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Song: Drop in the Ocean by Ron Pope

Im Schneidersitz sitzen wir auf dem Boden seiner Wohnung, rauchen und spielen Karten. Abgesehen von einer miefenden Matratze, einem alten Sessel und einem Regal hat er noch keine Möbel. Aus meinen Handyboxen laufen Songs von Eminem, zu welchen er sachte auf den Boden trommelt. "Musst du morgen nicht in die Schule?"
"Ich werd' wohl früher aufstehen müssen und noch kurz bei mir vorbeigehen, um mein Zeug zu holen. Ich kann aber jetzt auch noch nach Hause gehen, wenn dir das lieber ist."
"Oh Gott, Nein!", wird er etwas rot, da er eindeutig zu laut geantwortet hat. „Ich will, dass du hier bist. Wie viel Uhr müsstest du denn so etwa raus?", fragt er und zieht wieder eine Karte vom Stapel. "So um Sechs etwa."
"Och Fuck.", stöhnt er und lässt sich auf den alten Teppichboden zurückfallen, sodass er mit durchgestrecktem Rücken daliegt. "Du musst nicht mit aufstehen.", grinse ich, rutsche zu ihm rüber und lege mich direkt neben ihn, weshalb wir nun beide an die vergilbte Decke starren. An ihr hängt nur eine einzelne Glühbirne, kein Lampenschirm. Sachte nimmt er meine Hand. "Ich will mich aber doch verabschieden. Schließlich sehen wir uns erst wieder am Sonntag."
"Bist du eigentlich irgendwie zu erreichen?"
"Klar, aller Zeit.", grinst er und zieht ein uraltes Nokia Tastenhandy aus seiner Hosentasche, welches beinahe droht auseinander zufallen. Wieder fühle ich mich schlecht wegen meinem I-Phone und den weißen Nikes. Die Welt ist viel zu ungerecht. Arm und Reich sollte es gar nicht geben. "Lukas?"
"Hm?"

"Bemitleide mich bitte niemals. Ich hab's in deinen Augen gesehen. Ich will nicht bemuttert werden." Er spricht unglaublich leise, fast ist es nur ein Flüstern, dreht den Kopf zu meiner Seite und beißt sich auf die spröden, lila Lippen. Auch ich drehe den Kopf und schon küsst er mich. "Tut mir leid."
"Das muss dir nicht leid tun. Es ist nur... ach man.", schnell setzter sich wieder auf, "Ich will einfach nicht mehr bemitleidet werden. Ich will mir selbst ein Leben aufbauen. Ich will nicht mehr ausgestoßen werden. Es ist so verdammt deprimierend, wenn jeder dich ansieht, als müsse er dir irgendwie helfen. Auf irgendeine Weise werde ich mein Leben schon selbst wieder in den Griff bekommen. Ich kann das. Ich will das alleine schaffen."
Viel zu gerne würde ich ihm wiedersprechen. Schließlich muss er das nicht alleine packen, aber was würde es denn bringen, so etwas jetzt zu sagen? Er würde sich nur noch kleiner fühlen.

Aneinandergekuschelt liegen wir auf seiner Matratze. Es ist schon tief in der Nacht, jedoch fühle ich mich, als hätte ich sämtliches Zeitgefühl komplett verloren. Was war das hier eigentlich? Was waren wir?
"Glaubst du an Schicksal?", fragt er auf einmal müde, als würde ergleich einschlafen. "Eigentlich nicht. Ich denke Dinge passieren, weil sie nun einmal passieren sollen. Da ist keine höhere Kraft, die irgendwas vorbestimmt, als seien wir nur leere Marionetten. Alles kommt nun einmal, wie es kommt."
"Du sagst das, als sei es etwas Schlechtes. Vielleicht sollte ich dich treffen. Vielleicht will das Universum oder Gott oder was auch immer, dass wir uns gegenseitig aus der Scheiße ziehen. Irgendwann Lukas, da rette ich dich zurück."

Grummelnd wache ich neben einem warmen Körper auf. Verschlafen drehe ich mich zu Jarn, welcher mich müde angrinst. Es ist noch dunkel, doch ich kann genau seine Züge erkennen, die geschwungene Nase, die starken Wangenknochen. Auch mein Gesicht strahlt sofort,als ich ihn sehe. "Morgen.", murmelt er und gibt mir einen leichten Kuss auf die Nase. Es kitzelt leicht. "Scheiße! Wie viel Uhr ist es?!", schrecke ich schnell hoch und schaue auf mein Handy.
07:13

"Oh fuck ich muss los!", fluche ich, stehe auf, ziehe meine Jeans an und packe meinen Kram zusammen. "Wieso denn so hektisch?", grummelt er und kuschelt sich wieder in die Decke ein. Sein dunkelblaues T-Shirt ist etwas hochgerutscht,doch ich habe jetzt keine Zeit, wirklich darauf zu achten. "In 'ner halben Stunde fängt der Unterricht an!", binde ich rasch meine Schuhe. Etwas genervt aussehend setzt er sich auf und reibt sich die Augen. Das T-Shirt lässt sich wieder über seinen Bauch fallen. Ein Morgenmensch ist er wohl nicht gerade.

Benommen steht er auf und nimmt mich in die Arme. "Viel Spaß Kleiner.", murmelt er in meine Jacke hinein. "Ich bin größer als du."
"Aber jünger, das zählt wie kleiner."
"Tschüss du Idiot.", schmunzle ich und küsse ihn kurz, bevor ich aus der Wohnung hetze.

"Hast du eine Erklärung dafür, warum du zu spät bist?", schaut mich Frau Baumann ernst an. Ich habe weder Zähne geputzt, noch sonst irgendwas. Ich bin einfach nach Hause, habe meine Sachen geholt und dann direkt zur Schule. "Ich hab'verschlafen, tut mir leid."
"Na wenigstens bist du ehrlich."
Etwas beschämt trotte ich zu meinem Platz, auf dem ich gleich mit Fragen bombardiert werde. Glücklicherweise komme ich sonst nie zu spät. "Was ist denn mit dir passiert?", sieht Nicole mich misstrauisch an. Die weißblonden Haare trägt sie in zwei Zöpfen. "Ich hab' bei Jarn geschlafen."
"Was?", reißt sie die Augen auf, "Ist... Ist denn was gelaufen?"
"Nein natürlich nicht. Wir haben einfach nur geredet und lagen die ganze Nacht bloß in seinem Bett."
"Also hat er diese Wohnung bekommen?" Ich nicke. "Und habt ihr euch geküsst oder irgendwie über den Kuss geredet?" Wieder ein Nicken. "Und seid ihr jetzt zusammen oder so?"
"Keine Ahnung, ich denke schon, vielleicht. Es war alles irgendwie surreal."

Den gesamten restlichen Tag löchert Nici mich weiterhin mit Fragen, auf die ich häufig keine Antwort finde. Schon wieder taucht diese Unsicherheit auf. Was sind wir?
"Ruf ihn doch an. Du hast doch jetzt seine Nummer. Wenn du noch bis nächsten Sonntag wartest, macht dich das noch verrückt. Sorry, aber ich kann mir deine verliebt-nervöse Seite wirklich nicht so lange geben."
"Meinst du nicht, dass das irgendwie zu unpersönlich ist? Ich meine, man kann ja nicht einmal den Gesichtsausdruck des anderen sehen." Kurz sieht sie mich nachdenklich an. "Frag doch, ob ihr euch irgendwo treffen könnt. Er wird ja wohl tagsüber nicht besonders viel zu tun haben."
Unsere Wege trennen sich nun, da sie zur U-Bahnstation hinunter muss. "Das wird schon Lu.", lächelt sie und umarmt mich noch schnell. "Du und dein Romeo findet noch euer Happy End."

My homeless Romeo [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt