Die Beerdigung
Blut. So viel Blut. Ich wusste, dass der menschliche Körper durchschnittlich 5- 6 Lieter Blut hat. Wenn man jedoch mit eigenen Augen sieht, wie das Blut aus dem leblosen Körper fließt, begreift man erst, wie viel das wirklich ist. Ich sah es und werde es niemals vergessen.
"Schätzchen, bist du soweit?" Meine Mutter reißt mich aus meinen endlos düsteren Gedanken. Sie kommt in mein Zimmer herein und ihre Absätze geben dieses nervige Klackern von sich.
Ich sitze auf meinem Bett und warte. Ich warte darauf, dass dieser Alptraum endlich ein Ende nimmt. Ich warte darauf, dass meine beste Freundin mich nicht mehr so hoffnungslos ansieht. Ich warte darauf, dass Dean mich endlich wieder wie eine Erwachsene behandelt. Ich warte darauf, eine Nacht ohne Alpträume durchzuschlafen. Ich warte darauf, mein altes Leben wieder zurück zu bekommen und weiß zugleich, dass ich vergeblich warte.
"Nein." Ich sehe sie ausdruckslos an. "Aber, wir können trotzdem los." Ich stehe langsam auf und betrachte mich noch einmal im Spiegel. Das schwarze Strickkleid hat mir meine Mutter für die Beerdigung gekauft, weil mir all meine schwarzen Kleider zu groß geworden sind. Es ist bequem und angemessen für eine Trauerfeier. Ich verliere mich in meinem eigenem Spiegelbild. Gott, ich sehe so aus als wäre ich um Jahre gealtert. Diese Augenringe sind tief und dunkel, meine Augen rot. Die Lippen trocken und meine Haut ganz blass. Diese trostlose Hülle spiegelt meine gebrochene Seele wider..."Jolina, du musst das nicht tun. Glaub mir, alle werden das verstehen." Kiana setzt sich neben Jolina hin und streichelt ihr übers Haar. "Doch. Ich muss. Seine Eltern erwarten das von mir und ich selbst erwarte das von mir!" Sie fängt an zu weinen und vergräbt ihr Gesicht. Kiana blickt mich verzweifelt an, während sie Jolina in den Arm nimmt.
Ich stehe wir angewurzelt da und spiele an meinen schwitzigen Fingern herum. Die Trauerfeier fängt in fünfzehn Minuten an. Jolina, hat eine Trauerrede vorbereitet. Sie ist stark und sie wird es schaffen, diese Rede zu halten.
"Maya, sag mir nochmal, wie er gestorben ist." Ihr erwartungsvoller Blick fixiert mich. Ich schließe meine Augen, um Kraft zu tanken. Ich sah es kommen. Sie will es immer wieder hören. Und ich sage es immer wieder auf. Mittlerweile habe ich schon aufgehört zu zählen. Wahrscheinlich habe ich es schon über 100 Mal wiedergegeben und würde es trotzdem immer wieder tun. So oft, wie nötig. So oft wie es Jolina will, obwohl ich jedes Mal danach loswürgen könnte, weil sich diese grausame Szene dann vor meinem geistigem Auge abspielt.
"Na los!", drängt sie mich heulend. Meine Cousine sieht mich mitleidig an und fährt sich aufgebracht durch die Haare.
"Benny, bedrohte Dean, mit der Waffe. Er war kurz davor abzudrücken." Ich pausiere, um mich kurz zu beruhigen. "Dann hat Dean sehr lange auf ihn eingeredet und hat es irgendwie geschafft ihn dazu zu bringen die Pistole zu senken." Ich schnappe nach Luft. "Plötzlich kam David angerannt und...und rief meinen Namen. Er hat nur mich gesehen, wie ich da lag. Alles passierte so schnell. "Ich schließe meine Augen und die Tränen laufen mir übers Gesicht. Auch Kiana schluchzt und hält sich den Mund zu. "Benny, hat in Sekunden gehandelt und hat ihn angeschossen." Meine Stimme bricht und es gelingt mir nicht weiter zu reden. Sie verlangt etwas Unerträgliches von mir aber sie bekommt ihre Antworten egal wie schwer das für mich ist.
"Rede weiter.", fordert sie mit zornigem Ton. "Er traf ihn in den Bauch. Ich schrie... So laut und Dean ist auf ihn los gegangen. Hat versucht ihm die Waffe wegzunehmen. Es gelang ihm nicht, er hat auch Dean angeschossen. Ich sah nicht wirklich was dort ablief, weil ich David helfen wollte. Ich bin zu ihm gekrabbelt. Er lag zitternd und blutend da. Ich hielt meine Hände fest auf seine Wunde gepresst. " Mein Gesicht verzieht sich. "Ich wollte ihn retten! Ich habe alles versucht, Jolina. Wirklich!", schreie ich und wische mir die Tränen weg. Sie sieht mich nicht an.
"Was ist dann passiert?", fragt sie und umklammert sich selbst. Sie weiß, was passiert ist, sie will es einfach verstehen, denke ich. "Ich...Ich hab versucht David wach zu halten aber, es war so schwer, er bekam keine Luft und von Hinten drohte mir Benny, wenn ich ihm weiter helfen würde, dass er mich dann erschieße. Dean, lag auch auf dem Boden. Ich drehte mich zu Dean um, er blutete heftig aber er signalisierte mir mit seinem Blick, dass er überleben würde.
Er nickte in Richtung David. Er wollte, dass ich bei ihm bleibe. Währenddessen wütete Benny umher, kreischte, drohte uns. Aber wir wussten, das gleich Hilfe kommen musste. Er trat mich kurz bevor er sich die Pistole in den Mund gesteckt hat von David weg. Es tat höllisch weh und mir wurde schwindelig. Ich hörte Benny etwas nuscheln, konnte aber nicht verstehen, was er sagte. Daraufhin hörte ich nur noch einen Schuss. Allmählich war mir dieses Geräusch so vertraut." Ich schlucke mühselig. "Benny war auf der Stelle tot. Sofort kroch ich zu David und legte seinen Kopf auf meinen Schoß, er atmete ganz schwach. Sein Blut war überall. Die Polizisten kamen in diesem Moment angerannt. Es waren sehr viele. Aber all das blendete ich aus. Wahrscheinlich hat Benny sich deshalb so plötzlich umgebracht. Er sah sie kommen und nahm sich das Leben." Ich habe keine Kraft mehr, deshalb sinke ich zu Boden.
"Die Ärzte sagten, dass er aufgrund eines Pneumothorax gestorben ist. Ich hab das gegoogelt... Es hat sich zu viel Luft in seinem Brustkorb gesammelt. Das passiert häufig bei einem Lungenschuss. Genauer gesagt ist er erstickt.", spricht sie trostlos und erhebt sich langsam. Sie läuft zu mir und hockt sich vor mich hin. "Was waren seine letzten Worte, Maya?" Ihre Augen sind rot und starren begierig in meine. "Los, Maya! Sag es mir!" Sie greift sich meine Schultern und schüttelt mich heftig. Ich ringe nach Atem und versuche meine Stimme wiederzufinden. In meinem Hirn herrscht ein Chaos, warum quält sie mich so?
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Love Lesson (Band 2)
FanfictionAls wäre die dunklen Geheimnisse, der herzzereißende Liebeskummer und die Tatsache, dass ihre Liebe verboten ist, nicht genug, mit dem die junge Schülerin, Lamaya zu kämpfen hat! Das Schicksal scheint es wohl nicht gut mit dem ungewöhnlichen Liebesp...