Chapter 6

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Dylan

"Guten Morgen Gracie! Wie geht es dir?", sagte ich am Montag morgen, während ich mich auf meinem Platz niederließ.
Als sie nicht auf meine Begrüßung antwortete, führte ich die Konversation einfach selber fort.

"Hallo Dylan, schön dich zu sehen! Mir geht es gut und dir? - Mir geht es blendend, danke der Nachfrag-"

"Hast du nichts besseres zu tun als Selbstgespräche zu führen? Und ich heiße übrigens Grace.", unterbrach sie mich schließlich genervt und schlug ihr Heft auf.

"Von Selbstgesprächen kann hier doch kaum die Rede sein, Gracie.", sagte ich und merkte, wie sie meinen Blicken auswich.
"Hast du Angst, dass du dich in meinen wunderschönen Augen verlieren könntest oder warum starrst du so angestrengt geradeaus?"

"Ich habe letzte Woche schon genug von dir gesehen, so viel, dass es für das ganze Schuljahr reicht.", fuhr sie mich an und sah mir für einen ganz kurzen Moment in die Augen.

"Mach dir keine Mühe.", gab ich zurück.

"Hä?"

"Ich weiß, dass du letzte Woche an nichts anderes mehr denken konntest. Das ist ja auch verständlich, immerhin hat nicht jeder so einen heißen Körper."

"Wie kann man nur so eingebildet sein?", fragte Grace fassungslos mehr sich selbst als mich, während sie den Tafelanschrieb abschrieb.

"Einbildung ist auch eine Bildung.", sagte ich und lächelte, weil ich wusste, dass ich sie damit mundtot gemacht hatte.

"Soll ich ehrlich sein, Dylan?", Grace hörte auf zu schreiben, drehte sich zu mir und sah mir direkt in die Augen. "Ich halte absolut gar nichts von dir. Du hast als kleines Kind wohl zu viel Selbstverliebtheit abbekommen und zu wenig Gehirn!"

Ich sah Grace einfach nur an. Noch nie hatte ein Mädchen auch nur annäherungsweise so etwas zu mir gesagt. Ich war es gewohnt, dass alle Mädchen mich anbeteten. Deshalb müsste ich sie eigentlich hassen, doch irgendwie war ich fasziniert von ihrer Art. Sie war einfach so...so anders und das machte mich irgendwie neugierig.

"Vielleicht kannst du mir das fehlende Wissen  einflößen?", schlug ich vor, nachdem ich mich wieder gefangen hatte und musste schmunzeln, als sie angewidert das Gesicht verzog. "Was ist? Gefällt dir die Idee denn nicht? Du und ich, in meinem Zimmer-"

"Okay, das reicht! Du bist mit Abstand der ekelhafteste, nervigste und bescheuerteste Junge, den ich je getroffen habe...naja du und Cole.", fügte sie hinzu und jetzt war ich derjenige, der das Gesicht verzog.

"Was? Bin ich etwa die erste, die dir das sagt?", fragte sie überrascht, doch ich schüttelte den Kopf.

"Was ist dann dein Problem?"

"O'Bryan.", sagte ich trocken.

Daraufhin sah Grace mich mit ihren Bambi-Augen fragend an. Ich nahm an, sie kannte ihn nur unter seinem Vornamen.

"Cole O'Bryan."

"Du magst ihn nicht?", fragte sie jetzt noch überraschter, "Ihr beide müsstet euch doch blendend verstehen."

"Tun wir aber nicht.", sagte ich und verzog keine Miene mehr.

Plötzlich fing Grace an zu lachen, so sehr, dass sie sich nicht mehr einbekam.

"Was ist daran jetzt so lustig?", fragte ich genervt.

"Ich stelle mir gerade dich und Cole vor. Wie ihr nebeneinander vor einem großem Spiegel steht und euch streitet wer der "Perfektere" von euch beiden ist."

Ich schnaubte beleidigt auf, musste aber zugeben, dass sie gar nicht so unrecht hatte. O'Bryan und ich führten einen ständigen Kampf, den ich in meinen Augen sowieso schon längst gewonnen hatte.

"...und deshalb haltet ihr nächste Woche alle Referate.", beendete der Lehrer seinen Satz und errang somit unsere Aufmerksamkeit wieder.

"Einzelreferate?", fragte ein Mädchen aus der letzten Reihe.

"Nein. Ihr werdet das Referat mit eurem Sitznachbar halten.", antwortete der Lehrer und ich bemerkte sofort Graces entsetzten Blick, der mir sofort ein Schmunzeln aufs Gesicht zauberte. Die Mädchen, die um uns herumsaßen, sahen Grace mit neidischen Blicken an. Wie gesagt, jedes andere weibliche Wesen wäre jetzt gerne an ihrer Stelle gewesen.

"Das wird sicher ein Spaß, Gracie! Wann hast du diese Woche Zeit?",

"Eigentlich ist mein Terminkalender für diese Woche voll.", knurrte sie und schlug sich mit der flachen Hand gegen den Kopf.

"Das macht nichts. Du wirst dir doch bestimmt Donnerstag freischaufeln können oder? Sagen wir so...18 Uhr, da bin ich mit dem Training fertig."

"Meinetwegen. Sag mir deine Adresse und ich komme zu dir.", seufzte sie.

Entweder sie war wirklich nicht Begeistert, sich mit mir zu treffen oder sie konnte einfach nur verdammt gut schauspielern. Jedes andere Mädchen hätte nämlich vor Freude Luftsprünge gemacht, aber für dieses Mädchen war es anscheinend wie eine Strafe.

Als es plötzlich klingelte, war ich überrascht, wie schnell die Zeit verging und wie lange ich über ein Mädchen, dass mich anscheinend nicht mochte, nachdenken konnte.

Wanting GraceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt