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"Should've known you'd bring me heartache, almost lovers always do", A Fine Frenzy

S C H E I S S E.

Ich schlug die Augen auf und traute mich nicht, mich zu bewegen, da Gabriel seinen Arm um mich geschlungen hatte. Wenn ich versuchte, aus dem Bett zu schlüpfen, würde er aufwachen und merken, dass etwas nicht stimmte. Also blieb ich ruhig liegen, atmete flach und überlegte, ob es irgendwas letzte Nacht gab, dass nicht illgeal gewesen war.

Punkt Eins: Ich hatte Alkohol getrunken. Wie ein Loch.

Punkt Zwei: Ich hatte mit meinem Lehrer geschlafen. Mit meinem L E H R E R!

War ich vollkommen verrückt geworden? Der Alkohol war keine Entschuldigung. Ich war ihm einfach komplett verfallen. Was zur Hölle war nur los mit mir?

"Alles okay?", hörte ich Gabriel murmeln, als er mich näher zog. "Du bist ja schon wach."

Ich rückte von ihm weg und setzte mich auf. "Ich sollte gar nicht hier sein", sagte ich leicht genervt vor mich hin, stand auf und suchte meine Unterwäsche zusammen. Die Jogginghose und das Shirt vom letzten Mal lagen auf einem Stuhl in einer Ecke, schnell zog ich sie über und stürmte aus dem Zimmer, bevor Gabriel noch etwas sagen konnte.

Voller Scham knallte ich die Wohnungstür hinter mir zu und bemerkte gar nicht, dass ich anfing zu weinen, bis die Leute auf der Straße mich anstarrten und fragten, ob alles in Ordnung sei.

War es nicht. War es absolut nicht. Ich hatte mein Leben ruiniert. Für eine wahrscheinlich einzige Nacht. Gabriel würde sich niemals auf eine Beziehung mit mir einlassen, und warum? Weil er mein Gott verdammter Lehrer war. Noch nie zuvor hatte ich so oft an diesen einen Fakt denken müssen, weil es bisher immer irrelevant war. Aber nun?

Es war ein Albtraum.

Als ich zum zigsten Mal um eine Ecke bog und keine Ahnung hatte, wolang ich gehen sollte, fuhr ein Auto neben mir her. Gabriel streckte sich aus dem Fenster. "Komm schon, Florence. Steig in den Wagen. Ich fahre dich nach Hause, wenn du willst", bot er an, aber ich verschnellerte mein Schritttempo nur.

Nie im Leben würde ich zu ihm ins Auto steigen. Auf gar keinen Fall! Das war alles ein riesengroßer Fehler, den man nicht rückgängig machen konnte und ein weiteres Mal durfte es nicht passieren. Und wie ich mich genau kannte, durfte ich nicht in seiner Nähe sein, sonst würde ich ihm wieder verfallen.

"Steig verdammt nochmal ein, Florence! Ich meine es todernst", knurrte er mich an und als ich plötzlich stehen blieb, drückte er auf die Bremse.

"Ich meine es auch todernst, Gabriel! Ich will nach Hause! Und ich will nicht zu dir ins Auto steigen! Am liebsten will ich die letzte Nacht einfach nur vergessen und so tun, als wäre nichts gewesen!", schrie ich ihn an und ignorierte die vorbeigehenden Menschen, die mich ansahen, als wäre ich aus der Psychatrie entflohen. "Lass mich in Ruhe, Gabriel", weinte ich und als er sah, wie die Tränen meine Wangen hinabliefen, stieg er kurzerhand aus seinem Wagen und schloss mich in seine starken Arme.

"Es tut mir leid, was passiert ist. Ich habe nicht nachgedacht. Ich bringe dich jetzt nach Hause, und danach musst du mich nur noch in der Schule sehen... Wo wir so tun, als wäre ich nur dein Lehrer und du meine Schülerin, okay? Ich lasse dich in Ruhe. Hauptsache du kommst heil nach Hause."

-

Er tat, was er versprach. Die kommenden Schulwochen waren ein Desaster. Mein Herz machte jedes Mal einen Sprung, wenn ich ihm im Schulflur begegnete und ich versuchte so gut es ging, ihn zu ignorieren, aber ich bemerkte, wie meine Blicke ihm folgten wie ein Hund seinem Herrchen. Aber Gabriel ignorierte mich vollkommen. Jedenfalls, wenn ich nicht bei ihm Unterricht hatte.

In Englisch und Sport piesackte er mich, bis ihm irgendwann nichts mehr einfiel und ohne Grund auf mir herumtrampelte. Sogar Charlotte fiel auf, dass da irgendetwas nicht stimmte, und obwohl sie dauernd fragte, wieso es mir so schlecht ginge, bestanden meine Antworten aus "müde", "Netflix" und "Heimweh".

Es war mir auch egal, ob sie es mir abkaufte. Mir war alles egal. Es war mir egal, dass meine Noten schlechter wurden und dass meine Augenringe immer dunkler wurden und dass Gabriel mich womöglich hasste. Alles war mir egal.

Er hatte mir mein Herz gestohlen und es nicht wiedergegeben und es bestand keine Möglichkeit, dass ich es je wiederbekam.

Jeden Abend lag ich ruhelos im Bett, wälzte mich von einer Seite zur anderen und starrte an die weiße Decke, bis ich irgendeinen Film auf Netflix laufen ließ, um dabei einzuschlafen, aber auch das funktionierte nicht. Ich wünschte mir jeden Abend aus Neue, dass Gabriel neben mir liegen und mich in den Arm nehmen würde und morgens neben mir aufwachte. Und jeden Abend aufs Neue wünschte ich mir, dass er nicht mein Lehrer war.

"Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Flo. Aber du musst so langsam mal dein Schneckenhaus verlassen", sagte Charlotte, während ich auf meinem Bett lag und über mein jämmerliches Liebesleben schwieg. "Ist es die Sache mit Josh?" Ich schüttelte den Kopf. Das war das Einzige, was ich ihr erzählt hatte und sie war wutentbrannt auf ihn zu gerannt und hatte ihm eine Ohrfeige verpasst, die sich gewaschen hatte.

"Ich will nicht zu diesem Sommerfest", knurrte ich sie an, aber sie ließ sich nicht von mir beirren. Egal, wie wenig ich mit ihr über meine Probleme sprach und egal, wie oft ich sie anmotzte, weil sie fragte und mich aufheitern wollte, Charlotte war mir ans Herz gewachsen und es freute mich, trotz der Anstrengungen, sie als Freundin zu haben.

"Du musst! Hier", sie warf mir eine schwarze Jeans und weißes Hängerchen zu. "Zieh das an und kämm dir die Haare. Wir fahren da jetzt hin. Ob du willst, oder nicht."

"Warum heißt es Sommerfest? Wir haben Ende September", jammerte ich, bis Charlotte meine Schultern packte und mich durchschüttelte.

"Jetzt hör mal zu. Ich habe keine Lust, dass meine beste Freundin schlechte Noten schreibt und in ihrem Zimmer hockt, bis sie alt und grau ist. Das lasse ich nicht zu", meckerte sie mich an und schließlich gab ich nach.

Das Sommerfest entpuppte sich als eine über den ganzen Stadtpark erstreckende Kirmes, mit so vielen Essensständen, dass man sie nicht mehr zählen konnte, Glückspielautomaten und Fahrgeschäften, es gab sogar eine Achterbahn.

Charlotte überredete mich, so viel Zuckerwatte zu essen, bis es mir besser ging, wobei schon eine Portion reichte, denn Charlotte lachte laut, als ich versuchte den Zucker von der Stange zu essen.

"Hör mal, Flo", fing sie an, als wir weitergingen, "Ich weiß, dass du es mir nicht erzählen möchtest, was passiert ist ... Aber ich bin immer für dich da. Ich hoffe du weißt das", lächelte sie mich liebevoll an.

"Ich habe dich lieb, Charlotte", sagte ich, als ich sie in die Arme schloss. "Vielleicht werde ich es dir irgendwann erzählen. Wenn die Zeit gekommen ist", lächelte ich sie an und zog sie weiter.

Nach gut zwei Stunden, viel Gelächter und einer Achterbahnfahrt schlenderten wir zurück Richtung Ausgang. Charlotte erzählte mir von Emilia, die wohl auf Josh stand, aber nun festgestellt hat, dass sein Bruder um einiges besser war und dass Louis Nase zwar besser aussah als vorher, aber eine Schönheits-Op trotzdem nicht schaden würde.

Als wir gemütlich über die Wiesen gingen, entdeckte ich eine mir gut bekannte Gestalt wenige Meter von uns entfernt auf einer Decke sitzen. Gabriel sah gut aus, und ihn zu sehen versetzte mir einen Stich ins Herz.

Vorallem, als er die junge Frau, die neben ihm saß, an sich zog und begann, sie zu küssen.


( SORRY! )

Mister ChevalierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt