Mit großen und entschlossenen Schritten trat ich aus der Ruine meines Familienhauses heraus. Syrio und Don hatten es sich auf einer rostigen Bank gemütlich gemacht und diskutierten eifrig, beendeten diesen Vorgang aber sogleich, als sie mich sahen. Von meiner steinernen Miene konnten sie keinen meiner Gedanken ablesen und als ich mich ihnen gegenüber positionierte, herrschte einen Moment Stille. Das einzige was keine Ruhe gab war ein anhaltendes Schmatzen, da Don, aus mir nicht ergründlichen Gründen, auf einem Grashalm kaute. Ich lächelte ihn an und tat einen Schritt in seine Richtung, griff nach dem Halm und ließ ihn zu Boden fallen. Seiner Empörung gebot ich mit einem tötlichen Augenkontakt Schweigen.
"Und, was hast du gefunden?" Syrio stellte die Frage mit wenig Hoffnung in der Stimme, aber er tat wenigstens so, als würde er das Beste vermuten. "Gar nichts. Einfach nur nichts." Don sprang sofort auf und trat neben mich. "Oh, Becky! Das heißt sie sind tot? Wir sind zu spät..." Er kassierte eine kraftvolle Schelle, die noch lange auf seinem Gesicht glühen würde und ich geiferte ihn an: "Sie sind nicht tot! Sie können nicht tot sein! Nicht einfach so! Es war niemand dort, also müssen sie überlebt haben. Sie müssen irgendwo hingegangen sein und genau dieser Ort wird es sein, zu dem wir als nächstes gehen." Ich wirbelte mit erhobener Hand herum und tippte energisch auf Syrios Brust. "Und du wirst uns zu der nächsten Siedlung bringen, es kann ja nicht sein, dass du der letzte Mensch auf Erden bist, wir wurden ja schon von anderen freundlich begrüßt, was in dem Absturz der Orion und dem Tod vieler Menschen gemündet ist. Nur suchen wir eben nach ein bisschen mehr Gastfreundschaft, richtig?" Syrio lächelte neckisch. "Ich glaube, ich kenne da genau den richtigen Ort und falls deine Familie noch lebt, dann werden wir sie dort finden."
Die Autos die in der Stadt herumstanden waren alle nur noch Schrott. Doch zu unserem Glück schien es als sei eine Gruppe Plünderer vor kurzem hier vorbeigekommen wäre. Zwischen einigen trockenen Farnen und unter einer Plane verdeckt befand sich ein umgebauter und restorierter Landrover. Mit geübten Griffen überbrückte Syrio die Steuerung und kurz darauf rauschten wir über die staubigen Straßen.
Scheinbar ziellos manövrierte sich unser Gefährt durch die Einöde, mal an einem verdorrten Baum rechts, an dem nächsten Trümmerhaufen wieder Links. Einige Male machten wir sogar kehrt und fuhren einige Kilometer zurück, nur um eine andere Abzweigung zu nehmen. Auf Dons sachte Anflüge von Verunsicherung gab Syrio nur immer zurück: "Es ist nicht so einfach unser Ziel zu finden." Für mich fühlte es sich eher an als könnte unser Ziel überall sein, aber ich blieb ruhig, da an meinem Inneren mehr uns mehr Zweifel nagten.
Ein anhaltendes Grummeln riss mich schließlich aus meinen Tagträumen. Ich schaute mich einen Moment um, bis ich bemerkte, dass es mein Magen gewesen war. Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich die letzten 59 Jahre im Kryoschlaf nichts gegessen hatte und nun hätte ich ein ganzes Pferd verdrücken können - trotz dass ich diese Tiere eigentlich mag! "Syrio, ich habe Hunger, du kannst uns doch sicher etwas beschaffen, oder?" Sofort fühlte ich mich schlecht, da ich ziemlich herrisch geklungen haben musste, aber er brachte das Auto bei nächster Gelegenheit zum stehen.
Er führte uns zu einem kleinen Bach und schöpfte ein wenig Wasser, dann sammelte er ein wenig von dem in Massen verfügbaren trockenem Glas und entzündete das Büschel mit seinem Feuerzeug. Ich erkannte dieses Feuerzeug, ich hatte es ihm geschenkt, als die Welt noch in Ordnung war. Auf ihm befand sich die verblichene Zeichnung einer Frau im Kimono um die sich friedlich ein Drache schlang. Einen kurzen Moment dachte ich an all die Schöne Zeit, die wir zusammen erlebt hatten und was Syrio schreckliches durchgemacht hatte, damit er uns wiedersehen konnte. Als ich mich wieder gefasst hatte, war das Wasser in einem eisernen Topf am köcheln.
Syrio zog einen 10cm langen Riegel aus seiner Tasche, der in Papier eingewickelt war. Er brach die grünliche Stange in drei gleich große Stücke und warf diese dann in das Wasser, welches sofort zu blubbern begann. "Im Ödland ist es nicht so einfach Essen zu finden. Der Boden ist verseucht und alles was auf ihm wächst schadet dem, der es verzerrt. Die Tiere sind entweder zu scheu oder zu gefährlich, wie die hier anzutreffenden Großkatzen, Riesendachse und dem Mauernblumenwisent - ja vorallem dem Mauernblumenwisent! - und dazu ebenfalls durch Strahlung belastet. Diese Riegel trägt somit jeder, der überleben möchte, mit sich. Sie bestehen aus gepressten Algen, einer Art, die sich erst gegen die Strahlung und dann auch gegen ihre Konkurrenten durchgesetzt hat. Sie absorbiert keinerlei Schadstoffe, dafür können Kolonien ihre Masse an einem Tag verdoppeln. Zusätzlich sind sie reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Proteinen. Sie bilden die perfekte Nahrung." Ich fischte mir aus dem Topf einen Klumpen der Pflanzen und biss auf etwas, das wie ein altes, bitteres Eucalyptuskaubonbon schmeckte. "Leider schmeckt es nicht sonderlich gut. Deshalb trage ich Würzungsmittel mit mir." Syrio zog eine kleine Dose aus seiner Tasche und lächelte mich süffisant an. Ich schleuderte ihm das Grünzeug ins Gesicht.

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Chronicles
Ciencia FicciónJay Dubelo lebt im Jahr 2017. Sein Leben ist das eines Studenten und er macht sich keine Gedanken über seine Zukunft und auch Vergangenes scheint ihm an Wichtigkeit verloren zu haben. Dies ändert sich, als er eines Tages ein rätselhaftes Buch findet...