29 Tage nach dem Amoklauf
Dean
"Ich habe heute gekündigt.", sage ich und trinke einen großen Schluck von meinem Wasser. Maya sieht mich schockiert an. Sie legt ihr Toast wieder auf den Teller.
"Du hast was?" Ihre großen Augen werden riesig. "Warum?"
"Ich kann sowieso erst zum Halbjahr entlassen werden. Sie müssen erstmal Ersatz finden, was schwierig wird. Und ich muss langsam anfangen, nach einer neuen Schule zu suchen." Sie runzelt die Stirn. "Ja natürlich wird das schwierig! Ich meine wer will schon gerne die gestörten Kids der Amoklauf-Oberschule unterrichten?!" Sie ist sauer und schiebt grob den Teller von sich weg.
"Du lässt deine Schüler im Stich, das ist dir doch klar, oder?" Maya verschränkt ihre Arme.
"Es war eine schwere Entscheidung und du machst es nicht gerade leichter. Es ist aber das beste für dich und für uns.", versuche ich ihr ruhig zu erklären. Ich fühle mich schuldig und das schlechte Gewissen plagt mich, weil mich meine Schüler brauchen aber Maya, ist mir wichtiger.
Sie atmet schwer aus. Sie weiß, dass ich Recht habe. "Iss weiter!", fordere ich sie auf und zeige auf ihr unangerührtes Essen. Sie verdreht ihre Augen und beißt widerwillig in das Käsetoast, welches ich für sie zubereitet habe.31 Tage nach dem Amoklauf
Maya
"Die Situation in der Schule..." Ich zeichne Anführungszeichen, bei dem Wort "Schule" in die Luft. "ist so verkorkst." Ich setzte mich auf das Bett neben Jolina. Sie riecht ein Wenig nach Schweiß und das erlebe ich zum erstem Mal. Ihre Haare sind fettig und zu einem chaotischen Halbdutt zusammengebunden.
"Die sagen, dass die Renovierung bis zu zwei Jahre dauern kann. Solange müssen wir in diesem Ersatzgebäude hocken. Also so haben wir uns das Abschlussjahr wohl nicht vorgestellt, oder?" Ich schubse sie mit dem Ellenbogen an. Sie reagiert nicht also rede ich weiter. "Hab ich dir erzählt, dass in jeder Klasse mindestens ein Schulpsychologe den Unterricht begleitet?" Ich sehe sie erwartungsvoll an. Erneut gibt sie kein Ton von sich. "Na ja Unterricht kann man das nicht wirklich nennen, ich komme mir vor wie in der zweiten Klasse, wenn wir im Stuhlkreis sitzen und über unsere Gefühle und Ängste reden. Diese Sozialarbeiter sagen, es würde uns helfen das traumatische Erlebnis zu verarbeiten." Ich atme schwer aus, weil Jolina jegliche Kommunikation ablehnt. Seit der Beerdigung hat sich ihr Zustand verschlechtert.
"Kommst du mit dem neuem Psychiater besser klar?", frage ich vorsichtig und ernte einen zornigen Blick.
"Tanya ist auch noch nicht in der Schule aufgetaucht. Ich mache mir Sorgen, dass sie mich und Dean verpetzt. Die Alte ist total verrückt. Ich habe schon überlegt, ob ich zu ihr gehe und mit ihr reden soll?!" Ich fahre mir durch die Haare. "Ich konnte Dean immer noch nichts davon sagen. Er weiß nicht mal, dass sie es weiß. Jedes Mal, wenn ich ihm davon erzählen will, kommt was dazwischen." Tränen sammeln sich in meinen Augen.
"Wenigstens weiß er, dass du es weißt...""Halt die Klappe, Maya! Halt einfach deine verdammte Klappe!", unterbricht mich Jolina mit wütender Stimme. Mir fällt wortwörtlich die Kinnlade herunter. "Jolina?"
"Sei doch einfach für einen Moment mal still. Seit Wochen höre ich mir dein Gelaber an und, und ich kann es einfach nicht mehr hören!", schreit sie und steht dynamisch auf. Die Wut über ihr Unverständnis sammelt sich in meinem Innerem an und droht zu explodieren. Mein Puls schlägt abrupt schneller. "Und du stinkst, Jolina! Du stinkst und du musst duschen, lüften und das verdammte Haus verlassen!", kreische ich, während ich sie an den Schultern packe und heftig rüttle. Sie schubst mich weg. "Wegen dir ist er tot!", heult sie und sinkt zu Boden. Sie umklammert sich selbst. Wie erstarrt stehe ich da, atme hastig und versuche zu realisieren, was Jolina gerade gesagt hat. Wie kann sie mir bloß die Schuld an seinem Tod geben? "Ich bin schuld an seinem Tod?", wiederhole ich perplex. Es tut weh, so weh, dass mir übel wird.
"Wäre Benny in den Raum rein gekommen, wäre David jetzt noch am Leben.", flüstert sie und sieht mir tief in die Augen. "Du hattest die Aufgabe und du hast es nicht nicht geschafft!", ruft sie heulend und zeigt dabei auf mich.
Vollkommen erschüttert, bemühe ich mich die richtigen Worte zu finden und mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass Jolina ihre große Liebe verloren hat. Sie trauert und ist sich nicht hundertprozentig bewusst, was sie mir vorwirft.
"Ich habe alles versucht. Ich habe dich retten können. Dank mir konntest du wegrennen! Wer weiß, was passiert wäre, wenn er in den Raum gekommen wäre!", zische ich mit geballten Fäusten.
"Lüge mich nicht an, Maya. Du hast es nicht mit aller Kraft versucht, weil du dachtest, dein Mr. Winchester wär im Raum und das Risiko, dass ihm etwas zustoßen könnte, wolltest du nicht eingehen!" Ihre Stimme bricht und sie kauert in sich zusammen. Ihr Schluchzen ist laut. Sehr laut. Für einen Moment schweige ich, um nochmal zu überdenken, ob ich es aussprechen sollte.Langsam hocke ich mich vor ihr hin. Sie versteckt ihr Gesicht hinter ihren Händen.
"Hör mir zu. Er ist tot, Jolina. Du musst das akzeptieren. Glaubst du für mich ist es leicht? Ich habe gesehen, wie er gestorben ist und dieses Bild werde ich niemals wieder aus dem Kopf bekommen. Die Alpträume und die Angstattacken werden mich wahrscheinlich bis an mein Lebensende begleiten." Ich habe mich dafür entschieden und das ist auch richtig so. Mir laufen Tränen übers Gesicht. Verzweifelt schüttle ich meinen Kopf. "Warum? Warum? Warum?", sage ich immer wieder. Unerwartet nimmt Jolina mein Gesicht in ihre Hände.
"Ich will sterben, Maya! Ich halte das nicht aus, nicht ohne ihn!", heult sie und stütz ihren Kopf auf meiner Schulter ab. Schockiert über ihre Aussage, drücke ich sie so fest ich kann an mich.
"Sag das nicht. Er hätte nicht gewollt, dass du sowas sagst." Vom ganzen Heulen, schnappt sie hektisch nach Luft. Sie so zu sehen macht mich krank. Ich gebe ihr einen Kuss auf den Kopf, während ich mit geschlossenen Augen dafür bete, dass sie diesen Schicksalsschlag übersteht.45 Tage nach dem Amoklauf
Maya
"Erzählst du mir jetzt, wie es in New York war?", frage ich Dean vorsichtig, während ich neben ihm im Bett liege. Er dreht sich sofort zu mir um. "Du solltest jetzt schlafen. Morgen wird ein langer Tag.", murmelt er verschlafen und zieht mich an sich. Sein kratziges Gesicht schmiegt er an meine Hals, was unangenehm ist. "Du Kratzbürste solltest mal lernen über deine Gefühle zu reden und dich mir zu öffnen." Meine Stimme klingt wütender als beabsichtigt. Aber es macht mich einfach so rasend, dass er bei dem Thema sofort abblockt und mich ausschließt. Seine Mutter ist gestorben. Das ist furchtbar. Ich verstehe einfach nicht, warum er nicht mit mir darüber spricht. Dabei will ich doch nur das Beste für diesen Menschen, ihm helfen, weil ich ihn über Alles liebe. Er atmet genervt aus. "Schlaf jetzt einfach ein!"
Dieser sturer Idiot! Eingeschnappt rutsche ich von ihm weg. "Gute Nacht!", zische ich. Dean streckt seine Hand zur Tischlampe aus, um sie auszuschalten.
"Darf ich die ausschalten?" Er fragt rücksichtsvoll nach meiner Erlaubnis. "Mach doch!" Ich zucke mit meinen Schultern. Am liebsten würde ich ihn anschreien und anflehen das Licht anzulassen aber ich will nicht zugeben, dass es mir immer noch schwer fällt im Dunkeln einzuschlafen. Denn dann tauchen immer wieder diese abscheulichen Bilder auf. Das ganze Blut, die hasserfüllten Augen von Benny, die Szene in der Dean angeschossen wurde. All diese Bilder erscheinen und rauben mir den Schlaf.
Er schaltet es aus und legt sich auf die Seite, sodass ich sein Gesicht nicht sehen kann. Konzentriert bemühe ich mich tief ein und aus zu atmen, mich zu beruhigen und diese Bilder nicht in mein Kopf zu lassen. Mein Psychiater hat mir empfohlen, in Gedanken laut "Stopp!" zu schreien, wenn ich bemerke, dass sich ein traumatischer Erinnerungsfetzen versucht einzunisten. Es hilft selten aber es ist ein Versuch wert. Nach ungefähr zwei Minuten fragt mich Dean "Soll ich es wieder an machen mein Schatz?" Er weiß es. Dieser Mistkerl weiß einfach, dass ich noch nicht so weit bin. "Ja..." Ich drehe mich zu ihm. Er macht für mich die Lampe wieder an. Anschließend grinst er. "Du bist ein kleiner Dickkopf." Ich verdrehe meine Augen. Muss er gerade sagen. "Küss mich.", fordere ich und er tut es sofort. Es macht mir Angst, wie sehr ich diesen Menschen liebe.

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Love Lesson (Band 2)
FanficAls wäre die dunklen Geheimnisse, der herzzereißende Liebeskummer und die Tatsache, dass ihre Liebe verboten ist, nicht genug, mit dem die junge Schülerin, Lamaya zu kämpfen hat! Das Schicksal scheint es wohl nicht gut mit dem ungewöhnlichen Liebesp...