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  "I got my eyes on you,
You're everything that I see,
I want your hot love and emotion endlessly " , Drake

"Schon aufgeregt?", fragte ich meinen Vater, als wir zusammen am Esstisch saßen und frühstückten. Ich schmierte mir gerade ein Nutellabrot, während mein Vater die Morgenzeitung las. Er sah mich über seine Lesebrille an.

"Das Gleiche könnte ich dich fragen. Heute ist der erster Schultag."

Achja. Der erste Schultag an der neuen Schule. Wieder ein Jahr ohne Freunde und Hänseleien. Juhu.

Anscheinend konnte man die Begeisterung in meinem Gesicht ansehen, denn mein Vater legte die Zeitung weg und lehnte sich nach vorn. "Ich sehe dich echt nicht gern leiden, Flo. Das tut kein Vater. Aber durch dieses letzte Jahr und den amerikanischen Abschluss wirst du schneller von einer guten Arbeitsstelle genommen." Er schob mir einen Bagel zu. "Dieses Jahr hängst du dich noch einmal richtig rein, okay? Tu es für deinen alten Herren", lächelte er mich an, da konnte ich nicht nein sagen.

Ich hatte Zuhause bereits meinen Abschluss gemacht, mit sehr guten Noten und ohne Freunde. Und ich ging davon aus, dass es dieses Jahr nicht anders laufen würde.

Jedes Jahr vor dem Sommer, wenn der letzte Schultag endet, verspricht man sich, mehr anzustrengen, sich besser zu kleiden, freundlicher zu den Kameraden zu sein oder - wie in meinem Fall - komplett neu zu erfinden. Ich hatte es jedes Mal auf's Neue versucht, hatte Frisuren und Kleidung gewechselt, aber es gab mir nicht das Gefühl oder die Anerkennung, nach der ich strebte. Während meiner ganzen Schullaufbahn war ich unsichtbar gewesen. Nicht nur für die Schüler, die mich nur dann beachteten, wenn es einen Grund gab, um mich zu beleidigen, war ich unsichtbar, manchmal kam es auch vor, dass die Lehrer nicht wussten, dass ich in ihrem Kurs war und mich irgendwann fragten, ob ich mich nicht verlaufen hätte.

Ich hatte die Nase voll davon, von dem Wunsch, anderen Leuten zu gefallen und jedes Mal erneut von mir enttäuscht zu sein. Dieses Jahr würde es anders werden. Ich würde mir die Haare so frisieren, wie ich es gern hätte, und ich würde mich so kleiden, wie ich es wollte. Und ich würde nicht mehr nett zu Leuten sein, die es nicht zu mir waren.

Mein Vater stand auf und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. "Ich bin stolz auf dich, meine Kleine. Du packst das." Er sah auf seine Armbanduhr. "Ich muss los. Unsere Haushälterin war so nett, und hat dir ein Taxi gerufen, dass dich zur Schule bringt. Ich hab meine Schicht heute so gelegt, dass ich dich abholen kann, ja? Viel Spaß in der Schule." Und damit war er auch schon verschwunden.

"Miss Florence? Ihr Taxi ist da", sagte die liebe Henriette mit ihrem deutschen Akzent, als sie begann das Geschirr abzuräumen und zu spülen. Ich musste mich noch daran gewöhnen, dass wir jetzt jemanden hatten, der solche Dinge für uns erledigte.

Ich war auf dem Weg zur Tür, den neuen Rucksack in der Hand, als ich plötzlich stehen blieb. Irgendetwas schien zu fehlen, irgendetwas wichtiges. Blöderweise kam ich nicht darauf, was es war. Also verschwendete ich keinen Gedanken mehr daran und verließ das Haus.

Tatsächlich. Vor dem Haus stand ein Taxi und wartete auf mich. Der Fahrer war freundlich und unterhielt sich mit mir über den Umzug und die Umstellung, in den Staaten zu wohnen. Die Fahrt dauerte nur zehn Minuten, und als er vor der Schule hielt, merkte ich erst, wie aufgeregt ich war. Mein Herz klopfte und meine Handflächen begannen zu schwitzen.

"Ich wünsche ihnen einen schönen ersten Schultag", verabschiedete sich der Fahrer und war wenige Augenblicke um die Ecke verschwunden.

Ich hatte nicht sonderlich viele Filme gesehen, die in amerikanischen High Schools spielten, deshalb beschränkte sich mein Wissen auf die drei Teile High School Musical, die ich mal gesehen hatte. Und ich musste zugeben, dass Schüler, die auf einmal anfingen zu singen und zu tanzen ziemlich unrealistisch waren.

Mister ChevalierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt