Teil 8 (überarbeitet)

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Liam

Ich kann den Blick kaum von Tessa lösen, die vor mir den schmalen Pfad entlangreitet. Sie sieht aus wie ein echtes Cowgirl in ihren Jeans, der Bluse und den Stiefeln. Ein besonders heißes Cowgirl. Ihre ausgewaschenen Jeans sind so eng, dass sie ihren Körper umschmeicheln und jede Kurve sanft betonen. Als sie sich vorhin vor mir in den Sattel geschwungen hat, hätte ich mich fast an meinem eigenen Speichel verschluckt beim Anblick ihres knackigen, runden Hinterns. Immer öfters kommen mir bei ihrem Anblick in den letzten Tagen unanständige Gedanken. Ich möchte sie verdrängen, weil ich glaube, dass ich sie nicht haben sollte. Nicht nur wegen Mark, sondern auch, weil Tessa so viel für mich getan hat. Einen Fremden. Ich sollte mit Respekt von ihr denken. Stattdessen ziehe ich sie in meiner Phantasie aus.

Ich zucke ertappt zusammen, als sie über die Schulter zurückblickt und mir ein strahlendes Lächeln zuwirft. Sie hat ihre blonden langen Haare in einem Zopf zurückgenommen, der bei jeder Bewegung sanft hin und her wiegt. Ich reiße meinen Blick von ihr los und sehe stattdessen nach oben, wo die Baumwipfel hin und wieder einen Blick auf den immer grauer werdenden Himmel zulassen. Dicke Gewitterwolken hängen bedrohlich über unseren Köpfen. Ich weiß genau, wir sollten umkehren. Ein Unwetter zieht hier ziemlich schnell herauf, aber ich will auch jede Sekunde mit ihr auskosten. Ich will mir weiter einreden können, dass alles in Ordnung ist. Dass ich einen Ausflug mit einer guten Freundin mache und dass ich alles Recht dazu habe, nach allem, was ich durchgemacht habe. Ich habe mich schon sehr lange nicht mehr so leicht und unbeschwert gefühlt. Und das liegt nicht am Pferd, sondern an ihr. Ich will nicht daran denken, dass etwas falsch an dem hier sein könnte. Wir reiten aus.

»Es wird gleich gewittern«, rufe ich ihr zu.

Sie dreht sich zu mir um, schaut dann zum Himmel hoch und zuckt mit den Schultern. »Dann werden wir eben nass.«

»Wenn es nur das wäre, aber bei Gewitter sollten wir nicht hier draußen sein.«

Ich höre sie laut aufseufzen. »Nur noch ein kleines Stück. Nur noch bis zum Fluss.«

»Was ist beim Fluss«, frage ich lachend und treibe Camilla an, um uns neben Tessa und Bella zu bekommen. Trixie stößt ein lautes Bellen aus, als ein Vogel schimpfend über unsere Köpfe hinwegfliegt und läuft schwanzwedelnd ein Stück den Pfad voraus.

Sie sieht mich grinsend an. »Rauschendes Wasser.«

»Reitest du öfters zum Fluss?«, frage ich neugierig.

»Manchmal, ich mag die Lichtung und die Ruhe. Ich setze mich dann auf einen Felsen und schreibe an einem Artikel.«

»Und was steht so in deinen Artikeln, außer Rezepten?«

»Lifestyle, Einrichtungstipps. Ganz unterschiedlich. Manchmal schreibe ich auch über die Dinge, die mich berühren.« Sie zieht ihre Unterlippe zwischen ihre Zähne, dann sieht sie mich nachdenklich an. »Ich könnte etwas über dich schreiben.«

Ich muss das Gesicht verzogen haben, ohne dass ich es wollte, denn sie schüttelt entschuldigend den Kopf. »So war das nicht gemeint. Ich dachte an etwas, was dich beschäftigt. Etwas, was die Leser nicht unbedingt mit dem Mann in Verbindung bringen, der ein Gefangener war.«

Ich denke kurz darüber nach. Ich spüre einen Knoten in meinem Magen. Meine Gedanken sind nicht frei genug, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen als mit den vergangenen fünf Jahren oder mit den Monaten vor meinem Eintritt in die Navy. Als ich befreit wurde, haben alle um mich herum versucht, so viel wie möglich aus mir herauszubekommen: Ärzte, die Regierung, die Navy, Psychologen und die Presse. Aber ich war kaum fähig, die Dinge auszusprechen, die ich gesehen hatte. Bei Tessa fällt es mir leichter. Selbst das darüber Nachdenken fällt mir leichter. »Vielleicht sollten wir doch darüber schreiben, was ich erlebt habe.«

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