Song: Keep Holding on by Avril Lavigne
Schweigend sitzen wir uns am kleinen Tisch gegenüber, beide mit den dampfenden Teetassen in den Händen. „Und seit wann nimmst du das Methadon?", breche ich die Stille auf einmal. Meine Stimme hört sich rau und kratzig an, ganz ungewohnt. „Vierzehn Monate. Ich setze es aber vergleichsweise recht schnell ab, deswegen brauche ich vielleicht noch ein halbes Jahr, bis ich komplett davon runter bin."
„Und was passiert dann, also wenn du keins mehr nimmst?"
„Es... Es treten Entzugserscheinungen auf, genau wie bei einem kalten Entzug. Ich hab' nur gehört, dass es viel schlimmer sein soll.", er schluckt nervös seinen Kräutertee hinunter, sieht danach seufzend auf seine gefalteten Hände. Die Fingernägel sind ein wenig dreckig. Man merkt genau, dass er unfassbare Angst davor hat. Vorsichtig greife ich nach seinen großen Pranken und schließe sie schützend in meine Hände. „Ich werde für dich da sein, wenn du soweit bist."
„Nein.", schüttelt er den Kopf, lehnt sich im Stuhl zurück und entzieht sich mir. „Nein?"
„Ich will nicht, dass du mich so siehst. Du... du weißt nicht, wie schlimm sowas ist. Das würde dich zu sehr mitnehmen. Das kann ich nicht verantworten."
„Das ist immer noch meine Entscheidung."
Er starrt mich an, sagt nichts, atmet sichtbar tief und schwer. „Das", er stockt kurz, scheint zu überlegen, was er sagen soll, „können wir ja besprechen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist." Ich muss leicht lächeln, kann nicht anders. „Du wirst schon sehen. Es wird sich schon noch alles zum Gutenwenden."
„Apropos gut werden: ich habe dir das ja noch gar nicht erzählt. Am Sechzehnten hab' ich 'nen Termin beim Arbeitsamt.", grinst er, sichtlich froh, das Thema wechseln zu können. Mir ist schon öfters aufgefallen, dass er nicht gerne überseine Drogenzeit redet, denn ich weiß kaum etwas davon, kann mir nur Dinge erdenken. „Gut, freut mich."
„Heute Morgen hab' ich angerufen. Irgendwie war ich total aufgeregt."
„Wieso das?" Es ist schön, ihn auf einmal wieder glücklich zu sehen, obwohl mich dieses ungute Gefühl, kaum etwas über seine Vergangenheit, besonders über die „anderen Wege" wie er sein Geld verdient hatte, zu wissen nicht gänzlich verlässt.
„Ich weiß nicht, ich fühl mich auf einmal so erwachsen."Wir reden noch lange, dort am Küchentisch mit den zwei Teetassen. Es ist schon fast halb Drei, als wir uns ins Bett legen. Heute ist viel zu viel passiert. Ich bin in die Pfalz gefahren, habe mich vor meinen Großeltern geoutet, nicht gerade erfolgreich, mich wieder mit Jarn vertragen, mein erstes Mal gehabt und herausgefunden, dass er doch nicht vollkommen clean ist.
„An was denkst du?", fragt er flüsternd und küsst leicht meinen Hals. „An Heute."
„Ja, das war wirklich viel. Aber es war doch nicht alles schlecht, oder?", grinst er schelmisch und küsst die Stelle erneut. „Nein, das nicht." Er legt seinen Kopf auf meiner Brust ab, lauscht meinem Herzschlag. Eigentlich wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um diese Sache mit dem Geldverdienen anzusprechen, doch er hat heute schon genug durchgemacht.„Ich muss mir noch den Wecker stellen.", versuche ich nach meinem Handy zu greifen, ohne ihn dabei zu stören. „Oh nein.", schmollt er und greift nach meinem Ärmel, „Scheiß doch auf die Suppenküche."
„Nein, ich scheiß nicht auf die Suppenküche. Die brauchen mich dort und außerdem hätten wir uns ohne sie nie kennengelernt."
„Wohl wahr."
Als ich auf meinen Handybildschirm sehe, entdecke ich eine Nachricht von Nicole:
>Geht das mit Silvester klar? Jakob hat nochmal nachgefragt, ob wir kommen.<„Hast du an Silvester schon was vor?", drehe ich meinen Kopf zu Jarn. Ich bin mir noch immer unsicher, ob es so eine gute Idee sei, zu Jakob zu gehen. „Ich wollte vormittags in der Fußgängerzone noch spielen. Da sind immer ziemlich viele Leute noch unterwegs. Wieso fragst du?"
„So einer aus der Elften feiert bei sich 'ne Party und Nici will unbedingt, dass wir mitkommen."
„Ich soll da mit?", zieht er die linke Braue hoch. „Klar, wieso nicht? Du bist doch mein Freund."
„Ja, aber... Ich weiß nicht."
„Was weißt du nicht?"
„Naja, ich... ich denke, mir wäre das vielleicht ein wenig unangenehm. Ich zieh'bei Partys häufig die Stimmung runter. Du hättest ohne mich sicher mehr Spaß. Dann kannst du Zeit mit deinen Freunden verbringen und..."
„Ich will Neujahr aber mit dir verbringen", unterbreche ich ihn, „und außerdem hab' ich mit dir am meisten Spaß." Kurz stupse ich seine Nase mit meiner an, worauf er lächeln muss. „Ich denk' drüber nach, okay? Wer ist denn das, bei dem die Party ist?"
„Sein Name ist Jakob.", fragend sieht er mich an, als sei ich noch nicht fertig mit meiner Erklärung, „Er ist eigentlich ganz nett", weiterhin blickt Jarn mich so an, „und meine Schwester behauptet, er würde was von mir wollen."
Erneut zieht er nun beide Brauen hoch. „Also..."
„Aber nur, weil Aurelia das behauptet, muss das gar nichts heißen.", versuche ich mich herauszureden. „Dann muss ich natürlich mitkommen."
„Wie?", sehe ich ihn verdutzt an.
„Ich kann ja nicht zulassen, dass du vermutlich betrunken mit dem Typ alleine in 'ner Besenkammer landest.", lacht er laut auf.
„Was ist daran denn jetzt so witzig?" Ich bin komplett verwirrt. Müsste er nicht eigentlich sauer oder so sein? „Oder vielleicht hat er ja Bock auf 'nen Dreier.", blödelt er weiter herum, doch sofort schleicht sich ein Bild in meinen Kopf, welches ich gleich wieder zu verdrängen versuche. Wahrscheinlich sieht mein Gesichtsausdruck momentan ziemlich dämlich aus, doch er küsst mich nur kurz und macht die alte Stehlampe aus.
„Gute Nacht, Lukas.", kuschelt er sich an mich.
„Was war denn das gerade?"
„Natürlich finde ich das nicht sonderlich cool, aber du kannst doch auf die Party gehen. Das ist deine Entscheidung. Ich bin nicht so eifersüchtig, dass ich dir irgendwas verbieten wollen würde und du kannst selbst entscheiden, was du für richtig hältst und außerdem vertraue ich dir. Ich weiß, dass du mir nicht bewusst wehtun wirst." Fest lege ich meine Arme um ihn. „Danke.", flüstere ich. „Danke dafür, dass ich kein eifersüchtiger Idiot bin?"
„Nein, danke für alles." Ich kann sogar hören, wie er grinsen muss. Kurz herrscht wieder Stille zwischen uns.
„Kann ich trotzdem mit auf die Party?"
„Natürlich.", muss nun ich lachen.
Hättet ihr Wünsche für die Story?
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My homeless Romeo [BoyxBoy]
Ficção Adolescente"Vielleicht stehst du dir einfach selbst im Weg.", flüstere ich leise, worauf er kurz lachen muss. "Aus dir kann noch was werden. Du musst nur an dich glauben." "Sagst du das zu jedem komischen Penner, den du küsst?", lächelt er verschmitzt. "Nur zu...