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"Is you drunk? Is you had enough?", Meek Mill

"Wo gehst du hin, junge Dame?", fragte mein Vater mit hochgezogener Augenbraue, als ich mir die dünne Jacke überzog. Er stand vom Esstisch auf und musterte mich.

"Charlotte holt mich ab. Und wir gehen trinken", gab ich zurück und warf die Haare über die Schulter. "Werde bei ihr schlafen. Darf ich bei ihr schlafen, Dad?", fragte ich sarkastisch und schulterte meine Handtasche. Mein Vater verdrehte die Augen.

"Wenn du bei diesem Gabriel landest, dann - ", fing er an, aber ich unterbrach ihn.

"Was dann, Dad? Was willst du noch machen? Mir den Kontakt zu ihm verbieten, mir Hausarrest zu geben, von dem du eigentlich nicht hältst und an den ich mich sowieso nicht halte? Was willst du tun?", keifte ich ihn an. Er stützte sich mit den Händen an dem Holz des Tisches ab.

"Es ist nur zu deinem Besten, Florence. Außerdem dulde ich dieses Lehrer-Schüler-Ding nicht. Genauso wenig wie die Schule, die viel Geld kostet. Und von der ich dich nicht herunter genommen habe", versuchte er mich zu beruhigen, aber er erzielte genau das Gegenteil.

"Wow. Herzlichen Glückwunsch. Du bist Vater des Jahres", murmelte ich und öffnete die Haustür. Die kühle Abendluft wirbelte um mich und ich genoss die Kälte an meinen nackten Beinen.

"Pass auf, was du sagst, Fräulein." Er sah mich böse an, aber es war mir egal. "Du kannst extrem froh sein, dass ich die Schule darüber nicht informiert habe. Und jetzt geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr sehen."

Als ich wütend hinter mir die Tür zuknallte, hielt Charlotte Bordstein an und ließ das Fenster hinunter. "Bereit dich zu besaufen?", grinste sie.

Wenigstens eine Person, die mich verstand.

-

Vor uns standen circa fünfzehn leere Shotgläser. Wir waren seit einer Stunde hier und dank der gefälschten Ausweise und dem einhundert Dollar Schein, den Charlotte geopfert hatte, um in den Club zu gelangen, konnten wir den Abend mit so viel Alkohol ausfüllen, wie die Bar es hergab.

Einige Typen spendierten uns Kurze und Cocktails, die wir dankbar annahmen. Ein Glas nach dem anderen wurde geleert und mit der Zeit verschwamm meine Sicht. Die hämmernde Musik dröhnte in meinen Ohren und ich hatte das Gefühl, dass die Bässe meinen Körper zerquetschten. Mir wurde schwindelig, aber ich dachte gar nicht ans Aufhören. Es war das erste Mal seit Wochen, dass ich wieder etwas spürte. Und es war mir egal, ob ich es mir einbildete.

Als mein Vater mir verbot, Gabriel außerhalb des Unterrichts zu sehen, zerbrach meine kleine, heile Welt. Die ganze Zeit hatte ich daran gedacht, wie schön es sein würde, endlich mit Gabriel zusammen sein zu können. Und dann flog es letztendlich doch auf. Aber vielleicht war es besser so. Gabriel hatte nun keine Chance mehr, den Job zu riskieren und ich würde in Ruhe meinen Abschluss machen.

Anscheinend sollte es einfach nicht sein. Wir hatten so viele Versuche. Irgendwann gab es keine Chancen mehr. Man hatte es einfach nicht hinbekommen und musste dann damit leben.

Und ich lebte damit, indem ich mir die Vodka-Flasche an die Lippen setzte und trank, bis ich fast vom Barhocker plumpste. Meine Kehle brannte fürchterlich und mir war unvorstellbar heiß, aber es war mir egal. Ich wollte wieder etwas fühlen. Irgendetwas.

Dieser endgültige Kontaktabbruch hatte mich mit einer Leere ausgefüllt, mit einem riesengroßen Nichts und es war so unglaublich kalt, dass ich befürchtete, es würde mein Herz einfrieren. Aber das tat es nicht. Es schmerzte mit jeder Sekunde mehr. Und es gab keinen Ausweg.

Erschöpft legte ich den Kopf auf meine Arme, schloss die Augen und atmete tief durch. Was sollte ich nur tun? Mir war bewusst, dass mein Vater nur das Beste für mich wollte, aber warum verstand er nicht, dass Gabriel das Beste war, was mir jemals passieren würde? War es ihm lieber, dass ich unglücklich in irgendwelchen Clubs herumlungerte und darauf wartete, mit einem Krankenwagen abgeholt zu werden? Ich war so unglaublich wütend auf ihn und es verletzte mich sehr, dass er mir nicht vertraute.

"Kannnn isch kurz das Tellefon ha haben?", nuschelte ich dem Barkeeper zu, er sah mich unsicher an, reichte es mir aber. Ich wankte nach draußen, wo die Musik nicht mehr so laut war und die Bässe mich nicht mehr erdrückten und tippte eine mir sehr bekannte Nummer an.

"Dad?", schluchzte ich ins Telefon und wischte mir mit der freien Handfläche über das Gesicht.

"Florence? Alles okay?", fragte er besorgt und ich konnte förmlich sehen, dass er sich im Bett aufgesetzt hatte. "Ist bei dir alles in Ordnung? Soll ich dich abholen?"

Ich schüttelte den Kopf, bis mir einfiel, dass er mich nicht sehen konnte. "Ich weiß es nicht. Ich bin fertig, Daddy", weinte ich in den Hörer und umklammerte mit meinem Arm meine Mitte, aus Angst, dass sie auseinander fallen würde. Mit einem Mal fühlte ich mich so zerbrechlich.

Ein Typ kam zu mir und zog mich an sich, schwach schob ich ihn weg.

"Was los, Mäuschen? Bock auf 'ne Runde auf dem Klo?", grinste er dreckig und zog mich an sich, und ich war zu betrunken, um mich zu wehren. Was er natürlich vollkommen ausnutzte.

"Nein, nicht. Bitte", weinte ich, nicht realisierend, dass ich noch den Hörer an mein Gesicht hielt. Der Mann griff nach mir und zog mich vorwärts. Meine Beine wussten nicht, was sie taten, und ich war nicht in der Lage, mich zu wehren.

Als der Typ mich wenige Augenblicke später in eine Toilettenkabine schubste, wurde alles schwarz.


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Danke für 3.2K Read omg? 

Ihr seid die Besten!

Mister ChevalierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt