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"You tell me that you need me, then you go and cut me down", OneRepublic

Die Ohrringe, die mein Vater mir zum Geburtstag geschenkt hatte, sahen zu den dunkelblauen Abendkleid, welches Beth mir geliehen hatte, großartig aus. Meine Haare waren hochgesteckt und einige Strähnen waren gelockert.

"Seid ihr bereit, Ladies?", rief mein Vater aus dem Erdgeschoss, während ich mir die Ohrringe ansteckte und Beth sich das schwarze Kleid glatt strich. "Der Empfang beginnt um acht!"

Mister Hensley hatte uns zu seinem Lichterball eingeladen. Im Grunde war es nur eine gehobene Silvesterparty mit versnobten Gästen und - natürlich - Gabriel.

Nach meinem kleinen Ausbruch nach dem Unterricht hatten wir kein Wort mehr gesprochen, weder am letzten Schultag noch in den vergangen freien Tagen. Die Funkstille tat mir gut, besser als ich gedacht hatte. Charlotte hatte mich für einige Tage zu sich genommen, während Dad und Beth sich alleine ein paar schöne Tage in unserem Haus gemacht haben.

"Los, Leute. Ihr seht großartig aus", sagte Charlotte und zupfte mir eine Strähne zurecht. Da ich keine Ahnung von Stil und Make-Up hatte, haben Beth und meine beste Freundin mir geholfen gut auszusehen. Ob sie mich extra so schön gemacht haben, damit Gabriel sehen würde, was ihm entging?

-

Mister Hensley empfing uns in der Eingangshalle seines Hauses und überreichte uns dreien Sektgläschen. Er unterhielt sich mit meinem Vater, während Beth und ich uns zu unseren Plätzen begaben. Sie erzählte mir von dem geplanten Urlaub, dass die zwei nächstes Jahr nach Europa fliegen und ihre Familie in Deutschland besuchen wollten.

Sie erzählte, wie sie früher gerne nach München geflogen war und mit ihren Eltern Brezel und Schwammerlsuppe mit Semmelknödel gegessen hatte. Und während sie mir all ihre Geschichten erzählte, beobachtete ich die Leute um mich herum. Die ältere Dame von der Gartenparty war da und wank mir zu. Ich nickte in ihre Richtung.

Seine Haare waren wie immer verwuschelt und seine eisblauen Augen observierten den Raum, als wäre er auf der Suche nach etwas. Oder nach jemandem. Er rieb sich mit der Hand das Gesicht und zupfte seine Fliege zurecht und wirkte nervös. Sein Blick durchforstete den Raum und blieb an mir hängen. Und von einer Sekunde auf die andere schien er sich zu entspannen. Und ich hatte nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.

"Alles okay?", fragte Beth und stupste mir in die Seite. Ich nickte nur.

Gabriel sah so gut aus und alleine seine Anwesenheit wirbelte Gedankenströme durch meinen Kopf. Mein Herz schlug schneller und setzte aus und war voll von Gefühlen und von Trauer.

Wie konnte ich nur so dumm sein?

Wie konnte ich auch nur einen Moment lang annehmen, dass ich nicht in ihn verliebt war?

-

Als er vor mir stand und auf mich hinab sah, wurde mir fast schwindlig. Ich konnte sein Parfüm riechen und es vernebelte mir das Gehirn. Von Nahem sah ich, dass er müde war. Er hatte leichte Augenringe und ein Drei-Tage-Bart zierte sein schönes, markantes Gesicht. Er musterte mich von oben bis unten und lächelte schwach.

"Hi", begrüßte er und sah mich erwartungsvoll an.

"Hallo", hauchte ich. Sein Anblick hatte mir die Sprache verschlagen.

"Kommst du kurz mit? Ich möchte mit dir sprechen", sagte er, nahm mich an der Hand und zog mich quer durch den Saal in Richtung Terrasse. Vor der Tür blieb er stehen und drehte sich zu mir. "Draußen ist es zu kalt. Hier geht's auch."

Ich sah ihn verwirrt an. "Was ist los? Ist alles in Ordnung?", fragte ich ihn, Gabriel rieb sich den Nacken.

"Du hattest Recht. Es macht keinen Sinn für etwas zu kämpfen, was nicht sein soll. Aber", fing er an und nahm meine Hand erneut. Dort, wo seine Haut meine berührte, prickelte es und jagte mir einen wohligen Schauer die Wirbelsäule hinunter. "Aber ich will kämpfen. Denn ich will dich. Zu jeder Zeit. Vierundzwanzig-Sieben. Ich will abends neben dir einschlafen und morgens aufwachen, wenn du dich raus schleichen willst, weil bei deinem Lehrer übernachtest hast..."

"Gabriel ... Es geht doch schon lange nicht mehr darum, dass du mein Lehrer bist. Das ist mir mittlerweile egal. Du bekommst ein Kind!", warf ich ein, aber er schüttelte nur den Kopf.

"Ich würde auch für das Kind und Holly da sein ... Aber ich will auch dich. Immer. Für den Rest meines Lebens", flüsterte er und zog mich an sich, sodass unsere Körper sich berührten. Sein Atem strich warm über mein Gesicht und er legte seine Stirn an meine. "Du bist die Einzige für mich. Du bist mein Mädchen."

Ich spürte, wie meine Knie weich wurden und hätte Gabriel mich nicht festgehalten, wäre ich mit Sicherheit schon zu Boden gesunken. Aber er hielt mich fest in seinen Armen, so wie ich es immer wollte und so wie es sein sollte. Ich hatte nicht genug Kraft und ich wollte ihm auch nicht widersprechen. Also ließ ich es.

"Und wie erklärst du das Holly?", fragte ich und er zuckte die Schultern.

"Darling?", fragte eine Frauenstimme und ruckartig gingen Gabriel und ich auseinander. Holly war in den Raum gekommen, aber anscheinend hatte sie nicht gesehen, wie nahe wir uns gekommen waren, denn sie ging schnurstracks auf Gabriel zu und küsste seine Wange. Unter ihrem roten Kleid zeichnete sich ein winziger Babybauch ab.

Gabriel sah mich traurig an und als er weiter sprach, schwang so viel Leid und Schmerz in seiner Stimme mit, dass sich Tränen in meinen Augen sammelten.

"Florence, das ist Holly. Die Mutter meines Kindes und ... meine Verlobte."



Mister ChevalierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt