Der klassische Todesstrahl

101 14 6
                                    

Langsam ging ich an das Wesen heran. Wenn ich es besiegen könnte... Würde das schon das Ende sein? Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Als ich kurz hinter ihm stand, räusperte ich mich. Als würde ich dem Chef einer Firma gegenüberstehen. Das Kind von Leben und Tod drehte sich nervenzerstörend langsam um und starrte mich an. Ich wagte es nicht, in seine Augen zu schauen und konzentrierte mich stattdessen auf seine Beine. Ich spürte, wie es mich musterte. Dann schweifte sein Blick ab, wahrscheinlich um die anderen unter die Lupe zu nehmen. Weder Through noch Luxtra schafften es, dem Blick zu widerstehen. Nur Drake sah der Kreatur eiskalt in die Augen. Auch wenn er dabei leicht zitterte. Ich wollte nicht wissen, was er darin sah. Glurak kam auch angeflogen, aber konnte genau wie wir drei den Wesen nicht in die Augen schauen. Ich atmete tief durch. "...Bereit?", fragte ich. Glurak, Through und Luxtra nickten zögerlich. Drake hingegen ging sofort entschlossen in Kampfposition. Er schien eine seltsam große Wut auf diese Kreatur zu haben. Ich wusste nicht woher. Aber ich wusste genauso gut wie er, dass wir das hier nicht vergeigen sollten. Ich hatte ja gesehen, was mit meinem 'zukünftigen' Ich passiert war. "Los geht's... Glurak, Feuersturm! Drake-" Doch Drake war schon mitten im Kampf. Er stürzte sich mit voller Wucht auf das Wesen und wich den Gegenangriffen knapp aus. "Wir müssen helfen! Schnell, Glurak!" Drakes Mut schien auch uns etwas zu motivieren. Glurak schoss einen gewaltigen Feuersturm ab, Luxtra ließ einen Hagel aus Donnern los und Through nahm einen Pokeball hervor und schickte ein Metagross in den Kampf. "Patronenhieb!" Metagross stürmte los und half gewaltig mit. Es schien gut für uns auszugehen. Drake stürzte sich wieder und wieder auf das Wesen und konnte dank der Hilfe der anderen nun problemlos allen Kontern ausweichen, Metagross war zwar nach einer Weile besiegt, hatte aber dank vieler Patronenhiebe und Metallklauen massiven Schaden angerichtet, Glurak spuckte einen Feuersturm nach dem anderen aus und Luxtra ließ ebenfalls nicht locker. Leider war das Siegesgefühl nur von kurzer Dauer. Mit einem Mal ließ die Kreatur eine riesige Schockwelle los, die mir den Atem raubte. Ich krümmte mich und sank zu Boden. Es schien keine Kraft mehr in meinen Muskeln zu stecken. Auch Glurak fiel kraftlos vom Himmel und verfehlte mich dabei nur knapp. Through stand noch, aber nur, weil er sich rechtzeitig in sein Portal geflüchtet hatte und erst wieder hervorgekommen war, als es 'sicher' war. Luxtra und Drake versuchten krampfhaft, sich zu bewegen, scheiterten aber kläglich. Through stand ziemlich planlos da. Ich konnte nicht sagen, dass ich an seiner Stelle gewusst hätte, was zu tun war. Das Wesen setzte sich jetzt in Bewegung und lief quälend langsam auf uns zu. Through stand erstarrt zwischen uns und konnte nur zusehen, wie die Kreatur sich vor ihm aufbaute. Er war käseweiß, aber wer konnte es ihm verdenken? Die Flügel auf dem Rücken unseres Gegners begannen, sich zu bewegen. Es schoss mit einem kräftigen Schlagen nach oben, wo es eine Kugel dunkler Energie sammelte. Ich hatte eine gewisse Vermutung, was das war. Und die bestätigte sich, als die Kugel sich zu einem Strahl entfaltete, der direkt auf Through zu schoss. Irgendwie schaffte es dieser dann doch, sich zu bewegen. Er stieß einen Schrei aus und warf sich zur Seite. Trotzdem erwischte der Strahl seine rechte Hand und sein rechtes Bein. Through prallte auf dem harten Boden auf und blieb schmerzvoll stöhnend dort liegen. Das Wesen schien unzufrieden mit dem Ergebnis zu sein, wechselte aber sein Ziel. Plötzlich stand es vor mir. Ich hatte keine Zeit, meine Augen abzuwenden. In seinen Augen sah ich meine Geburt. Und dann, wie ich von dem Todesstrahl des Wesens erwischt wurde und in tausend Stücke zerrissen wurde. Ich keuchte auf. Das Atmen fiel mir noch schwerer. Dann sah ich, wie die Kreatur durch die ganze Hoenn-Region raste und eine Schneise der Verwüstung hinter sich ließ. Und schließlich sah ich, wie meine Eltern angsterfüllt ihrem Tod in Form eines Legenden-Kindes entgegenblickten. Hätte ich noch Energie gehabt, wäre die wahrscheinlich jetzt verschwunden. Eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel. Plötzlich wollte ich von dem Wesen getötet werden. Hauptsache, ich müsste nicht ansehen, wie es meine Verwandten und Freunde zerstört. Aber ich verscheuchte den Gedanken mühsam aus meinem Gehirn. Ich wusste genau, ich hatte mich dieser Aufgabe angenommen- auch wenn sie mir anfangs eher aufgedrückt wurde. Ich war jetzt verantwortlich. Und ich musste kämpfen, auch wenn es aussichtslos aussah. Ich versuchte erneut, mich zu bewegen. Nichts. Ich war wohl doch kein Animeheld, der nach dem Erinnern an all das, wofür es sich zu kämpfen lohnt, plötzlich wieder die Energie fand, aufzustehen und weiterzukämpfen. Auch wenn ich jetzt durchaus motiviert war. Leider konnte ich nur zusehen, wie das Wesen erneut in die Lüfte schoss und einen neuen Todesstrahl auflud. Diesmal eindeutig mit mir als Ziel. Immerhin reichte die Kraft in mir dafür, mit den Zähnen zu knirschen und zu knurren. Ich war bereit, meine letzten Worte zu sprechen. Leise, aber doch laut genug, um es zu verstehen, sagte ich noch: "Through... Danke für deine Unterstützung, du warst eine größere Hilfe, als du wahrscheinlich denkst. Luxtra... Du warst immer die Strategin. Ohne dich wären wir aufgeschmissen gewesen. Glurak... Schade, dass ich es nicht mehr geschafft habe, dir aus dieser Schattenform zu helfen... Du hättest es verdient. Drake... Danke für alles, du warst ein super Starter." Dann sammelte ich nochmal Energie, um zu rufen: "Gold, ich will das hier nicht mit einem Streit zwischen uns beenden! Wenn du mich hören kannst, es tut mir leid! Es..." Ich atmete schwer und wurde leiser. "...tut mir leid." Ich fühlte eine zweite Träne, die über mein Gesicht rollte. "Und Mirai... Du hättest mehr verdient, als davon zu hören, wie wir gestorben sind", flüsterte ich mir selbst zu. Jetzt entfuhr mir doch noch ein Schluchzer. Und das jetzt, wo ich stark sein wollte, um meine Freunde doch noch irgendwie zu schützen. Kurz vor meinem Tod überwältigten mich doch noch die Gefühle. Alles in mir schrie, ich solle ausweichen, und hätte ich es gekonnt, hätte ich es getan. Aber selbst mit einem Adrenalinschub schaffte ich es nicht, mich zu bewegen. So konnte ich nur zusehen, wie die Kugel sich erneut zu einem Strahl formte und dieser auf mich zuschoss.

Pokémon: Das Kind von Leben und Tod (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt