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"I knew you were trouble when you walked in", Taylor Swift

Als Charlotte und ich die Säcke mit den Basketbällen holten, merkte sie, dass mit mir etwas nicht stimmte. Da hatte lag sie auch im Recht.

Gabriel, dieser überaus heiße Typ von der Gartenparty, der mich beleidigt und gereizt hatte und der trotzdem nicht aus meinen Gedanken verschwand, war mein Lehrer. Wie konnte das nur passieren? Er war doch erst fünfundzwanzig Jahre alt! Eigentlich müsste er doch studieren oder irgendeinen Beruf ausüben, für den man nicht jahrelang büffeln und dann eine Examensprüfung ablegen muss. Er war viel zu jung, um ein Lehrer zu sein. Und vorallem war er viel zu viel in meinen Gedanken unterwegs, um mein Lehrer zu sein!

"Ich habe dir doch gesagt, dass er gut aussieht. Oder findest du nicht, dass er unglaublich heiß ist?", fragte Charlotte mich, ich zuckte die Achseln. Natürlich sah er gut aus, und vielleicht hätte ich auch so für ihn geschwärmt, wenn ich ihn nur als meinen Lehrer betrachten würde wie sie. Aber das tat ich nicht. Wir waren uns auf dieser blöden Gartenparty vorgestellt worden und obwohl er gemein zu mir gewesen war, hatte er in mir das Interesse geweckt. Und jetzt war er mein Lehrer.

"Ich finde nicht, dass er so gut aussieht. Er ist glaube ich einfach nicht mein Typ", log ich, aber da ich noch nie gut lügen konnte, durchschaute mich Charlotte sofort. Trotzdem schwieg sie und als wir wieder in die Halle zurück kehrten, sah sie einmal von mir zu Gabriel und zurück, als verstünde sie die Welt nicht mehr.

"Miss Montgomery? Kann ich Sie kurz sprechen?", rief Gabriel - entschuldigung, Mister Chevalier - und lustlos und genervt ging ich zu ihm. Er drehte sich mit dem Rücken zu den anderen Schülern, die begannen, die Bälle in die Körbe zu werfen, und grinste mich an.

"Ich wette, du hast dauernd an mich gedacht", sagte er und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust. Seine Haare fielen ihm leicht in die Stirn. Er sah so gut aus. Aber so ließ ich nicht mit mir umgehen. Gabriel war nun mal mein Lehrer, und da ich daran nichts ändern konnte, musste er mich auch wie eine seiner Schülerinnen behandeln. Und nicht wie das Trampeltier von einer Party.

"Ich bin nicht eins dieser Mädchen, die für einen Lehrer schwärmen und sich Hoffnungen machen, dass er die Regeln bricht und etwas mit ihr anfängt, Mister Chevalier", gab ich zurück und war stolz auf mein Comeback, doch als er die Augenbraue hochzog wusste ich schon, dass er einen Spruch auf Lager hatte.

"Soso, darüber hat man sich also schon Gedanken gemacht?", grinste er und beugte sich etwas zu mir nach vorn, die anderen Schüler merkten nicht, wie nahe wir beieinander standen. Nicht einmal Charlotte sah zu uns herüber und insgeheim war ich sehr froh darüber.

"Mister Chevalier, Sie sind mein Lehrer und ich bestehe darauf, dass sie mich auch so behandeln", sagte ich, aber als er dann ganz nah vor mir stand, war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das überhaupt wollte. Und Gabriel bemerkte das natürlich.

"Sicher? Und was ist, wenn ich das nicht will? Wenn das Mädchen von der Gartenparty trotz ihrer Unschicklichkeit sexy und überaus heiß war und ich sie gern ...", begann er, doch er wurde durch einen Mitschüler - Louis? - unterbrochen, der mit blutender Nase zu uns kam.

"Mister Chevalier? Ich glaube meine Nase ist gebrochen", sagte er und Gabriel schob ihn in die Umkleide. Vorher warf er mir aber einen Blick zu, der eindeutig sagte, wie sein Satz hätte zu Ende gehen sollen.

Mein Vater holte mich nicht ab. Er rief mich kurz nach Schulschluss an und erklärte mir, dass es einen Notfall gegeben hatte und er länger bleiben müsste, aber wenn ich möchte, könnte ich im Krankenhaus auf ihn warten. Ich lehnte dankend ab. Der erste Schultag war anstrengend gewesen und ich wollte nicht auch noch Stunden im Krankenhaus verbringen, um auf ihn zu warten. Ich nahm es ihm auch nicht übel, dass er mich nicht abholte. Er war der neue Oberarzt und es wunderte mich nicht, dass er längere Schichten und schwerere Notfälle aufgedrückt bekam. Meine einzige Sorge bestand darin, dass er nicht genug aß oder schlief. Er musste auf sich achten, auf seine Gesundheit und seine Mentalität. Er durfte sie kein zweites Mal verlieren.

"Bis morgen, Flo", rief Charlotte mir zu, als sie in ihr Auto stieg und davon brauste, während ich am Straßenrand darauf wartete, dass Henriette ans Telefon ging, aber anscheinend war sie gerade einkaufen, denn selbst nach dem siebten Versuch blieb das andere Ende der Leitung still.

Während ich mich also auf den Heimweg machte, dachte ich die ganze Zeit an Gabriel. Warum war er mein Lehrer? Warum hatte er mir vorher nichts gesagt, ebenso wie Mister Hensley? Hatte Gabriel gewusst, dass ich in seine Klasse kommen würde? Aber dann wäre er nicht so überrascht gewesen. Vorallem, was sollte der Spruch mit sexy und was er gern gemacht hätte? Dieser Typ würde mir nur Kopfschmerzen einbringen.

"Soll ich dich mitnehmen?", fragte jemand, der sich ein wenig aus seinem fahrenden Auto lehnte. Ich verdrehte die Augen, aber Gabriel grinste nur. Sein schiefes Lächeln ließ bisher unbekannte Schmetterlinge in meinem Bauch aufleben und die zerzausten Haare, die ihm ins Gesicht fielen und seine blauen Augen hervorhoben, machten es auch nicht besser. Ugh.

"Nein, danke. Ich glaube nicht, dass ich bei meinem Lehrer ins Auto steigen sollte", zickte ich ihn an, aber Gabriel ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen.

"Jetzt steig schon ein. Dein Vater hat gesagt, dass ich dich nach Hause bringen soll."

"Ach, weiß er, dass du mein Lehrer bist?", fragte ich ihn, Gabriel verzog sein Gesicht.

"Ich bin der Ansicht, dass weder er noch mein Vater das wissen müssen. Meinen Vater interessiert es eh nicht, was ich mache. Und du musst es deinem auch nicht erzählen."

Ich runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich werde ihn nicht anlügen. Und schon gar nicht für jemanden, den ich nicht einmal richtig kenne."

Gabriel drückte auf die Bremse. "Du musst ihn nicht anlügen. Verschweigen tut es auch. Steig jetzt verdammt nochmal ein, bevor ich sauer werde", zischte er und ohne groß darüber nachzudenken, tat ich es. Ich hätte gern herausgefunden, was er getan hätte, aber ich war müde vom Schultag und wollte es nicht darauf ankommen lassen.

Während er fuhr, sah ich aus dem Fenster und betrachtete die Häuser, an denen wir vorbei brausten. Imposante Gebäude mit gepflegten Vorgärten und Autos auf den Abstellplätzen, mit denen man locker einige Studienplätze bezahlen könnte. Vermutlich kamen meine Mitschüler auch aus dieser Umgebung, sozusagen das Reichen-Viertel. Mehr hatte ich von der Stadt aber auch noch nicht gesehen. Vielleicht würde ich mal mit Henriette einkaufen gehen.

"Woran denkst du?", fragte Gabriel und unterbrach meinen Gedankenfluss. Er sah kurz zu mir herüber und blickte dann wieder konzentriert auf die Straße.

"Als ob es dich interessiert", gab ich von mir und er verdrehte die Augen. Er wollte etwas erwidern, beließ es aber bei meiner Aussage. Ich war zwar stolz darauf, dass ich gekontert hatte, aber ich hasste es zu streiten, wenn es keinen wirklichen Grund gab. Also antwortete ich ihm.

"Ich habe darüber nachgedacht, ob die Reichen auch mal das Vietel hier verlassen. Hier stehen überall Autos in den Einfahrten. Meinst du, die sind alle Zuhause?"

Gabriel wirkte etwas erleichtert, dass er mir nicht vor den Kopf gucken musste. "Das Viertel ich riesig, es gibt sogar einen eigenen Golfplatz und ein Einkaufszentrum für Reiche. Es ist wie eine eigene kleine Welt und ich glaube nicht, dass die Leute in die normale Welt gehen. Dafür haben sie Angstellte." Er bog ein weiteres Mal um die Ecke und blieb vor unserem Haus stehen. "Warst du schon einmal außerhalb?", fragte er und drehte sich zu mir, ich schüttelte den Kopf. Er holte sein Handy aus der Hosentasche, drückte ein paar Knöpfe und fing an, zu telefonieren.

"Dad, überbring Mister Montgomery bitte eine Nachricht von mir", sagte er und lächelte mich liebevoll an. Mein Herz machte einen Sprung. "Ich zeige seiner Tochter die Stadt."

Mister ChevalierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt