Kapitel 24

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Wie nicht anders zu erwarten, sitzen beide geschockt vor mir, setzen immer wieder an etwas zu sagen, bringen aber nichts zustande.
Genau die Reaktion mit der ich gerechnet habe.

"Du.. Ihr.. Du hast etwas mit unserem Lehrer am Laufen?!" fragt Resa mich völlig entsetzt, aber auch irgendwie belustigt und kann es gar nicht glauben.
Resigniert nicke ich einfach nur und bin heilfroh, dass meine Tränen zur Abwechslung mal getrocknet sind. Vorerst jedenfalls.
Ich ziehe meine Beine auf das Sofa und lege meinen Kopf darauf.
Ich kann das Alles immer noch nicht glauben...
"Wow! Also ich konnte mir ja schon denken, dass du ihn heiß findest, aber das du ihn dir auch gleich angelst, hätte ich nicht gedacht! Respekt!"
"Man Resa, jetzt sei doch mal still! Dass sie etwas mit dem Murphy hatte, finde ich gerade eher zweitrangig! Viel schlimmer ist doch, wie er mit Charly gespielt und was er ihr damit angetan hat!" mischt sich nun zum ersten Mal auch Luke ein.
Ich bin viel zu erschöpft, jetzt mit den zwei zu diskutieren, was wichtiger ist.
Fakt ist, Julien hat mich von vorne bis hinten nur verarscht!
"Ich bin so froh, dass ich noch nicht mit ihm geschlafen habe!"
Es ist mir nicht peinlich, vor meinen Freunden über meine Sexualität zu sprechen, da wir uns eh alles erzählen und ich es auch nicht schlimm finde, gerade mit Luke darüber zu reden. Manchmal kann es sogar hilfreich sein, bei gewissen Dingen auch mal die Meinung eines Mannes zu hören.
"So etwas hätte ich ihm nie zugetraut! Er macht gar nicht den Eindruck, als würde er zweigleisig fahren!" denkt Resa laut.
"Was willst du jetzt machen? Ich meine, du wirst ihm zwangsläufig jeden Tag über den Weg laufen." wirft Luke ein.
"Oh Gott, daran habe ich noch gar nicht gedacht!" schluchze ich wieder los.
Ich kann doch nicht jeden Tag in seinem Unterricht sitzen und so tun, als wäre nie etwas gewesen!
"Und was soll ich mit der Tanzgruppe machen? Ich habe euch ja erzählt, dass der Tanz den wir gerade einstudieren, größtenteils von uns beiden getanzt wird!
Verdammt nochmal! Ich hätte von Anfang an auf meinen Kopf hören und mich von ihm fernhalten sollen!
Wie konnte ich nur so dämlich sein und mich darauf einlassen?!

Erst spät am Abend entlasse ich Luke und Resa aus ihrem Dienst.
Sie haben zwar angeboten, hier zu übernachten, aber ich brauche jetzt einfach meine Ruhe.
Dieser Tag hat mich meine ganze Kraft gekostet!
Durch das viele weinen habe ich Kopfschmerzen bekommen und weil ich Alkohol getrunken habe, kann ich nicht mal eine Tablette dagegen nehmen.
Ich lege mich erschöpft ins Bett und versuche etwas zu schlafen.
Obwohl ich mir noch nicht sicher bin, ob ich morgen zur Schule gehen werde, habe ich mir trotzdem einen Wecker gestellt.

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Erst am Mittwoch kann ich mich aufraffen, in die Schule zu gehen.
Ich habe es die letzten zwei Tage nicht über mich gebracht, Julien unter die Augen zu treten.
Aber ich kann die Schule nicht wegen ihm schweifen lassen. Das geht einfach nicht.
Deshalb mache ich mich nun auch fertig, packe mein übliches Frühstück ein, obwohl ich seit Sonntag keinen Bissen herunter bekomme und mache mich auf den Weg.
Natürlich hat Julien mich versucht zu erreichen, nachdem ich nicht zum Unterricht gekommen bin.
Ich kann gar nicht sagen wie oft er mich angerufen und mir Nachrichten geschickt hat, bis ich ihn letztlich blockiert habe.
Ein Wunder, dass er nicht hier auf gekreuzt ist!

Resa und Luke erwarten mich schon an meinem Parkplatz, um mir beizustehen.
Die beiden sind wirklich Gold wert! Sie sind nach der Schule immer sofort zu mir gekommen, um mich aufzumuntern und mich auf den neuesten Stand zu bringen.
Auch, wenn ich endlich nicht mehr andauernd weinen muss, kann man mir deutlich ansehen, dass ich die letzten Tage fast ausschließlich nur geheult habe.
Zwischenzeitlich war ich nur unglaublich wütend auf Julien, aber die Trauer hat doch meistens die Oberhand gewonnen.
Dementsprechend sehe ich jetzt auch aus!

Als wir den Klassenraum betreten, ist Julien zum Glück noch nicht da.
Resa hält tapfer meine Hand und spricht mit gut zu.
Plötzlich knallt die Tür zu und Julien tritt an seinen Pult.
"Stillarbeit! Bearbeitet Seite 106 eures Buches!" schnautzt er, ohne aufzublicken und setzt sich hin.
Er holt sein Handy heraus und tippt ununterbrochen darauf herum.
Ich werfe einen Fragenden Blick zu Resa und Luke.
"So geht das schon seit Montag!" flüstert Luke mir zu, während er sein Buch aufschlägt.
Ob er so eine schlechte Laune hat, weil er mich nicht erreichen kann? aber das ist Unsinn! Wahrscheinlich hat er nur etwas Stress mit seiner Frau!

Obwohl es unerträglich schmerzt, Julien anzusehen, kann ich den Blick nicht von ihm abwenden.
Er sieht eigentlich so friedlich und normal aus.. Man würde ihm nie zutrauen, dass er so mit einer Frau spielen würde.
Als würde er spüren, dass ihn jemand beobachtet, hebt er plötzlich den Kopf und schaut mir direkt in die Augen.
Ich möchte es zwar nicht, aber ich kann meinen Blick einfach nicht von ihm abwenden.
Was denkt er wohl gerade?
Im ersten Moment scheint er überrascht zu sein, mich zu sehen und dann schlägt seine Stimmung plötzlich um. Ich kann ihm deutlich ansehen, dass er sich darüber freut, mich zu sehen, gleichzeitig aber auch viele Fragen an mich hat.
Ich muss mich sehr zusammen reißen, nicht sofort wieder zu weinen anzufangen, aber ich möchte ihm nicht zeigen, wie sehr ich verletzt bin.

Die Doppelstunde zieht sich bis ins Unendliche.
Umso erleichterter bin ich, als es endlich zur Pause klingelt.
Binnen Sekunden habe ich mein Zeug zusammen gepackt und stürme aus dem Raum.
Julien hat nicht mal die Möglichkeit, mich anzusprechen.
Erst als ich in der Cafeteria sitze, kann ich mich etwas beruhigen.
Wie soll ich das nur jeden und jeden Tag aushalten?
Frustriert lege ich meinen Kopf in meine Hände und schließe die Augen.
"Das war irgendwie witzig. Zuerst schaut er dich an, als wärst du ein Geist und als du dann raus gestürmt bist, saß er da wie ein begossener Pudel. Aber das geschieht ihm recht!" höre ich Resa neben mir sagen.
Es ist nicht zu überhören, dass sie ziemlich sauer auf Julien ist.
"Der hat noch ganz andere Sachen verdient!" knurrt nun auch Luke.
Ich finde es ja toll, dass die beiden so hinter mir stehen, aber ich möchte nicht, dass das hier so endet wie die Geschichte mit Liam.
"Beruhig dich, Luke. Ich möchte nicht das jemand etwas davon erfährt, also halt den Ball bitte flach." versuche ich ihn zu beruhigen.
"Auch wenn es mir wirklich verdammt schwer fällt, aber keine Sorge, ich werde nichts tun."
Zum Glück habe ich heute keinen Unterricht mehr bei Julien. Das Tanztraining werde ich vorerst sein lassen.
Jedenfalls so lange, bis ich einen besseren Plan habe..

The Teacher who learns to love me  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt