Gleis 9 3/4

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James Potter:

Schon die ganze Zugfahrt über war ich so aufgeregt wie noch nie. Ich wippte mit meinen Beinen auf und ab, tigerte durch das Abteil und trieb meine drei Freunde fast in den Wahnsinn. "Beruhig dich mal Krone!", empfahl Sirius lachend. Alle drei wussten genau, was ich vor hatte.
Ich hatte mich den ganzen Morgen bewusst von Lily fernhalten, um nichts zu verraten und ich war mir sicher dass sie ein bisschen sauer deswegen war. Erst war ich ihr jahrelang hinterher gedackelt und jetzt, an unserem letzten Tag, ließ ich sie nicht in meine Nähe.
Endlich, der Zug hielt, als es schon dämmerte. Die perfekte Stimmung für mein Vorhaben, schoss es mir durch den Kopf. Langsam, wegen meiner zittrigen Beine, verließ ich das Abteil und folgte meinen Freunden auf den Bahnsteig. Überall waren Leute, doch ich nahm keinen von ihnen richtig wahr. Das einzige, was ich spürte war das Klopfen meines Herzens und Sirius festen Griff um meinen Arm, als er mich unsanft weiter zog. "Du kannst nicht ewig hier stehen bleiben und Löcher in die Luft starren Krone. Die Leute halten dich sonst für verrückt und schneller als du gucken kannst, bist du im St. Mungos." Ich nickte nur, mit meinen Augen suchte ich die Menge nach einem roten Haarschopf ab. Leider gab es mehrere davon. Eine Cousine der Weasleys hatte ebenfalls die Schule beendet und auf sie wartete gleich ein ganzer Pulk Rothaariger. Nervös lief ich hinter Sirius her. Nicht, dass Lily schon gegangen war...
Was ich in meiner Aufregung nicht bemerkt hatte, Sirius zog mich genau auf eine Familie zu, die gerade ein rothaariges Mädchen in Empfang nahm. Mehr oder weniger begeistert. Die große Schwester und ihr Freund hielten sich mit der Wiedersehensfreude gekonnt zurück und sahen sich stattdessen angewidert um. "Hier hast du deine Julia, Romeo", sagte Sirius und zog mich neben sich. Lily bemerkte mich sofort und löste sich aus den Armen ihrer Mutter. "Wo warst du den ganzen Morgen?", wollte sie in einem vorwurfsvollen Ton wissen. "Ich... Äh", druckste ich herum, brachte aber keinen vollständigen Satz zu Stande.
"Das ist also James Potter, von dem wir die letzten Jahre schon so viel gehört haben?", fragte Mr. Evans an seine Tochter gewandt. Lily errötete leicht und nickte. "Ja, Dad. Das ist James, mein Freund", stellte sie mich vor. Ihr Vater musterte mich ganz genau. Leicht misstrauisch beäugte er mein vieles Gepäck und ich konnte beinahe sehen, wie vor seinem inneren Auge die Worte: Messer, Atombombe, Pistole oder Hangranaten? Aufleuchteten. Bei Marlins Bart! Wenn er mich jetzt schon für einen Kleinverbrecher hielt, der seine geliebte Tochter entführen wollte, was würde er dann erst zu meinem Vorhaben sagen? Schweißtropfen bildeten such auf meiner Stirn und ein kalter Schauer jagte mir über den Rücken. Sollte ich vielleicht doch noch ein bisschen abwarten? Bis ich Lilys Eltern genauer kannte und ihren Vater davon überzeugt hatte, dass ich keine bösen Absichten hegte?
Sirius knuffte mich energisch in die Rippen und ich keuchte kurz auf. Au, formte ich lautlos mit den Lippen. Er grinste nur und deutete dann auf meine Umhangtasche, in der ich schon die ganze Zeit meine Hand versteckt hielt. Meine Finger schlossen sich fester um die kleine Schachtel und befühlten den weichen Samt. Unter einem verlegenen Husten zog ich meine Hand wieder heraus. Lily sah mich fragend an. "Du benimmst dich irgendwie komisch", stellte sie fest. Von meinem sonstigen Selbstbewusstsein, das Lily früher als Arroganz und Selbstverliebtheit bezeichnet hatte, war kaum noch etwas über. Auch Moony und Wurmschwanz hatten sich inzwischen hinter mir eingefunden und beobachteten die Szene gespannt. Sirius drückte mich sanft nach unten und ich war sehr dankbar für die dezente Hilfestellung. Seufzend ließ ich mich auf die Knie fallen und ergriff Lilys Hand. Ich traute mich nicht, ihr direkt in die Augen zu sehen, doch aus dem Augenwinkel sah ich die Verwirrung deutlich, die in ihr Gesicht geschrieben stand. Ich räusperte mich übertrieben lange und laut, bevor ich meine Stimmbänder dazu zwang, mir wieder zu gehorchen. Zitternd holte ich Luft, dann begann ich. "Lily, das erste Mal haben wir uns genau hier gesehen. Vor der Säule von Gleis 9 3/4. Damals hattest du weniger Ahnung von Magie als ich. Jetzt ist es anders herum. Ich fand dich auf den ersten Blick sympathisch, du mich wohl nicht." Bei diesen Worten kicherte Lily ein bisschen. Ihre Wangen waren gerötet und sie sah mich fasziniert an. Davon ermutigt fuhr ich fort: "Es hat ganze sieben Jahre gedauert, bis wir zusammen gekommen sind. Sieben Jahre, in denen ich dich regelmäßig nach einem Date gefragt habe und du es ebenso regelmäßig abgelehnt hast. Mal mehr mal weniger höflich. Trotzdem liebe ich dich, vielleicht sogar genau dafür. Und deshalb will ich dich fragen..." Ich atmete einmal tief ein und aus, warf meinen Freunden einen hilfesuchenden Blick zu und redete weiter, als diese unisono nickten. "... Ob du mich heiraten willst? Lily Evans, willst du meine Frau werden?" Lilys Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, als sie nickte. "Ja! Ja James Potter, ich will dich heiraten!", sagte sie glücklich und fiel mir in die Arme. Sie küsste mich sanft und ich drückte sie erleichtert an mich. Über Lilys Rücken hinweg, warf ich einen vorsichtigen Blick zu ihren Eltern hinüber. Während ihre Mutter sich gerührt die Nase putzte wirkte ihr Vater so, als wisse er nicht so recht, was er davon halten sollte. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er seiner Frau und seiner Tochter zu Liebe nicht falsch reagieren wollte, es aber dennoch nicht einfach so hinnehmen wollte, dass ein bisher fremder Typ mit seiner Tochter durchbrennen wollte. Sanft drückte ich Lily von mir weg und zog die kleine Schachtel aus meiner Tasche. "Ich hab was vergessen", murmelte ich verlegen, als ich die Schachtel öffnete und ihr hin hielt. Lily kreischt entzückt auf, als sie den Inhalt sah. "Ein Familienerbstück", erklärte ich. Vorsichtig zog ich den Ring aus seiner Halterung und steckte ihn ihr an den Finger. Er passte perfekt, so als ob er nur für sie gemacht worden war. Meine Mutter hatte ihn mir an Weihnachten geschenkt und gemeint, ich würde wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Sie möge Lily sehr gerne und ich hätte eine gute Wahl getroffen, waren ihre Worte gewesen. Der Ring war aus Gold und obendrauf prangte ein funkelnder Saphir, der für ewige Liebe stand.

Lily Evans (bald Potter) :

Bei Merlins Pink gestreifter Unterhose!!! James hatte mir doch tatsächlich einen Heiratsantrag gemacht!
Aufgeregt drehte ich mich zu meinen Eltern herum und umarmte sie nacheinander. Meine Mutter schniefte mir ins Ohr, dass sie James wirklich toll finde und sich für uns freue, während mein Vater etwas Unverständlichen grummelte, aus dem ich schloss, dass er nicht so ganz zufrieden mit der Situation war, doch das war mir egal!
Schließlich war ich bei Petunia angekommen. Ihre dünnen Lippen hatte sie zu einem schmalen Strich zusammen gekniffen. Missbilligend musterte sie meinen Schulumhang und dann den wunderschönen Ring an meiner linken Hand. "Seid ihr nicht ein bisschen jung zum Heiraten?", wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf. Wir waren beide längst volljährig! "Wie lange kennt ihr euch denn schon?" "Genau sieben Jahre", antwortete ich. "Und die meiste Zeit davon hast du, wenn ich mich recht erinnere, damit verbracht über ihn herzuziehen", entgegnete sie mit einem abwertenden Blick hinüber zu James. Das brachte das Fass zum Überlaufen. "Ja Petunia Evans, James und ich sind vielleicht noch nicht so lange zusammen wie du und dein Vernon, dennoch haben wir das Recht, zu tun, was wir wollen. Und das mache ich auch, egal ob du es gut oder schlecht findest! Oder hast du mich etwa gefragt, was ich davon halte, dass du Vernon heiratest? Ich liebe James, und da können deine fiesen Bemerkungen auch nichts dran ändern! Ich habe dir nie etwas getan, trotzdem hackst du andauernd auf mir rum. Sieh es endlich ein, wir haben uns auseinander gelebt und jeder lebt jetzt sein Leben! Zu deiner Hochzeit werde ich kommen und James werde ich auch mitbringen, schließlich habe ich schon zugesagt, aber danach brauchen wir uns nicht mehr sehen, wenn es dir wichtig ist, nicht mit jemandem wie mir in Verbindung gebracht zu werden. Und trotzdem liebe ich dich und werde dich auch immer lieb haben, Tuni. Danke für die schönen Jahre, als wir klein waren!" Mir liefen die Tränen in Strömen übers Gesicht. Ich drückte meine perplexe Schwester kurz, dann schnappte ich mir James Hand und zog ihn mit mir. Sirius, Remus und Peter folgten uns.
Hand in Hand verließen wir den Bahnsteig durch die Säule und landeten im Gedränge des eigentlichen Bahnhofs Kings Cross.

Jily Idiot, oder nicht? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt