2017: 7. Lasst mich raus aus dem Schwachsinn

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Kapitel vorbei. Buch zugeschlagen. Diese Leseprobe würde sicherlich reichen, dass sich eine vernünftige Person wie Professor Harald ein Bild der Lage machen kann. Somit schaute ich, freundlich lächelnd, über den Tisch. Als erstes viel mir auf dass, wenn ich es kanonisch zu der letzten Stunde ausdrücken darf, "das Weibsvolk sich verzogen hatte". Die beiden waren nicht zu sehen und vernehmen tat ich nur das gequälte Seufzen des Windes, welche um das Gebäude wehte. Unterdessen schien Harry noch immer in dem Geschriebenen gefangen zu sein. Er saß mit einem verträumten Lächeln am Tisch, hatte den rechten Ellbogen aufgestützt und gab mit dessen Zeigefinger einen Takt, den nur er hören konnte. Auf meine wiederholte Anfrage eines Gesprächs, da ich ja für ihn hier gewartet hatte - mein Gott, die Dunkelheit hatte die Außenwelt bereits verschlungen und ich würde morgen die Quartalsarbeit abgeben müssen - reagierte er nicht. Somit war die Situation für mich klar: Ich hatte meine Zeit mit einem lächlichen Scherz verbracht und unser Herr Musterschüler sitzt jetzt wohl vor einem Bildschirm und amüsiert sich prächtig. Den Assistentinnen war die Zeit wohl zu langwierig geworden und Harald wurde von dem Vater des Drahtziehers bezahlt. Ich verabschiedete mich und ließ das sinnfreie Buch auf dem Tisch zurück.

In dem Wirrwarr aus Gängen und Regalen war ich gerade erst um die erste Ecke gebogen, als Fey Arnwald und Ise Grimm sich doch blicken ließen. Erstere saß schluchzend in einer Ecke, während ihre Freundin sie zu trösten versuchte. Trotz ihrer offensichtlichen Trauer und Niedergeschlagenheit, hatte sie eine erstaunlich grimmige und kämpferische Miene aufgesetzt. Sie war angepannt, bereit, aufzuspringen. Ihre Arme hatte sie für möglichst geringe Angreifbarkeit angewinkelt und ihr Gesicht war von oben bis unten mit Kriegsbemalung versehen... nein, halt. Anscheinend ist ihr nur das Make-Up verlaufen. Was das einen Unterschied machen kann hätte ich nicht gedacht.

Ich verstand mich in gewisser Maßen in einer Rolle als Gentleman und somit setzte ich mich neben sie und fragte, was den passiert sei. "Er hat mich verraten und vergessen!", kam die Antwort. Natürlich wusste ich, als richtiger Frauenversteher, sofort, was los war, und beruhigte sie damit, dass er es sicher nicht so gemeint habe und die Statusänderung auf Facebook von "In einer Beziehung" auf "Keine Angaben" sicher nur ein Fehler gewesen wäre." Ihre Freundin sah mich böse an und ich wusste nicht warum. Doch das Klagen nahm kein Ende. "Nein, du Trottel. Theo! Meinen Theo! Er ist fort und ich werde ihn nie wieder sehen. Und was tut er als erstes? Mich mit irgendeiner Bauernhure ersetzten, die er dann auch noch nach mir benennt!" Ok, jetzt hatte ich es verstanden. Sie war die geborene Schauspielerin und steigerte sich in die Rolle. Aber zu ihrem Glück hatte ich die Situation durchschaut! "Hey, er hat dich nicht vergessen. Auch nicht ersetzt. Wenn du genau hinsiehst, dann merkst du, wie sehr du ihm fehlst. Er kann nicht ohne dich leben und das Mädchen, dass ihm die unmöglichen Aufgaben erfüllt, hat er nach dir benannt. Er vermisst dich, wie jemand der seine Hunde nach Ex-Freunden benennt." Jetzt hatte ich es, dessen war ich mir sicher. Sie sah mich hoffnungsvoll an und ihre Tränen schienen zu verschwinden. Die Schminke war trotzdem hinüber und würde einem Horror-Clown alle Ehre machen. Um es abzuschließen gab es nur noch eine Sache hinzuzufügen, dann würde all ihr Schmerz vergessen sein: "Außerdem würden nur 2.7% aller Beziehungen in deinem Alter Erfolg haben. Eure Chance wäre vernichtend klein und unersichtlich." Schneller als ich zucken konnte bekam ich eine Backpfeife von ihr und taumelte zurück. Sie begann sich wieder in die Situation zu steigern und schrie laut auf. Ich würde es aufklären müssen: "Und überhaupt. Das ist doch alles nur eine Geschichte in einem Buch um jemanden wie mich vorzuführen. Es hat überhaupt keinen Wahrheitsgehalt, mit all den Zeitreisen und so." Unerwartet und plötzlich stand Harald hinter mir und sagte: "Ach, kein Wahrheitsgehalt sagst du?"

"Ja, das habe ich gesagt. Denn ich bin nicht so blöd, wie Mister Ich-Bin-Schlauer-Als-Alle denkt." Harald lachte, Feys weinen endete wie auf Befehl. "Dann komm mal mit, ich habe dir etwas zu zeigen."

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