"We'll do it all, everything, on our own", Snow Patrol
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Gabriel hatte sich mir anvertraut und ich konnte ihm nicht helfen. Wenn Holly herausfinden würde, dass wir noch Kontakt hielten, würde sie jedem erzählen, dass Gabriel und ich ein Verhältnis gehabt hatten. Das würde Gabriel seinen Job kosten und ich würde keine Zusage von irgendeinem College bekommen. Unsere Zukunft würde ruiniert. Und das konnte ich nicht zulassen.
"Also sitzt du jetzt einfach nur herum und lässt sie sein Leben ruinieren?", fragte Charlotte und biss von ihrem Sandwich ab. Wir saßen in der Cafetaria und die anderen Mädchen standen noch in der Warteschlange. Also hatten wir genug Zeit, uns darüber zu unterhalten.
"Was soll ich sonst tun? Gabriel liebt es Lehrer zu sein. Er würde nirgens eingestellt werden, wenn alle wüssten, dass er etwas mit einer Schülerin hatte", erklärte ich ihr und legte den Kopf in die Hände. Die ganze Angelegenheit bereitete mir Kopfschmerzen.
Charlotte trank ein Schluck von ihrem Wasser. "Sie erpresst ihn. Geht damit doch zur Polizei."
Ich sah sie ungläubig an. "Und wie sollen wir denen das erklären? Hallo, mein Freund wird von seiner Verlobten erpresst, dass er etwas mit einer Schülerin hatte. Achso, und sie jubelt ihm ein Kind unter", sagte ich sarkastisch. Charlotte hob beschwichtigend die Hände.
"Ja, das ist scheiße. Aber dafür musst du mich nicht anzicken", meckerte sie zurück und hob eine Augenbraue. Sie hatte Recht. Charlotte war über die ganze Zeit an meiner Seite gewesen und hat alle Höhen und Tiefen mit mir durchgestanden. Ich seufzte und lächelte sie an.
"Es tut mir leid, dass ich ihn letzter Zeit so eine schlechte Freundin war, C", entschuldigte ich mich und schob ihr meinen Pudding hin. "Und dass ich nur mit mir selbst beschäftigt war."
Charlotte lächelte zurück und begann, den Pudding auszulöffeln. "Du kannst froh sein, dass ich dich so lieb habe. Außerdem ist dein Leben eh viel interessanter und spannender als meins. Und der Pudding schmeckt richtig gut." Sie sah mich prüfend an und legte den Löffel beiseite. "Hast du in letzter Zeit was Richtiges gegessen? Du siehst aus, als hättest du fünfundzwanzig Kilo abgenommen."
"Das macht der Stress", erläuterte ich und streckte mich. Charlotte machte sich bereits genug Sorgen um mich, da sollte sie nicht auch noch wissen, dass die Gewichtsabnahme nicht vom Stress kam, sondern daher, dass ich keinen Appetit mehr auf irgendetwas hatte.
"Weiß Gabriel, dass das Kind nicht von ihm ist?"
Ich zuckte die Achseln. "Ich habe es ihm gesagt und er meinte, dass ich mit allem Recht habe. Ich denke mal, dass er es weiß", sagte ich erschöpft und nahm einen Schluck Wasser zu mir. In letzter Zeit war ich so gereizt und fertig mit den Nerven, dass ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe.
"Er könnte ihr doch einen Deal vorschlagen. Mein Dad hat mal von einem Kumpel erzählt, der ebenfalls Vater werden sollte, aber das Kind nicht von ihm sei. Es soll wohl eine hohe Geldstrafe dafür ausstehen. Immerhin würde er dazu verpflichtet, für das Kind unfreiwillig aufzukommen", sagte Charlotte und schürzte die Lippen. Sie zog ihr Handy und fing an zu googlen. "Hier", sagte sie und hielt mir das Handy hin. "Zweijährige Freiheitsstrafe und oder Geldstrafe", grinste sie böse.
"Und wie sollen wir das Gabriel sagen? Ich darf nicht mit ihm reden", fragte ich Charlotte, doch sie grinste mich nur weiterhin an.
"Mit mir darf er doch reden, oder nicht?"
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Den ganzen Englischunterricht über saß ich unruhig auf meinem Stuhl, wippte mit dem Bein auf und ab und konnte mich nicht konzentrieren. Die ganze Zeit über musste ich daran denken, was Charlotte Gabriel sagen würde und wie er wohl reagieren würde.
Gabriel bemerkte meine Nervosität, sagte aber nichts und ließ mich in Ruhe. Aber das störte mich auch nicht. Denn Charlotte würde ihm gleich etwas vorschlagen, wie er seinen Job behalten und sein Leben nicht ruinieren konnte.
Als es klingelte, verließ ich den Raum und wartete vor der angelehnten Tür, während Charlotte sich im Klassenzimmer mit Gabriel unterhielt. Sie sprachen beide so leise, dass ich kaum etwas verstehen konnte.
In meinem Kopf klang alles ganz logisch. Gabriel würde Holly klipp und klar machen, dass er sich von ihr trennen will und sie dagegen nichts sagen kann. Schließlich würde sie eine Geldstrafe oder schlimmeres riskieren. Gabriel könnte normal weiter unterrichten und dann ... was dann?
Würden wir so weiter machen wie vorher? Oder würden wir endlich zusammen kommen? Ganz geheim natürlich, schließlich war Gabriels Job gerade erst gerettet. Aber was dann? Es waren noch knappe drei Monate bis zu meinem Abschluss. Erst dann würden wir richtig zusammen sein können.
Charlotte kam aus dem Klassenraum und ging an mir vorbei. Ganz kurz konnte ich einen Blick auf Gabriel werfen, der an einen Tisch angelehnt aus dem Fenster sah.
Selbst aus dieser Entfernung konnte ich sehen, wie ihm erleichtert eine Träne über das Gesicht huschte.

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Mister Chevalier
Teen FictionFlorence ist neu, tollpatschig und unauffällig. Gabriel ist unverschämt, selbstverliebt und verdammt heiß. Und Gabriel ist Florence' Lehrer.