Kapitel 23

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Seit diesem fantastischen Abend, den ich mit Julien verbracht habe, sind inzwischen schon wieder drei Wochen vergangen.
Wirklich viel ist in dieser Zeit nicht passiert.
In der Schule läuft alles wie immer, meine Eltern haben sich auch nicht mehr blicken lassen und Julien..
Tja, der hat sich mal wieder völlig zurück gezogen.
Sobald ich denke, dass wir etwas voran kommen, macht er wieder ein paar Schritte zurück.
Ständig hat er zu viel zu tun, hat nicht einmal Zeit um wenigstens mal eine Stunde bei mir zu sein und nach dem Unterricht bittet er mich auch nur selten, noch kurz da zu bleiben.
Und falls doch, Knutschen wir einfach kurz rum, er entschuldigt sich hundert Mal weil er kaum Zeit hat und das war es dann auch schon.
Keine Ahnung wie ich es geschafft habe, aber obwohl ich langsam befürchte, dass ich mich schon längst in ihn verliebt habe, versuche ich das Alles nicht allzu nah an mich heran zu lassen.
Natürlich schmerzt es tierisch, dass er mir dauernd die kalte Schulter zeigt, aber was soll ich denn machen?
Ich kann ihn ja nicht dazu zwingen, Zeit mit mir zu verbringen, so gerne ich das auch machen wollen würde.
Luke und Resa wissen immer noch nichts davon, aber langsam bin ich am überlegen, es wenigstens Resa zu erzählen.
Ich kann mich zwar auch vollkommen auf Luke verlassen, das er es für sich behalten würde, aber vor ihm darüber zu reden, was ich mit Julien mache ist irgendwie merkwürdig.
Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass er ein Mann ist, ich weiß es nicht.

Letzte Woche ließ Julien in der Klasse einen Zettel rund gehen, auf dem von jedem Telefonnummer und Adresse stand.
Ich weiß bis heute nicht, warum er das überhaupt gemacht hat.
Er meinte bloß, wir sollten uns die Daten unserer Mitschüler notieren, damit wir in einem Notfall auch andere aus der Klasse kontaktieren könnten, wenn es um etwas Wichtiges gehen würde.
Als der Zettel jedenfalls bei mir ankam, habe ich mit meinem Handy ein Foto davon gemacht, damit ich nicht alles abschreiben muss und habe ihn dann weiter gereicht.
Erst, als ich später zu Hause war und ein paar der Nummern einspeichern wollte, ist mir aufgefallen, dass auch die Daten von Julien mit dabei standen.
Seine Handynummer und seine Adresse!
Seit dem bin ich am überlegen, mal dort vorbei zu fahren.
Schließlich hat er sich immer irgendwie herausgeredet, wenn ich mal mit zu ihm wollte.
Und das muss ja einen Grund haben!
Bisher habe ich mich das aber noch nicht getraut, aber heute habe ich es mir fest vorgenommen!

Heute ist Sonntag.
Ich habe Julien vor etwa einer Viertelstunde geschrieben, ob er Zeit hätte aber er meinte, dass es heute nicht bei ihm klappen würde.
Also habe ich mich jetzt angezogen und bin auf dem Weg zu dieser Adresse.
Mein Auto führt mich in eine gehobenere Gegend der Stadt.
Überall stehen große Villen mit teuren Autos in der Einfahrt.
Hier soll Julien wohnen?
Das passt überhaupt nicht zu ihm!
Ich fahre noch etwas weiter und bleibe schließlich vor einem schicken Mehrfamilienhaus stehen.
Hausnummer 39, hier ist es!
Ich parke den Wagen etwas abseits, damit er mich nicht gleich sieht sobald er aus dem Fenster schaut oder aus dem Haus kommt.
Und jetzt heißt es warten..

Zwei Stunden später ist immer noch nichts passiert.
Was mache ich hier eigentlich?
Ich stalke heimlich meinen Lehrer, obwohl ich keine konkrete Ahnung habe, warum.
Wenn ich jetzt so über meine Aktion nachdenke, fühle ich mich schon etwas mies dabei.
Julien ist mir in keinster Weise Rechenschaft schuldig. Im Prinzip kann er tun und lassen was er möchte!
Und obwohl mir dieser Gedanke überhaupt nicht gefällt, beschließe ich trotzdem diesen Mist hier abzubrechen.
Während ich über mich selbst den Kopf schüttele, greife ich nach dem Gurt.
Doch genau in dem Moment, als ich mich anschnallen will, passiert etwas vor mir.
Und ich würde mir wünschen, das nie gesehen zu haben.
Vor dem großen Haus parkt nämlich gerade der Wagen von Julien.
Eigentlich nichts Ungewöhnliches.
Aber plötzlich öffnet sich auch die Beifahrertür!
Eine unglaublich gutaussehende, junge Frau steigt aus dem Auto und lacht über etwas, das Julien wohl gerade gesagt hat.
Sie ist groß, extrem schlank, hat lange schwarze Haare und sieht einfach nur wunderschön aus.
Sie konnte glatt ein Model sein..!
Aber vielleicht ist sie ja seine Schwester oder Cousine oder irgendeine Frau, aber bitte nicht seine Freundin oder sogar Ehefrau!
Julien öffnet den Kofferraum und holt einige Einkaufstaschen heraus.
Als ihm die Frau helfen möchte, lässt er sie keine der Tüten tragen.
Oh Gott, vielleicht ist sie ja schwanger!

Während mir ohne das ich es überhaupt merke, immer mehr Tränen über mein Gesicht kullern, beugt sich diese Schönheit zu ihm herüber und gibt ihm einen Kuss.
Auf den Mund.
Nein! Das darf doch nicht wahr sein! Bitte lass das bloß ein dummer Albtraum sein, bitte!
Julien grinst sie an und deutet ihr an, die Haustür zu öffnen.
Und dann sind beide im Haus verschwunden...

Ich kann gar nicht sagen, was ich im Moment fühle.
In mir herrscht ein riesiger Sturm.
Wut, Trauer, Demütigung, Verzweiflung, Hass, aber am meisten ein fast nicht auszuhaltender Schmerz in meinem Brustkorb.
Wie kann Julien nur so sein?!
Mir macht er schöne Augen, möchte unbedingt mit mir schlafen, dabei hat er zuhause eine Frau sitzen, die auf ihn wartet!
Jetzt verstehe ich auch, warum er so oft keine Zeit hatte und mich nie mit zu sich nehmen wollte.
Dieser miese ...

Ich kann nicht sagen, wie lange ich noch vor dem Haus stand, stumm in mich hinein geweint habe, bis ich mich auf raffen und zurück fahren konnte.
Es ist auf jeden Fall schon fast dunkel, als ich in der Einfahrt parke.
Ich sehe kaum noch etwas aus den Augen, frage mich woher ich so viele Tränen nehmen kann.
Völlig verheult schließe ich die Tür auf und lasse mich weinend auf den Fußboden im Flur sinken.
Ich hätte niemals gedacht, dass Julien zu dieser Sorte Mann gehören würde.
Hätte niemals gedacht, dass er ohne mit der Wimper zu zucken, einfach so mit einer Frau spielen würde. Eigentlich sogar mit zwei Frauen, denn ich bezweifle, dass sie etwas von mir weiß.

Eine gute Stunde später habe ich mich immer noch nicht beruhigt.
Aber da Resa mich nun schon zig mal versucht hat anzurufen, gehe ich dieses Mal dran.
"Na endlich! Hast du Männer Besuch oder warum ignorierst du schon seit einer Stunde meine Anrufe?!"
Sie klingt zwar Ernst, aber ich weiß, dass sie nur Spaß macht.
Als ich ihr antworten möchte, ihr sagen will das alles in Ordnung ist, kommt lediglich ein herzzerreißendes Schluchzen dabei heraus.
Verdammt! Aber was habe ich denn erwartet?!
"Du meine Güte! Wir sind in fünf Minuten bei dir! Bist du daheim?" fragt sie aufgeregt.
Nur mit Not bekomme ich ein leises Ja zustande.
"Rühr dich nicht vom Fleck!" dann hat sie auch schon aufgelegt.
Wenn sie sagt, wir sind gleich da, ist ganz sicher Luke bei ihr.
Dann ist jetzt wohl der Zeitpunkt gekommen, an dem ich ihnen die Wahrheit sagen muss...
Mühselig rappel ich mich hoch und öffne die Haustür ein Stück, damit sie reinkommen.
Ich schleife mich ins Wohnzimmer, lege mich in der Embryostellung auf die Couch und weine bitterlich weiter.
Warum zum Teufel tut das nur so verdammt weh?!

Kurz darauf höre ich schon, wie Resa herein gestürmt kommt, kurz erschrocken auf quiekt als sie mich sieht, dann aber blitzschnell bei mir ist und mich fest in den Arm nimmt.
Obwohl sie noch nicht weiß, was mit mir los ist, tröstet sie mich, wiegt mich wie ein Kind hin und her und wartet darauf, dass ich mich etwas beruhige.

Irgendwann ist mein Tränen Vorrat aufgebraucht.
Durch das viele weinen habe ich Schluckauf bekommen.
Von Luke habe ich noch nichts gehört. Ich denke, er lässt uns alleine damit wir reden können und sitzt in der Küche.

Ich setze mich auf und wische mir die Tränen aus dem Gesicht.
Resa schaut mich besorgt an, bittet mich stumm darum, ihr endlich zu sagen was passiert ist, und streichelt mir weiterhin beruhigend über den Rücken.
"Kannst.. Würdest du bitte Luke dazu holen? Ich möchte das nicht zweimal erzählen müssen."
Meine Stimme ich nur noch ein Flüstern und mein Mund fühlt sich völlig ausgetrocknet an.
Resa nickt und verschwindet in die Küche.

Als sie zurück kommt, hat sie nicht nur Luke, sondern auch eine Flasche Schnaps und drei Gläser in der Hand.
Oh ja, das kann ich jetzt gut gebrauchen!
Ohne etwas zu sagen, schenkt sie jedem ein und ich leere meinen Shot sofort.
Luke mustert mich besorgt, sagt aber nichts, sondern wartet darauf, genau wie Resa, das ich ihnen endlich erzähle was passiert ist.
Also gut. Raus mit der Wahrheit!

The Teacher who learns to love me  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt