14.-

13.3K 467 11
                                    

"Maybe tonight I'll call you, after my blood turns into alcohol", Ed Sheeran

Gabriel und ich gingen uns aus dem Weg, so gut wie es halt funktionierte, wenn man sich jeden Tag in der Schule begegnete. Anders als bei unserer ersten "Trennung" verspürte ich keinen Schmerz, keine Trauer, dass es nicht funktioniert hatte. Das einzige, was sich in mir ausbreitete, war eine kalte Leere, die sich mit nichts füllen ließ. Ein großes Nichts.

Die Winterferien hatten begonnen, der Schnee rieselte langsam vom Himmel und ich saß mit Beth auf der Couch im Wohnzimmer, wo wir uns eine Serie im TV ansahen. Es störte sie nicht, dass Dad den ganzen Tag arbeiten musste und es freute sie, dass sie etwas Zeit mit mir verbringen konnte. Obwohl ich nur da saß wie ein Zombie.

Diesmal hatte Charlotte mir Gabriel nicht schlecht geredet. Sie hatte mir gesagt, dass er ein guter Kerl war, weil er sich für sein Kind und die Mutter entschieden hatte und nicht für das, was er wollte. Obwohl ich mir nicht sicher war, was er wollte.

Gabriel gab mir gute Noten, die ich nicht verdiente. Wahrscheinlich, weil ich ihm leid tat. Eine Schülerin, die ihrem Lehrer hinterher trauerte. Boohoo.

"Wann kommt Charlotte?", fragte Beth und schaltete auf ein anderes Programm um.

"Um sechs. Wir gehen feiern", sagte ich müde und zog die Decke, in die ich mich eingemummelt hatte, bis zum Kinn.

"Florence. Ich bin nicht deine Mutter, und wir kennen uns auch erst seit ein paar Monaten, aber pass auf dich auf, ja? Wegen all den bösen Jungs da draußen und dem Alkohol, den du eigentlich nicht trinken darfst...", sagte sie und sah mich an. "Aber wenn es dir dadurch erstmal besser geht, dann trink so viel wie du willst. Nur nicht so viel, dass du im Krankenhaus endest, okay? Ich hole dich auch ab", bot sie mir an und mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu umarmen.

Beth war ein Schatz. Es hätte meinen Vater nicht besser treffen können.

-

Es dauerte nicht lange, eine knappe Stunde, da waren Charlotte und ich blau wie ein Schlumpf. Wir lachten und kicherten und erlaubten uns Späße mit den ganzen Jungs und der Alkohol konnte die Kälte in meinem Körper ein wenig vertreiben.

Seit langer Zeit fühlte ich mich einigermaßen okay. Nicht gut, aber okay war okay, und damit war ich erstmal zufrieden.

Während Charlotte auf der Tanzfläche mit einem Typen tanzte, lief ich zur Bar und verlangte nach einem Tequila. Und nach einem Vodka. Und nach einem Barcardi Razz. Hauptsache irgendetwas, dass mich Gabriel vergessen ließ.

Obwohl ich mir den Alkohol hinunter schüttete wie ein Verdurstender, verschwanden die Bilder nicht aus meinem Kopf.

Gabriel mit Holly. Gabriel im Bett mit Holly. Gabriel mit Holly und Baby. Gabriel.

Ich raufte mir die Haare und sah auf mein Handy. Ich hatte seit ungefähr einer halben Stunde Geburtstag. Ich war zwanzig Jahre alt und trotzdem fühlte ich mich so unbeschützt und verloren wie ein Kleinkind, wenn es zum ersten Mal in den Kindergarten ging.

Würde Gabriel mir schreiben? Würde er an mich denken?

Ich hatte mittlerweile aufgegeben, mir irgendwelche Hoffnungen zu machen. Zu Beginn dachte ich noch, dass das alles ein Scherz sei oder das Kind nicht von Gabriel. Aber je länger er sich nicht meldete und je mitleidiger Charlotte mich ansah, desto mehr verlor ich die Hoffnung.

Und je mehr ich darüber nachdachte und je mehr Drinks ich hinunterkippte, desto klarer wurde mir, dass ich nicht mehr an ihm hängen sollte. Dass ich mein altes Leben zurückbekommen könnte, wenn ich es wollte. Dass ich die Schule abschließen und auf dem College jemanden kennen lernen konnte, der mich liebte. Dass ich ihn vergessen konnte, obwohl er es mir nicht leicht machte, wenn er mich in der Schule ansah.

Mein Handy vibrierte und ich sah aufs Display und wäre fast vom Hocker gefallen.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Mach keine Dummheiten.

-G.

Ich stopfte mein Handy in die Tasche und kippte den Vodka-Shot runter. Und noch einen. Und noch einen. Und noch einen.

Mister ChevalierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt