Sie hatte mir nicht gesagt, dass sie Hunger habe, aber dass eine Zeitreise dem Körper Energie kosten würde. Somit entschied ich, einige Toast zu rösten und gab ihr die Möglichkeit, von jenen zu essen. Dies tat sie auch, sodass ich sie anzustarren begann, während sie übermäßig lustlos - oder regenslos? - mit dem Messer ihr Essen zu bearbeiten begann.
Ich suchte nach Merkmalen, nach Kleinigkeiten, die mir bestätigten, dass diese Person wirklich meine Tochter aus der Zukunft sein sollte. Ich verglich sie mit allen möglichen Personen aus meiner Verwandtschaft und vielleicht übersah ich nur etwas wichtiges, aber ich erkannte keine Gemeinsamkeiten. Stattdessen erhaschte ich mich dabei, wie ich ihren Anblick förmlich abscannte, da ich jedes noch so kleine Detail erkennen wollte, dass es an ihr gab.
Sie bemerkte es. "Vater, wenn ihr euch unsicher seit oder euch etwas besorgt, dann sagt mir das einfach." Ich schwieg, denn es gab nichts, dass ich hätte fragen sollen.
Nach dem Essen setzte ich mich auf das Sofa und begann, die Katzen zu streicheln. Aither setzte sich mir gegenüber in einen Sessel und in der Stille bemerkte ich, dass es nun sie war, die mich anstarrte. "Weißt du, du kannst deinen Blick nicht von mir lassen und starrst mich jetzt an, also im Normalfall würde ich jetzt Vermutung über dein Interesse aufstellen, aber..." Ich vollendete meinen Satz nicht stattdessen senkte sie den Blick. "Es tut mir leid, ich habe nur das getan, was ihr eben auch getan habt, ich habe nach Parallelen gesucht. Nach Dingen, sie uns verbinden, die mir meine Abstammung bestätigen... Darf ich in eure Augen blicken? Man sagte mir immer, meine Augen sehen aus wie eure ausgesehen haben, bevor ihr diese..." Ich merkte, dass sie den Satz nicht beenden wollte und respektierte es, stattdessen setzte ich mich auf und sah in ihre Augen.
Ihre Augen trugen noch immer diese Kälte, diese fesselnde Kälte in sich und ich hätte Stunde mit dem Anblick verbringen können, wenn sie sich in dem Moment nicht umgedreht hätte. "Nein, eure Augen ähneln meinen nicht. Ihr tragt ein warmes Blau, ich habe nur diese beiden." Sie wirkte niedergeschlagen, aber zeigte es nur in einem ganz kurzen Schimmer, sonst rührte sie sich nicht.
Ich wollte das Thema wechseln, sie schien sich immer unwohler in ihrer Haut zu fühlen und so sah ich auf mein Handy. "Hey, gute Nachrichten. Professor Harald ist eben zurückgekehrt, was hälst du davon, wenn wir bei ihm vorbeischauen? Er ist ein bisschen paranoid und wahnsinnig, aber das nur im Bezug zu den Zeitreisen und wenn du wirklich meine Tochter aus der Zukunft bist, dann interessiert ihn das vielleicht und ich muss trotzdem noch einmal mit ihm sprechen."
Sie hatte meine Aussage nicht bestätigt, aber auch nicht abgelehnt. Sie hatte es einfach angenommen. Und so machten wir uns am späten Nachmittag doch auf den Weg zurück zur Uni. Dort fanden wir Harry in seinem Büro, es war alles normal und ruhig bei ihm. Und er lächelte, als er mich sah.
"Jay, wie schön dich zu sehen. Meinem alten Herz tut es gut, dass ich weiß, auf wen ich mich verlassen kann und auf wen nicht. Na, wer ist denn das dort neben dir?" Ich sah in Aithers Richtung. Sie machte keine Anstalten selbst zu sprechen sondern begnügte sich damit, leicht schräg hinter mir zu stehen. "Sie ist, ähhh, meine Cousine, sie ist zu Besuch." Ich hoffte, dass es wieder funktionieren würde. Vielleicht erkannte Harald ja einige Gemeinsamkeiten.
Misstrauisch sah er sie an und sie schaute zurück, ohne zu zucken. "Ja, deine Cousine... das sieht man. Ihr ähnelt euch, die großelterlichen Gene sind unverkennbar. Dann vertrau ich deiner Cousine einfach einmal... ich muss euch ja nichts verheimlichen, oder euch anlügen." Um diese klare Anspielung zu untermalen, lies er einen Moment vergehen, doch ich hielt daran fest, zumindest für den Anfang. "Jay, der Bekannte von mir hat mir einige Tipps gegeben zu dem Unbekannten, dem Geflügelten, der dir die Botschaft weggeschnappt hat. Er hat seine Spur verfolgt und herausgefunden, dass dieser scheinbar willkürlich in Orten auftaucht und Visionären wie uns Angst machen möchte. Doch das erstaunliche ist, dass außer einigen kleinen Versengungen noch keinem Menschen etwas passiert ist. Er scheint nicht auf Gewalt aus zu sein, sondern möchte nur verhindern, dass wir etwas wichtiges herausfinden. Jay! Das ist mein Lebenswerk! Ich habe all diese Informationen über Zeitanomalien zusammengestellt, um genau an einem solchen Punkt anzukommen!"
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Chronicles
Science FictionJay Dubelo lebt im Jahr 2017. Sein Leben ist das eines Studenten und er macht sich keine Gedanken über seine Zukunft und auch Vergangenes scheint ihm an Wichtigkeit verloren zu haben. Dies ändert sich, als er eines Tages ein rätselhaftes Buch findet...