"So könnte man mich glatt für gestört halten."

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Lesenacht Teil 3

Zeitsprung: 1 Monat

Seit einem Monat... seit einem Monat habe ich nichts mehr von Anne gehört und sich persönlich von mir verabschiedet hat sie auch nicht. In der Nacht weine ich viel, weil ich es einfach nicht wahrhaben will, dass meine beiden besten Freunde weggezogen sind und mich alleine hiergelassen haben. Und dass beide so überstürzt weggegangen sind...

Jeden Tag habe ich mit Lukas telefoniert, an den Wochenenden sogar manchmal bis spät in die Nacht.

So langsam glaube ich, dass ich an der ganzen Sache kaputt gehe. In der Schule habe ich niemanden, mit dem ich etwas machen kann, ich habe das Gefühl, dass alle hinter meinem Rücken über mich lästern. Fynnja macht sich seitdem noch mehr über mich lustig und seit Neuestem hat sie Spaß daran gefunden, auch Lukas zu beleidigen, als 'unechten' Freund oder so. Als erstes habe ich darauf immer noch ziemlich dumm reagiert, aber nach einiger Zeit habe ich mich immer weiter zurückgezogen und die ganzen Sprüche von Tag zu Tag über mich ergehen lassen. Des Öfteren saß ich einfach in meinem Zimmer und war sehr deprimiert. Ob ich über das Ritzen nachgedacht habe? Ja, das habe ich schon manchmal, aber es getan habe ich noch nie und ich werde es auch nicht machen. Den Leuten, denen ich etwas bedeute, würde ich damit mehr wehtun als mir selbst und den Leuten, die mich eh schon runtermachen, würde ich nur einen weiteren Grund geben, mich runterzumachen...

Gerade sitze ich wiedermal in meinem Zimmer und starre die meinem Bett gegenüberliegende Wand an, als Mum ins Zimmer kommt. Nur langsam wende ich meinen Blick und gucke in ihre besorgten Augen. Sie setzt sich zu mir aufs Bett. »Schatz... du siehst garnicht gut aus. Sieh' dich doch nur mal im Spiegel an, du siehst wie eine Leiche aus und nicht annähernd so hübsch wie sonst. Ich mache mir Sorgen um dich. Ist es immer noch wegen Mike und Anne?« Ich wende meinen Blick ab, damit sie nicht sieht, dass ich weine. Leider nur merkt sie es doch, denn sie dreht meinen Kopf wieder zu sich. Verschwommen kann ich ihr Gesicht erkennen, soweit es die Tränen in meinen Augen zulassen. »Schatz, das kann nicht nur wegen den beiden sein. Außerdem hast du noch mich und deinen Lukas. Ich bin mir sicher, auch wenn ich nicht viel von diesen Freundschaften über das Internet halte, er macht sich sicher auch Sorgen um dich.« Ich seufze und sage dann leise: »In der Schule machen sich alle über mich lustig... Und Lukas wird da mit reingezogen, von Fynnja als unechten Freund bezeichnet...« Dann wische ich mir einmal über die Augen und stehe auf, um ins Bad zu gehen. Im Spiegel schaut mich jemand an, der grundsätzlich so ausssieht, wie ich, aber wirklich ziemlich kaputt wirkt. Ich habe tiefe Augenringe und meine Augen strahlen nicht in ihrem typischen Blau, dass Mike früher so geliebt hat, wie er gesagt hat. Sie sehen glanzlos und leer aus. Meine Haare, zu einem notdürftigen Dutt zusammengebunden, machen das ganze Bild perfekt. So könnte man mich glatt für gestört halten... Ich seufze und gehe zurück in mein Zimmer. Es ist zwar noch früh, aber ich muss dringend mal wieder viel schlafen, um die Augenringe wegzubekommen...

Ich merke noch, wie Mum wieder in mein Zimmer kommt, mir einen Kuss auf die Stirn drückt und dann wieder geht.

Through the Internet || InternetfriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt