Song: Take me to Church by Hozier
Die ganze Nacht kann ich nicht schlafen. Was, wenn ihm wirklich was passiert ist? Mehrere Male habe ich versucht ihn anzurufen, doch was hätte ich denn sagen sollen, wäre er drangegangen? Soll ich mir Vorwürfe machen? Denn ich mache mir welche, weiß nur nicht warum.
Viel zu früh muss ich aufstehen, denn es ist der zweite Weihnachtsfeiertag und wie an jedem 26. Dezember besuchen wir die Eltern meiner Mutter.
„Is' alles okay bei dir?", sieht Relia mich im Auto besorgt an. Bis in die Pfalz müssen wir fahren. „Seh' ich wirklich so fertig aus?", frage ich, denn meine Schwester stellte nie solche Fragen. „Naja, glücklich ist was Anderes."
„Jarn hat gestern bei Marius gekifft.", antworte ich möglichst leise, damit es meine Eltern nicht bemerken, die sich gerade über die Knie-OP meiner Großmutter unterhalten. „Na und?"
„Er... Er hatte mal ziemliche Drogenprobleme und ich hab' einfach Angst um ihn. Dann hat er nur gesagt, dass ich ihn nicht abfucken soll.", seufze ich. „Vielleicht hat er in dem Moment nur zickig reagiert. Rede da nochmal richtig mit ihm wenn er nüchtern ist.", sagt sie ganz verständnisvoll, so kenne ich siegar nicht, „Natürlich war er in dem Moment dann genervt. Wäre doch jeder gewesen."Müde lehne ich mich ans Fenster, fast nicke ich ein, während „Home sweet Hole" von Bring me the Horizon durch meine Kopfhörer mein Hirn erreicht, als mir ein Gedanke kommt:
„Was soll ich eigentlich sagen, wenn Oma schon wieder fragt, wann ich endlich'ne Freundin hab?", denn jedes Mal, wenn wir die Eltern meiner Mutter besuchen, wird sie das wieder wissen wollen. Unmerklich muss diese auf dem Fahrersitz seufzen. „Ich will sie nicht anlügen. Ich schäme mich schließlich nicht."
„Wieso wäre es denn 'ne Lüge, wenn du sagst, dass du keine Freundin hast, stimmt doch.", schiebt sich Relia gerade einen Keks rein.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das so gut wäre, wenn du es ihnen sagst. Du weißt doch, wie sie sind.", sieht meine Mutter kurz zu mir in den Rückspiegel, um mich sanft anzulächeln, bevor ihre Augen sich wieder dem Straßenverkehr zuwenden. „Soll ich dann etwa die nächsten dreißig Jahre lügen oder was?"
„Ach, so lange packen das die Alten bestimmt nicht mehr.", macht mein Vater wieder einen seiner Witze, billig, schwarz und vom Tod handelnd, die er immermacht, wenn es um seine Schwiegereltern geht und wie immer lacht keiner.Gegen zwölf Uhr kommen wir in Bad-Kreuznach an, „pünktlich zum Mittagessen." Wahrscheinlich ist in der Welt der Senioren auch achtzehn Uhr die tiefste Nacht. „Ich steh dir bei, falls du es ihnen sagst.", lächelt Relia mich von unten herauf aufmunternd an (wenn man es nur nach unseren Größen beurteilen würde, würde wirklich keiner glauben, wir wären Geschwister), kurz nachdem unsere Mutter an dem hellgelben Hausgeklingelt hat. „Du packst das schon."
Etwas aufgeregt streife ich wie so oft den einen am anderen Fuß ab. Ich muss mir das dringend abgewöhnen. In dem Moment, in dem ich versuche mir den dadurch verdrecken Schuh sauer zu reiben, öffnet die 71 jährige, kleine Frau die dunkelbraune Tür. Ihre Haare sind grauer geworden seitdem ich sie das letzteMal gesehen habe, doch das Lächeln hat sie nicht verloren.
Auch wenn sie und mein Großvater unglaublich konservativ sind, höflich waren sie immer. „Kommt doch rein. Das Essen steht schon auf dem Tisch.", öffnet sie die Tür noch ein weiteres Stück und umarmt dabei meine Mutter. Uns andere nahm sie nie in den Arm, erst recht nicht unseren Vater. In dem Moment, in welchem wir in ihren Augen keine Kinder mehr waren, hat sie es uns erklärt: „Einer altenDame fällt man nicht so um den Hals. Das dürfen nur ihre Kinder."Wie üblich ziehen wir unsere Schuhe aus und betreten das Wohnzimmer und ebenfalls wie jedes Mal sitzt mein Großvater am bereits am gedeckten Tischende. „Hallo Junge.", sagt er freudig, da ich der erste im Raum bin. „Hallo. Frohe Weihnachten."
„Bist du schon wieder gewachsen?", verzieht er fragend die Brauen. „Ja kann sein, ein bisschen vielleicht." Hier weiß ich nie so recht, was ich sagen soll, weshalb ich die meiste Zeit meinen Mund halte. „Das ist gut. Da kannst du den Damen besser den Hof machen." Ich mache nur ein Geräusch, was in etwa kling wie „Hmf." klingt, lächele verbissen und setze mich hin.Das halbe Essen lang starre ich an die Kuckucksuhr an der Wand mir gegenüber. Natürlich haben wir zuvor gebetet. Relia, welche neben mir sitzt, stupst mich ab und zu ermunternd von der Seite an. Es geht um Rente, das Auto der neuen Nachbarn, Geld, das „Versagen" meines Vaters, Geld, die neusten Gerüchte und natürlich Geld.
Gerade, als ich mir Salat nachschöpfen will, fragt meine Großmutter die sich immer wiederholende Frage: „Sag mal Lukas, hast du inzwischen mal eine Freundin? So langsam bist du doch in dem Alter." Meine Mutter verkrampft sich etwas auf ihrem Stuhl. „Nein.", antworte ich knapp. Wahrscheinlich wollen sie, dass ich heirate und fünf Kinder bekomme, noch bevor ich Dreißig bin. „Wieso denn nicht? Du bist doch so ein hübscher, netter Junge." Panisch sehen meine Eltern mich an. „Ich habe einen Freund."
Erwartend sehen die Eltern meiner Mutter mich an, als sei ich noch nicht fertig mit meiner Erklärung, doch ich sage nichts, nehme nur meine Gabel mit Salat in den Mund.
„Na und? Jeder hat doch Freunde. Besonders in deinem Alter. Das muss dich doch nicht von einer Beziehung abhalten."
„Nein, das meine ich nicht. Ich habe einen festen Freund. Sein Name ist Jarn und wir sind zusammen."
Kurz sagt niemand etwas. Ich halte meinen Kopf gesenkt, wage es nicht, ihn anzuheben. Relia nimmt unter dem Tisch sachte meine Hand.
„Was?!", schreit meine Großmutter schon fast, lässt ihre Gabel fallen, jedoch ist es nicht an mich gerichtet, sondern an meine Mutter. „Wie... Wie kannst du so etwas nur zulassen?" Vorsichtig sehe ich wieder auf. Mein Großvater blickt nur monoton an die Wand. „Ich kann meinem Sohn doch nicht vorschreiben, wen er zu lieben hat.", sieht meine Mutter sie verdattert an, selbst sprachlos. „Natürlich kannst du das Utta! Das ist unnormal. Nein, nein, das ist alles deine Schuld!", zeigt sie nun auf meinen Vater, „Du hast ihm nicht beigebracht, wie man ein richtiger Mann ist. Ich habe dir schon immer gesagt, du gehst zu lasch mit dem Jungen um. Jetzt hast du ihn zur Schwuchtel gemacht!"
„Was redest du da bitte?! Du tust ja so, als hätte er jemanden umgebracht. Es ist normal verdammt, er ist normal! Es ist vollkommen in Ordnung, dass er schwul ist!", steht meine Mutter auf einmal auf. Ich habe das Gefühl, immer kleiner zu werden, mit jedem Wort, das sie sich zubrüllen. Auch meine Großmutter erhebt sich, der Tisch wackelt etwas. „Das sind nicht die Werte, die wir dir beigebacht haben!"
„Ja, weil eure Werte komplett beschissen sind!"
„So redest du nicht mit uns!"
Verzweifelt blicke ich zu meinem Vater. „Mach doch bitte was.", schreien meine Augen ihn quasi an, doch auch er sieht vollkommen hilflos aus.Hört ihr euch eigentlich die Songs an? :)
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My homeless Romeo [BoyxBoy]
Novela Juvenil"Vielleicht stehst du dir einfach selbst im Weg.", flüstere ich leise, worauf er kurz lachen muss. "Aus dir kann noch was werden. Du musst nur an dich glauben." "Sagst du das zu jedem komischen Penner, den du küsst?", lächelt er verschmitzt. "Nur zu...