Teil 11 (überarbeitet)

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»Also?«, will ich wissen und schiebe die Hände in die Taschen meiner Jeans. Ich lege den Kopf schief und sehe Mark abwartend an. Ich habe gelernt, äußerlich völlig ruhig zu wirken, während in mir ein Sturm wütet.

Und ich habe gelernt, wie sich die Luft anfühlt, kurz bevor ein Mann die Kontrolle über sich verliert. Kurz bevor er all seine Kraft gegen mich einsetzen wird, um mir Schmerzen zuzufügen. Es ist wie ein unsichtbares Knistern, ein Flirren, das die Luft so auflädt, wie es sonst nur ein Gewitter kann.

Mark lehnt in der offenen Tür, seine Hand umklammert seine Waffe, dann löst er die Finger, lässt den Arm fallen und kommt auf mich zu.

»Du weißt, dass es hier Kameras gibt?«, sagt er ruhig und nickt mit dem Kinn in eine Ecke direkt hinter mir.

»Ich weiß«, sage ich.

»Dann weißt du auch, dass ich es gesehen habe«, sagt er jetzt drohend.

»Ich sehe keinen Grund, wieso dich das was angehen sollte«, sage ich. »Sie ist nicht mehr deine Frau.«

Mark schubst mich, ich stolpere rückwärts, die Braut fängt an, hysterisch zu lachen. »Das wird sie immer sein, weil es meine Pflicht ist, sie zu beschützen.«

»Du beschützt sie nicht, indem du sie von jedem in der Stadt abkapselst.« Mark schubst mich wieder, und ich ignoriere es wieder. Seine Stirn trifft hart gegen meine, als er seinen Kopf zurückzieht und ihn mit Kraft gegen mich einsetzt. Ich atme erschrocken ein, lege eine Hand über die schmerzende Stelle und verschmiere Blut, das aus einer Platzwunde über meiner Augenbraue tritt. Für einen Augenblick ist mir schwindlig, aber ich kämpfe das Gefühl runter und taumle auch kaum. Ich beiße einfach nur die Zähne zusammen, ich habe Schlimmeres erlebt. Das hier ist nichts gegen das Gefühl, zu ertrinken, wenn dir ein Lappen über Mund und Nase gelegt wird und sie Wasser darüber kippen. Es ist nichts gegen das Gefühl, wenn jemand hinter dir steht und mit einem Messer lange, tiefe Schnitte in deine Haut schneidet, in die jemand anders dann Salz und Dreck schmiert. Und es ist nichts gegen das Gefühl, von seinem Land, seinen Kameraden im Stich gelassen worden zu sein und so wütend darüber zu sein, dass du dem Einzigen, was dich mit diesem Land und diesen Kameraden noch verbindet, mit einem Stein den Kopf abschneidest.

»Doch, genau das schützt sie. Vor allen Gefahren, vor allem, was ihr wehtun kann, was sie verletzen kann. Auch vor dir. Solange ich hier bin, wird sie nicht enden wie Mia oder verschwinden wie meine Mutter.«

Ich fühle mich etwas ratlos und weiß nicht, was ich tun soll. Aber ich muss Mark einen Ausweg bieten. Etwas, das gut für uns alle ist. Ich will Tessa auch beschützen, schon die ganze Zeit wollte ich nichts anderes tun. Nur deswegen wollte ich wieder gehen und habe gegen das angekämpft, was ich für sie empfinde.

»Okay, du willst sie also beschützen, indem du alles von ihr fern hältst, weil du befürchtest, dass ihr etwas passieren könnte. So wie Mia.« Ich atme tief ein. »Du machst sie damit kaputt. Aber wenn es das ist, was du willst, dann verschwinde ich.«

»Wenn ich auch gehe?«, unterbricht er mich und lacht finster auf, weil er weiß, was ich ihm vorschlagen will. Er kennt mich noch immer gut. »Wer soll sie dann beschützen?« Er wischt sich mit den Händen über das Gesicht, wirft einen Blick auf die Braut, die uns noch immer beobachtet und läuft dann durch die Zelle. »Mia war deine Frau und du hast versagt, glaubst du wirklich, ich lasse zu, dass du noch einmal versagst?«

»Du versagst auch gerade. Ich hab sie in den letzten Tagen erlebt, sie ist zerbrochen. Lass sie gehen«, werfe ich ein. »Sieh dich an! Was für ein Sheriff bist du? Die Leute hier haben Angst vor dir. Nicht nur Tessa, sie alle.« Ich sehe ihn ernst an. »Du kannst nicht länger Sheriff sein, lass das jemanden machen, der weniger Probleme hat.«

The Air we breatheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt