Teil 9 (überarbeitet)

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Tessa

Ich fühle mich wie zerschlagen, als ich am Morgen aufwache. Irgendwann in der Nacht muss ich unten im Wohnzimmer eingeschlafen sein und Liam hat mich nach oben in mein Bett getragen. Der Gedanke, dass er mich ins Bett gebracht hat, fühlt sich sehr intim an. Ich schüttle darüber selbst den Kopf, immerhin habe ich schon eine Nacht in seinem Bett verbracht. Ich strecke mich genüsslich, dann fällt mir Trixie wieder ein.

Hastig springe ich aus dem Bett, stelle beiläufig fest, dass ich nur noch mein Shirt und meine Unterwäsche trage, und öffne das Fenster. Von meinem Fenster aus kann ich den Bereich vor dem Haus, dem Stall und der Koppel sehen. Ich rufe nach Trixie, aber sie antwortet nicht. Stattdessen kommt George aus dem Stall, sieht zu mir auf und schüttelt den Kopf.

»Sie ist nicht aufgetaucht«, sagt er traurig. »Ich war heute Morgen auch schon mit den Pferden draußen und hab die Farmgrenze abgeritten. Der Sturm hat einen Baum entwurzelt, aber Trixie war leider nicht zu finden. Wenn sich jetzt alles beruhigt, wird sie bestimmt zurückkommen.«

Ich nicke enttäuscht, schließe das Fenster und gehe unter die Dusche. Ein wenig später sehe ich noch einmal draußen nach, gehe auch in den Garten, bevor ich dann Frühstück für uns mache.

»Sie ist noch nicht zurück?«, will Liam wissen. Er zieht sich einen Stuhl zurück und setzt sich müde an den Tisch. Er sieht noch schlimmer aus als ich.

»Noch nichts, nein. Schlecht geschlafen?«, frage ich und stelle ihm eine Tasse Kaffee hin.

Er bedankt sich bei mir, antwortet aber nicht.

»Du hast mich ins Bett gebracht, danke«, sage ich jetzt und gebe das Ei auf drei Teller, dann setze ich mich auf meinen Platz ihm gegenüber, als ich meine Beine ausstrecke, berühren sich unsere Füße. Er sieht zu mir auf und da ist wieder dieser Blick, der mir direkt zwischen die Beine schießt. Ich erschaudere am ganzen Körper und er bemerkt es.

»Wir sollten das wirklich nicht tun«, setzt er an, schiebt den Teller mit Ei von sich, das er nicht einmal angerührt hat. »Mark und ich haben unseren Streit nie beigelegt. Wenn wir das hier zwischen uns zulassen, ist es, als würde sich alles wiederholen. Und das darf nicht passieren«, sagt er ernst und sieht mich dabei direkt an. Als wolle er mit seinem Blick unterstreichen, was er eben gesagt hat.

Ich ziehe meine Füße zurück, weil sie seine noch immer berühren und schlucke gegen den Kloß in meiner Kehle an. »Zwischen uns läuft nichts«, sage ich und weiß, dass ich mich damit belüge. Denn es gibt da etwas. Ich spüre es ganz deutlich und ich sehne mich danach. Ich habe mich schon so lange nicht mehr so in der Nähe eines Mannes gefühlt. Aber ich weiß, dass ich kein Anrecht darauf habe. Und ich weiß, dass Liam recht hat. Mark würde es niemals zulassen. Er hat es geschafft, dass sein Stellvertreter Jason Hattrick die Stadt verlassen hat, nur weil er sich zu mir hingezogen gefühlt hat und er versucht hat, mir zu helfen. Marks Eifersucht kennt keine Grenzen, glaube ich.

»Ich werde heute den Weidezaun reparieren und dann nach Trixie suchen. Ein Freund hat mir angeboten, bei ihm zu wohnen. Er lebt in Hester Falls oben.«

»Das sind gut zwei Stunden von hier«, sage ich tonlos und mein Herz zieht sich zu einem Klumpen zusammen. Aber ich kann nichts sagen, weil es seine Entscheidung ist und weil ich weiß, dass er Recht hat. Ich möchte nicht erleben, was Mark macht, wenn er glaubt, zwischen uns könnte etwas sein.

George kommt laut schlurfend in die Küche und setzt sich an den Tisch. »Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages«, sagt er und zeigt mit seiner Gabel auf unsere unangerührten Teller. »Niemand geht irgendwohin, bevor diese Teller nicht leer sind.«

The Air we breatheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt