Kapitel 19

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Vor dem Klassenzimmer überlegte ich noch einmal, ob es nicht die bessere Entscheidung wäre zu gehen.

Ich bin viel zu spät, da ich verschlafen hatte. Mitten in der Nacht saß ich noch wach da und räumte meine Sachen ein.

Inzwischen war das Haus leer. Dies wäre meine letzte Woche in Toronto und Sonntag würden wir fahren.
Bei dem Gedanken wurde mir schon wieder übel.

Die Schulglocke dröhnte mir in Kopf und somit wurde die Stunde beendet.
Alle Türen schossen auf und Schüler liefen raus. Niemand beachtete mich, alle liefen an mir vorbei.
War ich überhaupt dort oder träumte ich nur.

Arme umschlungen mich von hinten und ein Kopf legte sich auf meiner Schulter ab. Von Geruch her, roch es nach Shawn und mir entglitt ein lächeln.

Mit einer Drehung sah ich ihm direkt in die Augen.
Shawn lachte auf und löste seine Arme von mir.

"Wo warst du?" fragte er verwirrt und lief los.

"Verschlafen" antwortete ich und rieb mir meine Augen.

"Meine Mom meinte ich sollte euch nochmal an die Party erinnern. Am Samstag" sagte ich zu ihm und mir entging nicht, wie sein Lächeln erlöschte.

"Wie wäre es, wenn wir doch nochmal in das Zimmer deiner Eltern einbrechen" sagte er sarkastisch.

"Ehrlich gesagt glaube ich, sie haben bemerkt, das wir gelogen haben und schließen jetzt ständig ab" meinte ich lächelnd.

"Mist" Er versuchte zu lachen.

"Was hast du jetzt" fragte ich.

"Tja wir beide haben frei" meinte er und zog mich mit sich.

Ohne zu fragen folgte ich ihm.
Inzwischen waren die Flure leer und wir waren die einzigsten, die noch herumirrten.

"Ich muss dir was zeigen" sagte er wieder, als wir vom Schulgelände waren.

Es war schließlich egal, ob die letzte Schulwoche schwänzte.

Wir liefen eine Weile. Hand in Hand.

"Hier" Er blieb vor einem Gebäude stehen und grinste breit.

"Was ist hier?" fragte ich nach.

Er zeigte ohne Worte auf einen Flyer, der an einer Wand hing.

"Island Records?" laß ich laut vor.

"Was ist das?" fragte ich wieder.

"Eine Plattenfirma" sagte er erfreut und zeigte auf eine Telefonnummer, die dort stand.

"Oh Gott Shawn, das ist deine Chance! Du musst da anrufen!" lallte ich, genauso erfreut wie er.

"Ich weiß nicht" meinte er und rieß den Flyer von der Wand.

"Ist das dein Ernst? Das ist genial. Es ist ein Zeichen! Da braucht man nicht zu überlegen" sagte ich und spielte mit dem Ring an seiner Hand. Er war mir noch nie aufgefallen.

Er faltete den Flyer mehrmals und steckte ihn ein.
Ich lächelte ihm nochmal zu und ging dann. Und er ließ mich gehen. Ohne nachzufragen. Eine der Sachen, die ich an Shawn liebte. Er fragte nicht immer nach, sondern ließ es einfach geschehen.

Eigentlich hatte ich vor nachhause zu gehen, doch auf der Hälfte des Weges rief mich Elena an.

"Charlie, ich brauch dich hier" sagte sie aufgebracht.

"Was ist los?" fragte ich nach.

"Keine Zeit zu erklären. Komm einfach" meinte sie und legte auf, bevor ich etwas sagen konnte.
Ich seufzte und ging weiter.

Elena wohnte in einem anderen Stadtteil und laufen würde zu lange dauern, also nahm ich den Bus.

Immerwieder bereute ich es den Bus nehmen zu wollen. Jetzt stand Broke dort und tippte etwas auf ihrem Handy herum.
Die Broke, die vor ein paar Wochen an unseren Tisch kam und Shawn das von dem Umzug erzählte.

Ich seufzte und ließ mich auf die Bank, die dort stand nieder.
Tief in mir drin hoffte ich, dass sie mich nicht bemerkte und dass der Bus bald da sein würde.

"Hey, Charlie. Stimmt's?" fragte sie und ich überlegte wie oft ich diesen Satz in den letzten Wochen gehört hatte. 10 Mal ? 100 Mal? Auf jeden Fall zu oft.

Ich tat so, als hätte ich sie nicht gehört und steckte mir einen Kopfhörer ins Ohr.

"Charlie, tut mir leid wegen dem letzten Mal" fing sie an. Sie setzte sich neben mich und ich hörte ihr zu, doch das zeigte ich ihr nicht.

"Eigentlich bin ich nicht so. Keine Ahnung, was an dem Tag mit mir war. Mein Bruder ist gestorben" sagte sie weiter. Und schon verspürte ich sowas wie Mitleid.

"Das tut mir leid" meinte ich ruhig und zog den Kopfhörer aus meinem Ohr.

"Schon okay. Ist ja nicht deine Schuld. Auf jeden Fall möchte ich es gut machen..." sagte sie auf einmal wieder gut gelaunt.

"Broke, das musst du wirklich..." sie ließ mich nicht ausreden.

"Komm einfach heute auf ein Filmeabend. Ein paar andere Leute werden auch dort sein" sagte sie und stieg in den Bus ein, der gerade kam.

Was war gerade passiert?

Ich war froh, dass dies nicht mein Bus war, so musste ich mich nicht weiter mit ihr unterhalten. Doch ich wollte ihr eine Chance geben alles wieder gut zu machen.
Jeder hatte eine 2. Chance verdient. Selbst so jemand wie Broke. Ich meine sie hat ihren Bruder verloren.

*

"Broke? Dich eingeladen?" fragte Elena und lachte die ganze Zeit.

"Echt lustig Charlie" sagte sie und wand sich ab, um die Pizza aus dem Ofen zu holen.

"Ich schwöre es dir, sie mich zu sich eingeladen" meinte ich nur und setzte mich an die Kücheninsel.

"Aber du wirst nicht hingehen, oder?" fragte sie und biss von ihrem Pizzastück ab.

"Nun ja ich schätze, ich gebe ihr eine Chance" murmelte ich vor mich hin.

"Sie ist ein Monster Charlie, und Monster ändern sich nicht. Am Ende wirst du blamiert oder bist eine von ihnen" sagte sie. Ich hatte nicht vor zu antworten und dies bekam sie mit.

"Tu was du nicht lassen kannst. Ich hab dich gewarnt" meinte sie und lächelte mir zu.

him | s.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt