"Zum Direktor, aber sofort!"

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»Du hast da einfach mit Lukas drüber gesprochen? Sogar ich musste Tage auf dir rumhacken, bis du mir gesagt hast, wie sehr du Mike vermisst.« »Du hast ja auch noch nie seine Stimme gehört, sie beruhigt dich so ungemein, und wahrscheinlich war ich dann so ruhig, dass ich es einfach erzählt habe...« Anne schweigt und guckt auf den Boden. Den Rest des Tages ist sie ziemlich abwesend und scheint mir auch leicht beleidigt, dass ich einem Jungen, den ich seit 3 Tagen kenne, mehr und schneller vertraut habe als ihr, meiner besten Freundin, die ich seit fast 4 Jahren kenne... Ich weiß doch selbst nicht, warum ich das gemacht habe. In Gedanken versunken komme ich zuhause an und beschließe, mir Spaghetti zu machen. Während die Nudeln nun also kochen, stehe ich daneben und denke nach. Toll, Montag geschafft und schon eine Freundin enttäuscht.

Sie war ja schon damals mit Mike nicht so gut befreundet wie ich. Immer, wenn ich nur mit ihr etwas unternommen habe, war sie richtig glücklich und typisch quasselig, wie ich sie kenne. Aber kaum war Mike dabei, hat sie nur gespielt, dass sie gut drauf ist und nur hier und da einen Witz gerissen. Mike dachte dementsprechend, dass sie immer so drauf ist und hat sich keine Gedanken darüber gemacht, aber ich wusste immer, dass Anne mich früher oder später vor eine Wahl stellen würde. Sie oder Mike. Diese Situation ist ja nie eingetreten, da Mike weggezogen ist...

Als die Spaghetti fertig sind, schütte ich das Wasser weg und packe mir dann ein paar auf den Teller. Dann hole ich ein Glas mit Tomatensauce und setze mich in mein Zimmer.

Die nächsten Tage hat Anne nur mit mir gesprochen, wenn es nötig war, beispielsweise bei Partnerarbeit in der Schule, da wir Sitznachbarn sind. Im Deutschunterricht, als unsere Lehrerin gerade mal nicht im Raum ist, ergreife ich die Chance und tippe Anne an. Da sie nicht reagiert, rede ich einfach los. »Anne, bitte rede mit mir! Warum zeigst du mir die kalte Schulter?!« Immer noch keine Antwort. Anne schreibt seelenruhig in ihrer gewohnt hübschen Handschrift weiter. »Anne!« Nichts. Also nehme ich ihr ihren Füller weg, woraufhin sie endlich reagiert. »Man Clara! Gib' mir sofort meinen Stift wieder! Wenn du es unbedingt wissen willst, ich bin es leid, andauernd von jemandem Neuen ersetzt zu werden! Erst Mike, mit dem ich mich mit der Zeit abgefunden habe, dann jetzt Lukas! Du vertraust diesem Jungen, den du eh nie sehen wirst, mehr als mir, und mich kennst du seit 4 Jahren! Du kennst jede Ecke und jedes Geheimnis von mir und das ist der Dank?!« Sie ist richtig laut geworden und alle im Raum gucken uns an. Ich schlucke. Dann antworte ich ihr, so ruhig wie möglich. »Offensichtlich kenne ich dich doch nicht so gut. Ich wusste nämlich nicht, dass du so gut schauspielern kannst, dass mir die ganze Zeit nicht auffällt, wie sehr es dich scheinbar nervt, dass ich neue Freunde finde, und dass du so verlogen bist, habe ich auch nicht gewusst. Ich gebe zwar zu, dass ich viel mit Mike gemacht habe, aber du weißt auch, wie scheiße es mir ging, als er einfach weggezogen ist! Und wenn du so blind bist und nicht erkennst, dass du immer, wirklich immer an erster Stelle für mich warst, dann bist du offensichtlich eine schlechte beste Freundin!«

Sie guckt mich lange an und ich sehe, wie sich ihre Augen mit Tränen füllen. Ich will mich gerade entschuldigen, als sie plötzlich aufspringt, ihre Sachen zusammenräumt und aus dem Raum stürmt. Geschockt gucke ich auf die Tür,durch die jetzt unsere Deutschlehrerin kommt, und das wohl ziemlich sauer. »Clara! Zum Direktor, aber sofort!« Unsicher packe auch ich meine Sachen zusammen,schultere meinen Rucksack und trotte meiner Lehrerin hinterher. »Was hast du dir bitte dabei gedacht?« Ich gucke hoch und zu meiner Lehrerin, die mich vorwurfsvoll anguckt.

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