Teil 10 (überarbeitet)

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Tessa


Wie gelähmt starre ich dem Sheriffs-Wagen hinterher, der sich langsam die langgezogene Auffahrt zwischen den Weiden runter entfernt. Mark tut es schon wieder. Schon wieder muss ein Mann unter seiner Eifersucht, seiner Besitzgier mir gegenüber leiden. Mark wird niemals zulassen, dass ein anderer Mann mir nahekommt. Er hält mich gefangen und bestraft mich dafür, dass unsere Ehe gescheitert ist. Und ich bin machtlos. Vielleicht war es ein Fehler zu bleiben und mir nicht irgendwo weit weg von ihm ein neues Zuhause zu suchen. Wenn ich diese Ranch nicht so sehr lieben würde, wäre ich auch nicht geblieben. Ich hatte mich mit Mark und seinem Besitzanspruch abgefunden. In den letzten Monaten lief alles gut. Er kam manchmal vorbei, hat nach dem Rechten gesehen, hat versucht, mich zu überreden, zu ihm zurückzukommen und ist wieder verschwunden. Ich hatte fast vergessen, wie gefährlich er sein kann.

»Geht es dir gut?«, will George wissen und legt seine Hände um meine Oberarme.

Ich löse den Blick von der schmalen Auffahrt und nicke. »Was wird er mit Liam machen?«

»Er wird ihn einsperren. Die beiden haben eine alte Rechnung offen.«

»Deswegen mache ich mir Sorgen«, gestehe ich.

George verzieht das Gesicht. »Ich hätte Liam gehen lassen sollen, als er davon gesprochen hat.«

»Er hat ihn einfach mitgenommen. Darf er das?« Verwirrt und ratlos reibe ich mir mit den Händen über das Gesicht. Trixie sitzt neben mir und starrt genauso wie wir ins Leere, als wüsste auch sie nicht, was sie von alldem halten soll.

»Er macht seine eigenen Regeln, das weißt du doch«, meint George. »Wir müssen zu Will gehen.«

»Glaubst du wirklich, er hilft uns? Er hat die Papiere unterzeichnet.« Will ist der Richter im Bezirk und er ist ein Freund von Marks Vater. Er ist aber auch mit George befreundet. Schon seit sehr vielen Jahren.

»Ich werde den Jungen nicht bei Mark lassen.«

Ich lege meine Hand auf Trixies Kopf, mein Puls rast noch immer. Den letzten Mann, der sich zu sehr für mich interessiert hat, hat Mark regelrecht aus der Stadt geprügelt. Was wird er dann mit Liam tun, auf den er ohnehin schon wütend ist?

»Wir müssen Liam da rausholen«, murmelt George und reibt sich sein Kinn. »Als sie das letzte Mal aufeinander losgegangen sind, hat Liam seine Frau verloren. Sie wurde auf die Straße gestoßen, als sie versucht hat, sie auseinander zu bringen und ist von einem Auto überfahren worden.«

Ich schnappe schockiert nach Luft. »Deswegen ist Liam gegangen?« Mein Herz zieht sich zusammen. Ich kann verstehen, dass er so weit wie nur möglich von hier weg wollte, tausende Kilometer zwischen sich und all die Erinnerungen bringen wollte. Nur, um irgendwann aufzuwachen und zu wissen, dass sein Leben dabei ist, noch schlimmere Erinnerungen zu schaffen.

»Ruf Will an«, sage ich zu George. »Ich fahre Mark hinterher. Vielleicht kann ich das Schlimmste verhindern.«

»Und wie Mia sterben?«, fragt er mich harsch.

»Mir wird nichts passieren«, sage ich, obwohl ich mir selbst nicht sicher bin. Ich habe das Gefühl, Mark hat immer wieder Phasen, in denen er völlig aus den Fugen gerät. Und seit Liam zurück ist, steckt er wohl mitten in einer solchen Phase. Aber ich muss etwas tun. Ich muss Liam helfen, sonst werde ich wahnsinnig. Ich kann nicht hier stehen und darauf hoffen, dass George es schafft, zu Will durchzudringen. Will kann ein »ganz schön sturer Hund« sein, wie George gern sagt.

The Air we breatheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt