Kapitel 9

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Plötzlich wird Liam gewaltsam von mir weg gerissen.
Da er gar nicht damit gerechnet hat, taumelt er zurück und als er sich wieder gefangen hat, trifft ihn ein Fausthieb mitten ins Gesicht.
Durch die ganzen Tränen, ist meine Sicht komplett verschleiert. Ich kann nicht mal erkennen, wer mich da gerettet hat!
Ich stehe einfach nur da, nicht in der Lage mich zu bewegen. Ich nehme alles nur noch durch einen dicken Schleier wahr.
Meine Beine geben nach und ich mache mich schon auf einen Sturz bereit, aber bevor ich den Boden erreichen kann, umfasst jemand meine Taille und drückt mich behutsam an sich.
Obwohl ich nicht weiß, wer mich da gerettet hat, fühle ich mich trotzdem sofort geborgen, weswegen ich mich auch gleich an den Unbekannten schmiege und mich beschützt fühle.

Ich bekomme ganz am Rande mit, dass ich aus der Kneipe geführt werde.
Die kühle Luft tut mir unglaublich gut. Ich atme tief durch und halte meine Augen weiterhin geschlossen, weil ich nicht vor meinem Retter weinen möchte.
Er führt mich ein Stück von dem Gebäude weg, lässt mich kurz los und zieht mich keine fünf Sekunden später auf seinen Schoß.
Scheinbar hat er sich irgendwo hingesetzt.
Er umschließt meinen Körper mit seinen Armen, streichelt beruhigend meinen Rücken und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.

Ich kann nicht sagen, wie lange wir still dort sitzen, er mich einfach nur beruhigt und ich langsam wieder richtig zu mir komme.
"Danke." sage ich mit belegter Stimme und drücke mich erneut näher an seine warme Brust.
Ein Finger legt sich unter mein Kinn und hebt vorsichtig mein Gesicht an.
Ich habe meine Augen immer noch geschlossen, bin mir nicht sicher, ob ich sie öffnen und somit diesen magischen Moment zerstören will.
Sein Finger streichelt langsam meine Wange.
Ich atme ein letztes Mal tief durch und öffne dann ganz langsam meine Augen.

"Julien...?" bringe ich verwirrt über meine Lippen und versuche sofort von seinem Schoß aufzustehen.
Aber er hält mich fest, lässt mich nicht gehen.
"Beruhig dich Charly! Es ist alles in Ordnung!" flüstert er mir mit rauer Stimme zu und aus irgendeinem Grund, entspanne ich mich auch sofort wieder.
"Hast.. Hast du mich gerettet?" frage ich ihn zögerlich, wende meinen Blick ab  und schäme mich auch irgendwie für das, was passiert ist.
Julien atmet schwer ein, bevor er antwortet.
"Ja." brummt er.
"Nach dem, was ich gestern beobachtet habe, hatte ich ein ungutes Gefühl. Deshalb bin ich heute Abend auch hier her gekommen, weil ich wusste, dass ihr alle hier sein würdet. Als ich die Kneipe betreten habe, seit ihr mir sofort aufgefallen. Du hattest dich gerade von ihm weggedreht und mir war gleich klar, dass du das nicht wolltest.
Bei mir ist in diesem Moment eine Sicherung durchgebrannt, deshalb habe ich ihn auch gleich von dir losgerissen und ihm eine verpasst!" Erklärt Julien mir und ich schaue ihn geschockt an.
"Du, du hast Liam geschlagen?"
Im ersten Augenblick mache ich mir automatisch Sorgen um Liam, aber als mir dann wieder in den Sinn kommt, was er mit mir gemacht hat finde ich, dass er es verdient hat.
Julien nickt nur und fährt sich durch seine Haare, lässt seine linke Hand allerdings auf meinem Rücken ruhen.
"Ich konnte nicht anders. Wer weiß, wie weit dieser Idiot noch gegangen wäre! Ich will mir gar nicht ausmalen.." er verstummt, aber ich weiß, worauf er hinaus will.

"Komm, ich bringe dich nach Hause.", sagt er nach einer Weile leise.
Er stellt mich vorsichtig auf meine Beine und legt sofort seinen Arm wieder um mich.
Aber ich muss Luke und Resa Bescheid sagen.
"Deine Tasche und Jacke habe ich und Resa hab ich gesagt, dass ich dich nach Hause bringe."
Ich nicke nur und lasse mich von meinem Lehrer bis zu seinem Wagen führen. In diesem Moment ist mir völlig egal, sie er das Alles so schnell hinbekommen hat, ohne das ich etwas davon mitbekommen habe.

Er setzt mich behutsam auf den Beifahrersitz, schnallt mich sogar an und kommt dann um den Wagen herum und setzt sich ans Steuer.
Ich erkläre ihm müde den Weg und dann fährt er auch schon los.

Kurze Zeit später hält er schon vor unserem Haus.
Während der Fahrt waren wir beide sehr still, hingen unseren Gedanken hinterher.
Ich kann noch gar nicht realisieren, was da eben passiert ist.
Julien steigt aus, kommt zu mir herüber und hilft mir beim Aussteigen.
Er führt mich noch zur Tür und wartet, bis ich meinen Schlüssel aus der Tasche gefischt habe.
"Dann.. Wir sehen uns Montag in der Schule. Ruh dich aus, Charly." flüstert er fast schon und schaut mir dabei tief in die Augen.
Ich nicke nur, doch als er sich von mir wegdreht, ergreife ich doch noch das Wort.
"Julien, warte!"
Er dreht sich sofort wieder zu mir um, als hätte er nur darauf gewartet.
"Könntest du.. Kannst du vielleicht bei mir bleiben? Ich.. ich hab Angst." gestehe ich ihm kleinlaut und senke meinen Kopf.
"Ich bin mir nicht sicher, ob das deinen Eltern recht wäre.." verlegen kratzt er sich am Hinterkopf, was mich schmunzeln lässt.
"Keine Sorge, die sind nicht da." beruhige ich ihn und Julien kommt sofort wieder auf mich zu und folgt mir ins Innere des Hauses.
Ich lege meine Handtasche auf die Kommode im Flur, ziehe Jacke und Schuhe aus und bitte Julien in die Küche.
"Möchtest du etwas trinken?" frage ich ihn zögerlich und öffne den Kühlschrank.
"Wenn ich ehrlich bin, hätte ich jetzt gerne ein Bier." sagt er grinsend.
Ich nehme zwei heraus und reiche eins davon ihm.
Wir gehen rüber ins Wohnzimmer und setzen uns aufs Sofa.
Einerseits ist es merkwürdig, hier mit meinem Lehrer zu sitzen. Aber ich verdanke ihm so viel und außerdem fühle ich mich in seiner Nähe so wohl.

"Woher kennst du Liam eigentlich? Ist er dein Freund?"
Ich kann deutlich in seinem Blick und auch in seiner Stimme die Verachtung gegen Liam spüren.
Ich atme erneut tief durch und erzähle ihm die ganze Story und auch von dem Streit, den er gestern mitbekommen hat.
"Ich war immer genervt davon, dass  Resa so gegen Liam war, aber scheinbar hatte sie nicht ganz unrecht.." gestehe ich.

Erst spät in der Nacht macht Julien anstalten, dass er langsam aufbrechen müsste.
Ich verkrampfe mich sofort, denn ich möchte nicht, dass er mich jetzt alleine lässt.
Ich habe mich zwar schon wieder ziemlich beruhigt aber die Vorstellung, die Nacht alleine hier im Haus zu verbringen, gefällt mir ganz und gar nicht.
"Würdest du vielleicht hier bleiben?" frage ich ihn fast flüsternd.
Julien beäugt mich lange und fast habe ich schon die Befürchtung, dass er meine Bitte ablehnen wird.
"Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass du diese Entscheidung morgen bereuen wirst, aber okay. Ich bleibe."
Erleichtert lächle ich ihn an und führe ihn kurz darauf nach oben in mein Zimmer.
Es war zwar meine Idee, das er hier bleibt, trotzdem werde ich jetzt nervös.
Ich werde die Nacht zusammen mit meinem Lehrer in einem Bett verbringen!
"Ich geh mich schnell umziehen, fühl dich wie Zuhause." lasse ich ihn wissen und verschwinde dann ins Badezimmer.
Sobald ich die Tür hinter mir verschlossen habe, fällt plötzlich alles von mir ab.
Julien hat mich davor bewahrt, dass Liam mich weiterhin begrabscht. Wer weiß, wie weit er noch gegangen wäre! Oh Gott! Darüber will ich mir gar keine Gedanken machen!
Ich versuche sämtliche Gedanken an diesen Abend und vor allem an Liam ganz weit nach hinten zu schieben, was mir zum Glück auch gelinkt.
Ich ziehe schnell meine Klamotten aus und spritze mir dann etwas kaltes Wasser ins Gesicht.
Alleine wenn ich nur schon daran denke, dass Julien in diesem Moment direkt nebenan ist und vielleicht sogar schon in meinem Bett liegt, schlägt mein Herz sofort schneller.
Ich putze schnell meine Zähne und greife dann nach meinen Schlafsachen.
Oh Shit!
Da es in den letzten Nächten relativ warm war, habe ich nur in einem langen Shirt von meinem Dad geschlafen, das mir nur fast bis zur Mitte des Oberschenkels reicht.
Ich kann doch jetzt nicht Julien so sperrlich bekleidet unter die Augen treten!
Aber mir bleibt nichts anderes übrig, denn die Klamotten, die ich eben ausgezogen habe, hab ich schon in die Waschmaschine geworfen!
"Verdammt!" fluche ich etwas zu laut.
"Alles in Ordnung?" höre ich Julien sofort durch die Tür rufen.
"Ja, alles gut." sage ich, schließe kurz die Augen und trete beschämt und mit hochrotem Kopf aus dem Bad.

The Teacher who learns to love me  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt