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Song: Unser Platz by Prinz Pi

Schon die ganze Zeit halte ich nach Jarn Ausschau. Hoffentlich ist er heute wieder da. "Wieso so aufgeregt Lu?", grinst Nicole, die gerade die Theke abwischt und schiebt sich eine helle Haarsträhne hinter ihr Ohr. "Gleich gibt's kein Essen mehr. Er muss doch noch kommen.", sage ich etwas verzweifelt. Nervös streife ich den einen Fuß am anderen ab. Die ganze letzte Woche musste ich andauernd an ihn denken. Vielleicht war ihm ja etwas zugestoßen.
"Wahrscheinlich ist ihm einfach was dazwischengekommen.", versucht sie mich zu beruhigen, doch genau in diesem Moment kommt er durch die Tür gelaufen. Er trägt eine Mütze und hat sich wohl schon ewig nicht mehr rasiert. Sonst sieht er genauso aus wie letzte Woche. Mein Herz machte einen kleinen Sprung, als er mich anlächelt. "Romeo ist ja doch noch gekommen."
"Wie hast du mich gerade genannt?", zieht er die rechte Braue hoch, als er vor uns beiden steht. "Ich... Ähm, ich hab nicht von dir geredet.", wird sie rot und schöpft ihm die Nudeln auf den Teller, während er sie mit diesem "Ist-klar"-Blick ansieht. "Isst du mit mir Julia?", sieht er mich verschmitzt an, worauf ich es bin, der rot wird. Nun kann sich Nici ein Lächeln nicht verkneifen, Julia.

"Ist sie deine Freundin oder so?"
"Was? Nicole? Nein.", muss ich grinsen, "Wir sind schon Freunde seit wir Kinder sind. Ihr Dad hat sie hierzu verdonnert, weil sie Scheiße angestellt hat. Sie hat mich damals angebettelt mitzukommen, aber inzwischen macht es uns beiden echt Spaß." Sie weiß wirklich alles über mich. Immer weiß sie, was sie sagen muss.
Grinsend mustert er mich, während ich von Nicole und unserer Freundschaft erzähle.
"Ist irgendwas?", unterbreche ich mich selbst, als er auf seiner Unterlippe kaut. Er wirkt nicht ganz bei der Sache, als sei sein Kopf ganz wo anders. "Nein, du siehst nur so schön aus, wenn du sprichst."

Ich stocke. Hat er das gerade wirklich gesagt? Vielleicht mag ich Jarn ja doch ein bisschen mehr als ich sollte. Mein Herz rast, wieder werde ich nervös, ich weiß nicht, was ich sagen soll. "D-danke. D-du siehst auch schön aus." Das tut er wirklich, trotz des ungepflegten Äußeren. "Du bist so nett zu mir Lukas.", strahlen seine Augen mich an und er nimmt meine Hand, welche die ganze Zeit schon auf dem Tisch lag. "Weißt du, die meisten Menschen gehen einfach an mir vorbei, wenn sie mich sehen oder sie schauen mich an, als sei ich ein Stück Dreck. Ich hab' es so satt Dreck zu sein."
"Du... du bist kein Dreck Jarn." Kurz muss er sachte grinsen. Dieses Grinsen, welches man aufsetzt, wenn eine Person eine nette Geste macht, sie jedoch vergeblich nichts bringt.
"Darf ich dich um was bitten Lukas?"
"Klar, um was denn?", schlucke ich schwer. "Kommst du mit mir mit, wenn du hier fertig bist?"
"Gerne.", lächle ich unsicher, "Ich muss nur noch helfen, sauber zu machen."

"Du bist verknahallt.", singt Nicole vor sich hin, während wir aufstuhlen. "Du kannst sowas nicht vor mir verstecken. Ich merk' das sofort. Weißt du noch bei diesem Dennis, da..."
"Das ist doch was ganz anderes jetzt.", unterbreche ich sie, "Dennis hat mich nicht mal beachtet."
Jarn wartet draußen vor dem Eingang auf mich, deshalb will ich mich besonders beeilen.
"Und außerdem bin ich nicht 'verknallt'. Ich mag ihn einfach nur. Er ist nett."
"Ist klar Lukas. Na hau schon ab zu deinem Romeo. Wir können den Rest hier auch noch alleine machen."
"Du bist die Beste.", grinse ich, drücke ihr einen Kuss auf die Wange und hole eilig meine Jacke und meinen Rucksack.

Es ist eisig kalt draußen. Jarn scheint die Kälte so gut wie nichts auszumachen. Er ist sie schließlich auch gewöhnt. Zwischen seinen Zähnen klemmt eine Zigarette, die Hände hat er tief in seinen Taschen vergraben. Er sieht dabei unglaublich scharf aus. "Und was wolltest du mir jetzt zeigen?", frage ich neugierig, worauf er mir mit einem Kopfnicken nach links symbolisiert ihm zu folgen.

Wir reden kaum, während wir nebeneinander herlaufen. Es ist irgendwie beruhigend. Ich kann seinen Atem hören. "Erzähl' mir etwas über dich, drei Dinge, die ich noch nicht weiß.", lächelt er mich an. "Ähm, ich... liebe Musik, ich stehe unglaublich auf Independent Filme und wenn ich einmal angefangen habe, über ein Thema nachzudenken, kann ich einfach nicht mehr damit aufhören. Ich komme nie zu einem wirklichen Ergebnis. Jetzt du, drei Dinge."
"Ich liebe es nachts am Rheinstrand zu sitzen, ich bin jetzt seit drei Monaten auf der Straße und ich bin wohl der einzige Mensch auf der Welt, der Pizza abscheulich findet."
"Wie kannst du nur Pizza nicht mögen?!", schrecke ich gestellt schockiert auf und muss dabei sogar etwas lachen. "Es ist so fettig und es ist immer viel zu viel Käse darauf, fürchterlich."
„Das liegt dann nur daran, dass du noch nie eine wirklich gute Pizza gegessen hast."
„Ach ja wirklich? 'Kann mir kaum vorstellen, dass dieses Teigding gut schmecken kann.", zieht er schmunzelnd an seiner Kippe und sieht zu mir runter. „Ich kenn' den besten Pizzaladen der Stadt. Irgendwann lad' ich dich dahin ein."
„Uh, ein Date also.", grinst er. Ich werde etwas rot, doch ich mag seine sarkastisch ironische Art.

Wir laufen in Richtung Rhein. "Wie alt bist du eigentlich?", frage ich ihn neugierig. Er grinst; entweder über die Frage oder, da er gemerkt hat, dass ich ihn schon die ganze Zeit anstarre.
"Körperlich oder geistig?"
"Beides."
"Also laut meiner Geburtsurkunde werde ich im Januar Zwanzig. Mein Geist pendelt jedoch zwischen Neun und Sechzig."
"Wie meinst du das denn jetzt?", muss ich wieder etwas nervös lachen. "Naja, ich kann mich unglaublich über ein Eis freuen und im nächsten Moment philosophiere ich über meine Existenz und die aller anderen."

Auf einmal bleibt er stehen, wodurch ich fast in ihn hinein laufe. Tief atmet er die Kälte Luft ein, genießt den Moment richtig. "Wir sind da."
Direkt vor uns befindet sich der Rhein. Es ist ein stilles Plätzchen am Kiesstrand, sogar noch ein bisschen im Gebüsch verborgen. Mehrere Baumstämme sind dort wie Stühle aufgebaut.
"Der beste Ort in ganz Köln.", lässt Jarn sich auf einen von ihnen fallen. "Es... Es ist wirklich wundervoll.", sage ich beeindruckt und setze mich neben ihn, während gerade ein Frachtschiff vorbeifährt. "Danke.", nimmt er strahlend meine Hand in seine. Diese fängt merkwürdig an zu kribbeln, doch ich will sie nicht wegnehmen. "Wofür?"
"Dass es dir gefällt."

My homeless Romeo [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt