Tessa
Ich betrachte Liam durch die Kamera hindurch, dann sehe ich zu ihm auf und nicke zufrieden. »Das sieht gut aus. Ich stelle dir die Fragen, du antwortest einfach, als würden wir uns ganz normal unterhalten und das war es schon.«
Liam fährt sich nervös durch die Haare, reibt dann seine Hände über seine Oberschenkel und schenkt mir ein verkrampftes Lächeln. »Dann hoffen wir mal, dass das funktioniert. Ich möchte nicht daran schuld sein, dass George einen dieser Pressemenschen erschießt.«
Ich lache laut auf und winke dann schnell ab, weil der Mord an einem Reporter eigentlich nicht witzig ist. Als ich vorhin mit Bella so schnell wie möglich zurückgeritten bin, habe ich nicht erwartet, was ich dann zu sehen bekam. Trixie hatte einen der Reporter gegen seinen Wagen gedrückt und hielt ihn so fest, während George ihn mit seinem Gewehr bedrohte und wüst als Küchenschabe beschimpfte. Sein Kollege stand etwas auf Abstand, das Handy in der Hand und telefonierte mit dem Sheriffs Department. Eindeutig entrüstet darüber, dass die niemanden schicken wollten, weil die Stadt derzeit keinen Sheriff hat und die vier Deputys alle beschäftigt waren.
»Hoffen wir das Beste«, lenkte ich ein, sah mich noch einmal im Wohnzimmer um. Ich hatte die Kamera so aufgestellt, dass sie Liams Oberkörper aufnahm. Er saß in einem der Sessel, hinter ihm ein Bücherregal. Neutral genug, um den Ort nicht zu erkennen. Da ich unter Pseudonym arbeite, weiß niemand, wo ich lebe. »Wir können, wenn du soweit bist.«
»Ich werde wohl nie soweit sein.« Liam lacht nervös.
»Hier bin nur ich«, sage ich, aber ich kann gut nachempfinden, wie er sich jetzt fühlt. Als die Presse hinter Mark her war und damit beschäftigt war, nach etwas zu suchen, das sie ausschlachten konnten, habe ich selbst spüren dürfen, wie diese Leute sind. Hungrige Drachen, die bereit sind, alles zu tun und zu lügen. Ich werde nicht zulassen, dass sie Liam das auch antun. »Fangen wir an.« Ich drücke den Aufnahmekopf, zähle in Gedanken bis zehn, bevor ich beginne. Ich gehe zu Liam, stelle mich hinter seinen Sessel und beuge mich über seine Schulter.
»Heute geht es mal nicht um ein neues Rezept, ein Buch und auch nicht um Make-up, Schuhe und Handtaschen. Ich bin heute hier mit Liam Thompson, dem Navy Seal, der fünf Jahre seines Lebens in Gefangenschaft verbracht hat. Wir reden heute über diese fünf Jahre. Dieses Interview wird sein letztes Interview sein, deswegen bitten wir euch alle darum, diese Entscheidung zu respektieren und Liam Thompson dann sein Leben so leben zu lassen, wie er sich das wünscht und wie er das verdient hat. Solltet ihr weitere Fragen haben, könnt ihr sie in einem Kommentar unter diesem Video stellen und ich werde sie dann an Liam weiterleiten.«
Ich richte mich wieder auf und trete hinter die Kamera, Liam grinst mit hochgezogenen Augenbrauen. »Du machst das so gut, dass ich ganz scharf werde«, sagt er.
Ich grinse zurück und ignoriere die Hitze in meinem Gesicht. »Erst die Fragen, dann der Sex.« Ich warte wieder ein paar Sekunden, um das Video dann besser schneiden zu können, weil ich nicht vorhabe, die Zuschauer mit unserem Sexleben zu unterhalten. »Liam, in welcher Einheit hast du gedient?« Ich hab Liam vorhin erklärt, dass ich mit ein paar einfachen Fragen anfange und wir uns danach dann den schwierigeren nähern, damit er sich langsam darauf einstellen kann. Ich möchte nicht, dass er sich noch unwohler fühlt als ohnehin schon.
»Seal Team Six, auch bekannt als United States Naval Special Warfare Development Group.«
»Was war euer Auftrag an diesem Tag?«
»Wir sollten Takur Ghar sichern. Das ist ein Berg in den Arma Mountains, in der Nähe der Provinz Paktia. Ein strategisch wichtiger Posten. Wir sollten einen Beobachtungsposten auf dem Gipfel errichten mit Sicht auf das Shahi-Kot-Tal.«
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The Air we breathe
Storie d'amoreNach einer unschönen Ehe kauft sich Tessa Carmichael eine kleine Farm und lebt dort recht zurückgezogen am Rande einer Kleinstadt. Eines Abends steht ein Soldat vor ihrer Tür und behauptet, diese Farm würde ihm gehören. Liam Thompson hat nicht ganz...