Kapitel 8

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"Trotzdem kann ich sie noch überreden mir aufzumachen, Benny!", flüstere ich, während mein Blick auf den großen und leeren Flur gerichtet ist, dort wo Jolina vor wenigen Sekunden noch stand, ist keiner. Es gibt nur noch mich und Benny. Einen Augenblick noch und dann wird auch er, es merken. Was er dann mit mir anstellen wird, will ich nicht wissen. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass Jolina in Sicherheit ist.

Benny runzelt misstrauisch die Stirn und dreht sich nach Jolina um. Mir bleibt das Herz stehen und ich schließe vor Angst meine Augen.
"Was? Was? Wo ist sie hin?", nuschelt er entgeistert. Er bleibt einen Moment wie erstarrt stehen. Womöglich überlegt er, was er als nächstes tun soll.
Anschließend dreht er sich wuterfüllt zu mir um, sein Atem ist rasend. "Du hast mich verarscht. Du hast nicht getan, was ich von dir verlangt habe. Du hast meinen kompletten Plan zerstört!" Den letzten Satz schreit er heraus. Die Adern auf seiner Stirn drohen zu zerplatzen. Instinktiv halte ich mir die Ohren zu. Jetzt hat er sich selbst alles verkackt. Die Anderen haben seinen dröhnenden Schrei gehört. Es ist alles verloren.
"Nein, nein, nein, nein...", flüstere ich und  schüttle meinen Kopf. Das kann nicht wahr sein. Ich werde sterben, dabei habe ich noch gar nicht wirklich angefangen zu leben. Ich bin noch nicht fertig...
Benny steht vor mir. Ich knie vor ihm. In seinen Augen sehe ich Hass und in meinen sieht er Leid.
"Du wirst mich jetzt töten." Eine Träne läuft mir die linke Wange herunter und landet auf meinen Lippen.
"Ja." Er nickt. Ich habe das Gefühl, dass er mich nicht töten will, er wirkt traurig. Aber vielleicht bilde ich mir das nur ein, um diese verrückte Welt mit einem guten Gedanken zu verlassen.
"Maya, ich hatte nicht vor dich zu töten aber jetzt kann ich dich nicht mehr gebrauchen. Sie werden uns nicht auf machen. Ich werde meine Rache nicht bekommen." Er richtet seine Waffe langsam auf mich und zielt auf meinen Kopf, damit ich sofort sterbe und mich nicht quälen muss. Er wird mein Gehirn zerfetzen und all meine Erinnerungen auslöschen. Mein Herz wird aufhören zu Schlagen aber ich werde Dean, meine Familie und Freunde immer noch lieben. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wo werde ich landen? Im Paradies? Im Himmel? Oder in einer Parallelwelt?
"Sag meiner Familie, dass ich sie liebe und bis zum Ende gekämpft habe. Das bist du mir schuldig.", sage ich ausdruckslos.
"Du bist ein guter Mensch, Maya. Du hast mich immer mit Respekt und Freundlichkeit behandelt... Es tut mir leid." Er weint, die Waffe immer noch auf mich gerichtet.
"Du musst das nicht tun." Mit flehenden Augen sehe ich ihn an. Er blickt starr in die Leere neben mir, weitet unerwartet seine Augen. Was sieht er da?

"Benny, nimm bitte die Waffe runter." Dean's Stimme. Es ist Dean. Mein Dean. Der Mann den ich über Alles liebe ist hier. In Gefahr aber bei mir. Er ist gekommen. Ein erdrückendes Gefühl in der Brust überkommt mich als ich beobachte, wie Benny seine Pistole zügig auf Dean lenkt.
Ich drehe mich, um meinem Liebsten anzusehen, um sicher zu gehen, dass es wirklich er ist.

Er ist es. sein Arm streckt er schützend aus. "Nimm, die Waffe runter!", wiedrholt er und bleibt stehen.  "Keinen Schritt näher oder ich puste Ihnen das Hirn weg!"
"Nein!", kreische ich verzweifelt. "Maya, halt die Klappe!", brüllt Dean mich an. Seine Brust hebt und senkt sich heftig.
"Was soll der ganze Scheiß hier?" Verwirrt mustert er uns beide. "Das wird mir alles zu viel, Fuck! So war das nicht geplant!", flucht er und vergießt dabei Tränen. Er ist im Kreis der Aussichtslosigkeit gefangen und kommt dort nicht mehr heraus.

Er senkt langsam seinen Arm und Dean ergreift die Initiativie sofort und kommt ihm einen Schritt näher. "Hey!", schreit Benny und fixiert ihn erneut mit der Pistole.

"Okay, Okay!" Dean holt tief Luft. Die Hände zu einer Geste der Kapitulation erhoben.
"Benny, tu das nicht. Du willst das doch gar nicht." Mit ruhiger Stimme redet Dean mit ihm. Benny scheint aufmerksam zuzuhören. Sein Gesicht verzieht sich mit jedem Satz, den Dean von sich gibt. Es tut ihm leid. Er ist einfach so unglaublich verletzt. Man kann die Reue in seinem Blick erkennen.
"Sie wissen doch garnicht wie das ist, alleine zu sein!", raunt er. Die Rotze spritzt ihm bei seinem bitterlichem Schluchzen aus der Nase. "Es ist das schlimmste Gefühl auf der ganzen Welt! Sie können nicht verstehe wie das ist sich selbst so sehr zu hassen!"

Dean sieht ihm durch dringlich in die Augen.
"Oh doch, glaube mir ich weiß, wie das ist." Dieser Satz sticht mir tief ins Herz.
"Lügner!", zischt Benny während er Dean demonstrativ mit der Waffe bedroht.
Erneut halte ich die Luft an, dann schlage ich mir die Hand vor den Mund, um keinen Ton von mir zu geben. Ich muss mich jetzt einfach zusammenreißen. Für Dean. Für mich. Für unser Leben. Er darf ihm nichts antun. Das würde ich nicht überleben.

"Was ist das eigentlich für eine verfickte Oberschule? Alle urteilen, verbreiten Gerüchte...man kann niemandem vertrauen. Ich werde ausgelacht, gemobbt und als wertlos bezeichnet. Und das nur, weil ich anders bin. Vielleicht bin ich merkwürdig aber das heißt noch lange nicht, dass ich ein schlechter Mensch bin...Ich halte diese Hölle einfach nicht mehr aus! Der Selbsthasst hat mich innerlich umgebracht. Ihr seid Schuld daran."
Sein Schluchzen wirkt einfach so hoffnungslos. Er hat Recht. Mit allem was er sagt. Es ist nicht schlimm anders zu sein. Die Tragödie dabei ist jedoch, dass es viele Menschen gibt, die dich kennen aber nur wenige, die dich verstehen. Das ist hart aber Benny, hat niemanden, der ihn versteht und das ist verfickt nochmal wahscheinlich eines des grausamsten Gefühle auf der ganzen Welt.
"Und die Lehrer?! Euch sind wir doch scheiß egal! In euren Augen sind wir alle gleich. Ihr macht tagtäglich euren Job und erkennt dabei nicht einmal, dass einige von euren Schülern in der Klasse sitzen und Geisteskrank sind. So wie ich und ich bin weiß Gott nicht der Einzige...", zischt er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Sein Schmerz verwandelt sich in Sekunden wieder in abscheuliche Wut.
Ich spüre, wie schuldig sich Dean fühlt. Wir alle fühlen uns mitschuldig. Es tut uns leid aber es ist einfach zu spät.

"Bitte Benny! Hör mir zu. Ich verstehe dich. Ich werde dir jetzt etwas erzählen, was keiner weiß. Etwas, was auch mich in Selbsthass leben lässt" Es schockiert mich, wie ruhig Dean, in dieser grauenvollen Situation bleibt. Als wäre er furchtlos.
"Ich...Ich habe meine Mutter...Meine Frau...und...", Er hällt mit geschlossenen Augen inne. "Unser Baby verloren." Er beendet den Satz und genau in diesem Augenblick geht etwas in mir kaputt. Ich habe keine Ahnung was es ist aber es fühlt sich brutal an. Ich vergrabe mein Gesicht hinter meinen Händen und bemühe mich, leise zu weinen.
Benny runzelt seine Stirn und wartet darauf, dass Dean fortfährt.
"Ich bin Schuld an ihrem Tod. Das Blut meiner Familie klebt an meinen Händen." Er sieht sich  mit angewidertem Ausdruck seine beiden Hände an und ballt diese dann zu Fäusten.
"Ich konnte sie nicht beschützen. Ich habe versagt. Jede Nacht bevor ich schlafen gehe, wünsche ich mir so sehr nicht mehr aufzuwachen aber... Ich wache auf und bin gezwungen noch einen Tag mit dieser Schande zu leben. Das ist meine Bestrafung. Ich habe es verdient." Seine Stimme bricht. Er schaut beschämt zu Boden. "Du bist kein schlechter Mensch. Sieh mir in die Augen!" Dean, fixiert ihn mit seinem Blick. "Ich bin auch nur ein Mensch, genau wie du. Wir machen alle Fehler und heute, machst du einen Fehler... Du willst Gerechtigkeit und Vergeltung. Jemand soll dafür büßen." Dean, schluckt mühevoll. "Das verstehe ich aber das wird es nicht besser machen, glaub mir... Du bist ein guter Junge. Das sehe ich in deinen Augen..."
Benny starrt mit offenem Mund auf seine Pistole, seine Hände zittern. Sein Gesicht verzieht sich.
"Ja, ich bin ein guter Junge.", wiederholt er leise. Zögerlich senkt er die Waffe und befreit Dean, somit von der Gefahr. Pure Erleichterung breitet sich in mir aus und erlöst mich von meiner Angst ihn zu verlieren. Ich hole tief Luft und schaue dankbar zu Benny.
"Jetzt gib mir die Waffe." Mit rasendem Atem hält Dean seine Hand hin. Vorerst überlegt Benny und umklammert die Pistole mit festem Griff.

"Maya?!" Plötzlich höre ich einen Jungen meinen Namen rufen. Die Zeit steht still. Nein. Nein. Nein. Ich sehe auf und erkenne David. "Nein!", flüstere ich und bleibe mit offenem Mund sitzen.
Er steht einige Meter vor mir und sieht schockiert zu mir. "Was machst du hier?" Mit schnellen Schritten läuft er zu mir rüber und bleibt abrupt stehen als er sieht, dass ich nicht alleine bin, dass der Mörder hier ist.
Es ist alles verloren. Wir alle drei werden sterben. Es passiert alles so schnell und gleichzeitig scheint dieser furchtbare Augenblick, der über unser Leben entscheidet so unendlich lang...

Love Lesson (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt