte als sonst. Als ich mir mein fertiges Ergebnis anschaute war ich zufrieden und schaute auf die Uhr. Es war 10 nach 9 Uhr. Ich hatte Markus vor circa einer halben Stunde die Betäubung gegeben, also müsste er so langsam wach werden. weil ich es satt hatte alleine hier zu stehen, ging ich in den Flur und holte Michi und Tobias. Wir nahmen uns Stühle und setzten uns zu Markus ans Bett. Er sollte sich nicht alleine fühlen, wenn er aufwachte! Während wir warteten erzählte ich den Beiden ganz grob was mit Markus los war und was noch untersucht werden musste.
DU LIEST GERADE
Die Bergretter - Lieber Nähe als Distanz?
FanfictionDie Geschichte spielt nach dem Ende der 7. Staffel. Die Bergretter haben den letzten Einsatz in der Höhle erfolgreich gemeistert, jedoch sitzen die Ereignisse des Höhlenabenteuers den meisten noch in den Knochen. Vor allem für 2 hat sich die Weltans...