Kapitel 25

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Ich habe es geschafft, Julien eine ganze Woche aus dem Weg zu gehen!
Während der Woche hat er oft versucht mich auf die Seite zu nehmen, aber ich habe es einfach nicht zugelassen.
Luke und Resa waren mir dabei natürlich auch eine große Hilfe, denn sie hatten immer eine gute Ausrede parat, warum ich ganz dringend mit ihnen mitkommen musste.
Ich bin mir sicher, dass er auch versucht hat mich weiterhin über das Handy zu erreichen, aber das interessiert mich nicht.
Inzwischen bin ich zwar immer noch unglaublich verletzt aber in den letzten Tagen hat eindeutig die Wut die Oberhand gewonnen.
Julien hat mich benutzt, mich als kleinen Spaß nebenbei angesehen und das ist das Schlimmste, das man jemandem antun kann.
Er hat es ausgenutzt, dass ich so unerfahren bin und hatte offensichtlich nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Ganz im Gegenteil.
Und inzwischen bin ich auch bereit, ihm das ins Gesicht zu sagen!
Sollte er mich also nochmal versuchen anzusprechen, kann er sich auf was gefasst machen.

Etwas besser gelaunt, als in den letzten Tagen, mache ich mich fur die Schule fertig.
Ich ziehe eine enge, schwarze Jeans an und dazu einen dünnen, grauen Pullover.
Langsam aber sicher ist der Sommer vorbei und damit auch die mehr als angenehmen Temperaturen.
Da ich meinen Appetit auch wieder gefunden habe, hole ich mir aus der Küche noch mein übliches Frühstück und verlasse dann das Haus.

Resa und Luke begrüße ich grinsend und mit einer herzlichen Umarmung.
Sie sind zwar überrascht, dass ich so gut gelaunt bin, freuen sich aber sichtlich über die Besserung.
Für sie waren die letzten Tage sicherlich auch nicht einfach, denn sie mussten ständig meine Launen ertragen.

Obwohl ich immer noch eine unglaubliche Wut auf Julien habe, folge ich dem Unterricht wieder und beteilige mich auch daran.
Irgendwie ist es schon ein bisschen lustig mit anzusehen, wie es ganz offensichtlich in Julien's Kopf rattert.
Ich verhalte mich wieder normal, ignoriere ihn aber dennoch.

Wie nicht anders zu erwarten, versucht er auch heute mich nach dem Unterricht noch im Klassenzimmer zu behalten.
"Charly? Könntest du bitte gleich noch da bleiben? Wir müssen etwas Wichtiges wegen der Tanzgruppe besprechen."
Das Wort Wichtiges betont er natürlich extra.
Bisher habe ich entweder gar nicht darauf reagiert oder einfach nur mit dem Kopf geschüttelt ohne ihn dabei anzusehen.
Aber nicht heute!
"Natürlich!" sage ich mit fester Stimme und schaue ihm dabei direkt in die Augen.
Er wirkt perplex über meine Zusage, gleichzeitig aber auch erfreut. Das kann man ihm deutlich ansehen.
auch Luke und Resa schauen mich irritiert von der Seite an, sie wissen nämlich nichts von meinem Plan.

Als es zum Unterrichtsende klingelt, packen alle schnell ihre Sachen zusammen.
Kein Wunder. Es ist Freitag und für alle beginnt jetzt das langersehnte Wochenende.
"Bist du dir sicher?" flüstert Resa mir leise zu und schaut mich besorgt an.
Ich nicke.
"Ja. Ganz sicher. Ich melde mich später bei euch."
Nur widerwillig verlassen auch sie den Raum und nun bin ich seit fast zwei Wochen zum ersten Mal wieder mit Julien alleine.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl.
Einerseits so vertraut, andererseits aber auch so distanziert wie nie zuvor.
Während ich einfach nur auf meinem Platz sitze, wartet Julien ungeduldig darauf, dass auch die letzten Schüler endlich verschwinden.
als die Tür hinter dem letzten ins Schloss fällt, kommt Julien sofort mit schnellen Schritten auf mich zu.
Auch ich stehe auf, versuche aber etwas Platz zwischen uns zu schaffen.
Letztlich steht er vor meinem Tisch und ich dahinter.
Eindringlich mustert er mein Gesicht, versucht darin zu lesen. Aber ich verschließe mich ihm, lasse ihn zum ersten Mal nicht meine Gedanken lesen, als wären sie ein offenes Buch.
"Charly!" flüstert er ganz leise.
Er könnte mir fast leid tun, wie er da so steht, nicht weiß was er tun oder sagen soll. Aber nur fast!
"Worüber möchtest du mit mir sprechen?"
Meine Stimme klingt fest und bestimmend. Keine Spur von Verzweiflung oder Traurigkeit.
"Was hat sich zwischen uns verändert? Gerade war alles noch gut und dann verschließt du dich mir völlig, lässt mich überhaupt nicht mehr an dich ran."
Es fällt mir zwar zunehmend schwerer, ihm in die Augen zu schauen, aber ich breche den Blickkontakt dennoch nicht ab.
"Diese Frage ist hoffentlich nicht ernst gemeint, oder?" frage ich ihn und lache bitter auf.
"Natürlich ist sie das! Seit fast zwei Wochen ignorierst du mich komplett, hast mich sogar blockiert, damit ich dich nicht mehr erreichen kann!"
Seine Stimme wird zwar kurz etwas lauter, trotzdem kann ich ihm ansehen, dass er völlig verzweifelt ist.
Liegt ihm vielleicht doch mehr an mir als ich dachte?
Aber das kann nicht sein! Er hat zuhause eine Frau oder Freundin sitzen, nicht ich!
"Verdammt, Julien! Tu doch nicht so, als würde dir etwas an mir liegen! Möchtest du mich noch weiter demütigen und bloßstellen? Ist es das, was du willst?!" fauche ich ihn an.
Er scheint wirklich nicht zu wissen, um was es hier geht.
Ist er wirklich so dämlich oder fühlt er sich einfach so sicher und denkt, dass ich niemals darauf kommen würde, dass er ein doppeltes Spiel spielt?!
"Ich verstehe kein Wort!" knurrt er und kommt mir näher.
Aber ich bleibe stur stehen, möchte ihn am liebsten mit meinen Blicken töten.
"Schon klar, du musst dich ja verdammt sicher fühlen!
Julien, ich weiß Bescheid, okay?! Ich habe dich durchschaut!
Ich weiß, dass du daheim eine Frau sitzen hast, die du genauso hintergangen hast, wie mich!"
Jetzt ist die Bombe geplatzt!
Julien sackt wie in Zeitlupe etwas zusammen, sucht Halt an dem Stuhl, der hinter ihm steht und lehnt sich daran an.
Er wendet den Blick Richtung Boden und scheint geschockt zu sein.
Also ehrlich gesagt, habe ich mit dieser Reaktion am wenigsten gerechnet!

Julien steht mindestens fünf Minuten einfach nur da und starrt Löcher in den Boden.
"Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen?! Schon blöd, wenn so etwas auffliegt, was?" fauche ich ihn wieder an.
Er setzt mindestens drei Mal an, etwas zu sagen, bekommt aber nichts heraus.
Was soll der Mist?
"Mir reicht's! Lass mich in Zukunft in Frieden! Viel Spaß weiterhin mit der tollen Frau an deiner Seite! Du kannst froh sein, dass ich ihr nicht alles sage!" schnautze ich ihn an und greife nach meinem Rucksack.
Ich verschwinde jetzt hier!
Ich gehe an ihm vorbei, Richtung Tür, aber plötzlich löst er sich aus seiner Starre und greift nach meiner Hand.
"Lass es mich erklären, Charly! Bitte!" bettelt er.
Will er mir jetzt seine Beziehungsprobleme erklären und warum er sich seinen Spaß außerhalb sucht?!
"Ja verdammt, ich habe eine Freundin.
Aber es ist nicht so, wie du denkst!" setzt er an.
"Ich kenne sie schon einige Jahre und als sie sich von ihrem Freund getrennt hat, habe ich sie bei mir aufgenommen.
Irgendwann sind wir im Bett gelandet und ab diesem Zeitpunkt dachte sie, wir wären zusammen.
Anfangs hat mir das nichts ausgemacht, wir haben eh unter einem Dach gelebt, also habe ich sie als eine Art Affäre gesehen, nicht mehr!
Aber dann habe ich dich kennengelernt. Ich war sofort hin und weg und wusste, dass ich nicht die Finger von dir lassen kann.
Seit dem Tag, als ich dich zum ersten Mal sah, habe ich Kati nicht mehr angefasst, das musst du mir glauben! Ich habe ihr gesagt, dass ich das, was zwischen uns ist sofort beende und sie nur noch so lange bei mir wohnen kann, bis sie eine andere Wohnung gefunden hat.
Bitte Baby, glaub mir! Diese Frau bedeutet mir absolut nichts!"
Julien sieht mich flehend an und wartet auf irgendeine Reaktion von mir.
Was soll ich denn jetzt glauben?!
Er hält weiterhin meine Hand fest in seiner und kommt mir näher.
Dicht vor mir bleibt er stehen und legt eine Hand an meine Wange.
Ohne etwas dagegen machen zu können, schließe ich kurz meine Augen und genieße dieses Gefühl, dass ich so lange vermisst habe.
Obwohl ich nichts sehe, spüre ich, dass er mir immer näher kommt und plötzlich liegen seine Lippen auf meinen.
Wir legen beide alle Gefühle und Sehnsüchte in diesen Kuss hinein und verlieren uns vollkommen darin.
Wie sehr habe ich das nur vermisst...
Doch plötzlich schießen mir die Bilder in den Kopf, wie vertraut die beiden miteinander wirkten und ich löse mich abrupt von Julien.
Ich bringe etwas Abstand zwischen uns und schaue ihn an.
"Ich kann das nicht. Solange diese Frau bei dir ist, kann ich das hier nicht zulassen. Wärst du von Anfang an ehrlich zu mir gewesen, wäre das etwas völlig anderes aber du hast mich belogen. Tut mir leid."
Als ich spüre, wie mir eine einzelne Träne über die Wange kullert, drehe ich mich um und verlasse fluchtartig das Gebäude.

The Teacher who learns to love me  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt