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Es klopft. Es passiert kurz nichts, doch dann klopft es ein zweites Mal, nun lauter. Blinzelnd öffne ich die Augen und kneife sie noch einmal fest zusammen. Meine Stirn pocht. „Ich komm' jetzt rein! Falls ihr nackt seid, bedeckt euch!", dröhnt dumpf eine Stimme durch die geschlossene Tür. Erst kann ich sie nicht zuordnen, doch sie gehört meiner Schwester. Mit schmerzendem Rücken setze ich mich auf, ziehe die Nase hoch und kratze mich im Nacken. Ich habe immer noch meine Jeans und den Pulli an, muss wohl gestern eingeschlafen sein. Meine Augen sind klebrig und verheult. Sicher habe ich schrecklichen Mundgeruch. Die Tür öffnet sich vorsichtig, nachdem ich nicht geantwortet habe.
„Wo ist denn Jarn?", sieht Aurelia sich verdutzt im Zimmer um, „Und was ist denn bitte mit dir passiert?"
„Ich weiß nicht, wo er ist." Meine Stimme klingt rau, heiser und ungewohnt. Schnell sehe ich auf mein Handy. Dutzende Nachrichten, aber keine von ihm. Nicole schreibt:
>Ist alles okay bei dir? Soll ich nachher vorbeikommen?<

„Hast du geweint?", setzt sich Relia mit besorgtem Blick neben mich aufs Bett. „Nein, ich..." Ich will vor meiner kleinen Schwester nicht zugeben, dass ich weinen musste. Auch wenn ich weiß, dass mir so etwas eigentlich nicht peinlich sein sollte. „Ich schätze, ich hab' einfach ein bisschen zu viel getrunken gestern."
„Kommst du dann? Mama und Papa warten schon mit dem Neujahrsfrühstück." Noch immer sieht sie besorgt aus. „Ja, ich bin gleich da."

Nachdem Aurelia aus meinem Zimmer verschwunden ist, lasse ich mich wieder auf das Bett fallen und starre an die weiße Decke. Es scheint, als würde sie zurückstarren. Ich bin abgrundtief traurig, doch fühle Nichts zugleich. Ich möchte nicht aufstehen, mein ganzer Körper wehrt sich dagegen und ich fühle mich, als hätte ich keine Sekunde geschlafen. Ich atme schwer und spüre, wie wieder eine einzelne Träne den Weg über meine Wange hinunterläuft. Ganz leise und sachte klopft es wieder an der angelehnten Tür. Meine Mutter steht im Türrahmen. „Schatz, ist alles in Ordnung?", fragt nun sie voller Sorge in der Stimme. Ich antworte nicht und sie setzt sich neben mich auf mein Bett, streicht liebevoll meinen Arm. „Hat Relia dich geschickt?"
„Sie meinte, dir geht es nicht gut. Ist was mit Jarn passiert?" Ich nicke und wieder kommen mir Tränen in die Augen. „Willst du darüber reden?" Sie spricht ganz leise und vorsichtig. „Das kann ich nicht."
„Du kannst mit uns über alles reden. Wir werden dich nicht verurteilen.", lächelt sie. Ich kann das ihnen nicht erzählen. Sie werden Jarn sicher hassen und sagen, dass er nicht gut für mich sei. Vielleicht stimmt das aber auch. Leise schweige ich, weiß nicht, was ich sagen soll. Ich lege den Kopf auf den Schoß meiner Mutter, worauf sie mir durchs Haar streicht. Sie scheint zu verstehen, dass ich gerade einfach nicht reden möchte.

Lange hält sie mich im Arm, bis meine Augenlider wieder schwerer, mein Atem ruhiger wird und ich wieder einschlafe. Es ist ein traumloser Schlaf und wenn doch, dann kann ich mich nicht an ihn erinnern.

Dieses Mal zwar sehr kurz, aber ich fand es so passend. Kommentare würden mich übrigens sehr freuen :)

My homeless Romeo [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt