Tessa
Mit der Pfanne in der Hand stehe ich in der Küche und starre Liam enttäuscht hinterher. Er ist wütend auf mich und ich verstehe ihn sogar. Ich bin eine Fremde, die versucht, ihn gerade zu rücken, dabei ist das unmöglich. Es geht mich verdammt nochmal nichts an. Ich hätte einfach in meinem Bett bleiben sollen. Warum tue ich das? Warum beginnt mein Herz wie wahnsinnig zu rasen, meine Brust sich zusammenzuziehen und meine Augen zu brennen, wenn ich seine schmerzerfüllten Schreie nachts höre? Warum kann ich nicht einfach ausblenden, dass er leidet. Er will meine Hilfe nicht. Er will nicht, dass ich ihn so sehe. Ich würde es auch nicht wollen. Neben ihm einzuschlafen, damit habe ich eine Grenze überschritten. Ich stoße einen leisen Seufzer aus und halte George die Pfanne hin.
»Noch mehr Speck?«
»So was braucht Zeit«, murmelt George und nimmt sich Speck aus der Pfanne.
»Es war nicht richtig, mich einzumischen«, sage ich fast flüsternd und werfe einen flüchtigen Blick nach draußen, wo Liam die Pferde aus dem Stall führt.
»Er wohnt hier, natürlich sollst du nicht einfach wegschauen, das weiß er auch. Er beruhigt sich schon wieder.«
»Er wohnt hier, weil ich ihm sein Zuhause weggenommen habe. Er könnte klagen und dann würde er es vielleicht zurückbekommen. Stattdessen nimmt er es einfach hin. Ich wollte ihm nur etwas entgegenkommen.«
»Und dafür ist er dankbar. Mach dir keine Gedanken, das hat nichts mit dir zu tun«, sagt George, schiebt sich eine Gabel mit Ei in den Mund und kaut, bevor er den Teller von sich schiebt, und aufsteht. »Ich geh ihm wohl besser mal helfen.«
Ich verkneife mir ein Lachen. Ich kenne George gut genug, er leidet an dem gleichen Helfersyndrom wie ich. Er kann nicht wegsehen, wenn es jemandem nicht gut geht. Ich bin mir sicher, dass mein bemitleidenswertes Schicksal wohl auch ein Grund ist, warum er auf der Ranch geblieben ist.
Ich stelle das Geschirr in die Spüle und wasche es ab, eigentlich hat diese Tätigkeit eine beruhigende Wirkung auf mich, aber diesmal funktioniert es nicht. Als ich höre, wie sich Reifen über den Kies arbeiten, blicke ich auf und verspanne mich.
Ich hätte es wissen müssen. Warum habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, dass sein Vater Mark erzählen würde, dass er mich mit Liam gesehen hat. Weil ich damit beschäftig war, mich vor Liam zu schämen, dafür, wie ich in der Stadt behandelt wurde. Ich trockne meine Hände ab und werfe einen Blick über das Stück, das ich vom Küchenfenster aus, von der Ranch sehen kann, aber ich kann weder Liam noch George entdecken. Hoffentlich sind sie im Stall und bleiben dort auch, bis ich Mark wieder losgeworden bin. Seufzend werfe ich das Handtuch weg und trete durch die Küchentür nach draußen auf die Veranda, noch bevor Mark die Tür erreicht hat.
Er sieht mich nur kurz an, dann gleitet sein Blick an mir vorbei ins Haus.
»Was willst du hier?«, fahre ich ihn ungeduldig an.
Er grinst breit. Sein mittelblondes Haar glänzt fettig, sein Uniformhemd hat einen Kaffeefleck auf der Brust und mir weht Alkoholatem entgegen. Seit unserer Trennung trinkt er noch mehr. Und wenn er genug getrunken hat, dann kommt er auch mal hier vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Das bedeutet, er sieht nach, ob es in meinem Leben einen anderen Mann gibt. Mark ist der besitzergreifendste, eifersüchtigste Mensch, dem ich je begegnet bin.
Er zeigt auf seinen Dienstwagen, dann auf den goldenen Stern an seiner Brust. »Ich erledige meinen Job.«
»Und das tust du betrunken? Verstößt du damit nicht selbst gegen ein paar Gesetze?«
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The Air we breathe
RomanceNach einer unschönen Ehe kauft sich Tessa Carmichael eine kleine Farm und lebt dort recht zurückgezogen am Rande einer Kleinstadt. Eines Abends steht ein Soldat vor ihrer Tür und behauptet, diese Farm würde ihm gehören. Liam Thompson hat nicht ganz...