Schlittschuhlaufen

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»Was bei Merlins Bart ist das?«, fragte Draco und sein verwunderter Blick wanderte langsam von dem Päckchen auf seinem Schoß zu Harrys grünen Augen.
»Schlittschuhe!«, antwortete Hermine plötzlich anstelle Harrys, denn auch sie hatte ihr Päckchen jetzt aufgerissen. Ron hatte einen Blick der Vorahnung auf seinem Gesicht, als er nun als letztes sein Geschenk öffnete. Auch unter seinem Geschenkpapier kamen zwei dieser unförmigen Schuhdinger hervor. Harry grinste einfach in die Runde. Hermine sah ihn lächelnd an.
»Vielen Dank, Harry!«, sagte sie und klang ehrlich erfreut. Offensichtlich waren Hermine und Harry die einzigen, die wussten, was dieser ihnen geschenkt hatte. Denn auf Rons Gesicht sah Draco dieselbe Verwunderung, die er auch auf seinem eigenen Gesicht vermutete.
Draco zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Schlittschuhe«, erklärte Harry. »Man läuft mit ihnen auf dem Eis. Als ich acht oder neun war, nahmen die Dursleys mich mal mit zum Schlittschuhlaufen. Es hat mir großen Spaß gemacht, aber alles, was mir gefiel, wurde mir auch verboten. Und, nun ja, ich dachte, Weihnachten wäre ein guter Anlass, euch ein paar Schlittschuhe zu schenken. Schließlich ist der Große See zugefroren. Draco, sieh mich nicht so argwöhnisch an, es macht wirklich Spaß!« Harry wuschelte ihm durch die Haare und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Und das brachte Draco dann doch zum Lächeln.
»Also gut, Harry«, sagte auch Ron. »Zeig uns, wie man schlittschuht.«
»Schlittschuhlaufen, Ron.«, Hermine verdrehte amüsiert die Augen und stand dann auf.
»Auf zum See!«

Der Weg über die Ländereien hinunter zum See kam Draco sehr kurz vor. In der einen Hand hielt er seine Schlittschuhe, die andere Hand hatte Harrys umfasst, der ziemlich glücklich wirkte. Das machte auch Draco glücklich.
Sie hatten schon vor einer halben Stunde beschlossen, zum See zu gehen, aber sie hatten sich erst alle umziehen müssen, was dann doch ein wenig gedauert hatte.
Draco trug jetzt seine gefütterte Jacke, Handschuhe - Harry hatte gesagt, beim Schlittschuhlaufen wären Handschuhe sicherer (und wärmer, denn es war kalt) - und er hatte die blonden Haare großteils mit einer Pudelmütze verdeckt. Ein paar Strähnen hingen vorne noch wirr raus. Draco hatte sie auch unter der Mütze verstecken wollen, doch Harry hatte ihn geküsst und gemeint, dass es besser so aussähe.

Unten am See quetschten sie sich alle auf eine Bank, um die Schlittschuhe anzuziehen. Draco versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie schwierig es war, die Schuhe zu schnüren. Und er merkte erst, dass er sich angespannt auf die Unterlippe biss, als Harry amüsiert lachte und ihn auf die Wange küsste. Dann kniete Harry sich kurz hin, band geschickt Dracos Schuhe zu und stand dann auf. Es sah ein wenig staksig aus, als er gemeinsam mit Hermine die letzten Meter zum See ging. Doch als ihre Kufen (Hermine hatte Draco und Ron erklärt, dass es keine gewöhnlichen Messer waren) die gefrorene Fläche betraten, schienen die beiden wie verwandelt. Elegant glitten sie über das Eis hinweg und sahen auffordernd zu ihnen hinüber.
Ron und Draco saßen noch immer auf der Bank. Unschlüssig sahen sie zu den anderen beiden hinüber. Dann schwang Ron sich mutig auf die Füße und stolperte zum See. Der Unterschied war, dass, als Ron das Eis betrat, er wenig elegant hinfiel.
Draco wandte den Blick von dem rothaarigen Jungen zu seinen eigenen Füßen. Er wusste, dass Harry noch immer dort auf dem Eis stand und auf ihn wartete. Draco wollte ja auch zu seinem Freund, aber wie schaffte er das, ohne sich selbst umzubringen?
Wackelig stand er auf. Er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Dann, wenige Zentimeter vor dem Eis des Sees, blieb er stehen. Skeptisch schaute er seine Füße in den Schlittschuhen an.
»Komm!«, sagte Harry ermutigend, der jetzt langsam auf Draco zuglitt. Dieser war immer noch ein wenig unentschlossen.
Harry hielt ihm eine Hand hin. Beinahe seufzte Draco, als er sie nahm. Dann setzte er einen Fuß aufs Eis. Bevor er auch den anderen Fuß auf das Eis setzte, griff Harry auch nach der freien Hand.

Nun ja, man konnte es so ausdrücken; hätte Harry seinen Freund nicht an den Händen gehalten, wäre er umgefallen.

Draco strampelte ein wenig unbeholfen (was total untertrieben war) mit den Füßen auf dem glatten Untergrund und versuchte, Halt zu finden, wo es keinen gab. Er wusste, dass Harry so gut es ging versuchte, ihn an seinen Unterarmen festzuhalten, aber es machte Draco verrückt, dass seine Beine nicht fest standen. Seine eigenen Bewegungen kamen ihm bald fast panisch vor, doch er konnte nichts dagegen tun.
Und dann schloss Harry ihn einfach in seine Arme. Es wirkte wie eine Droge. Draco konnte stillhalten. Er konnte sich an Harrys warmen Körper schmiegen und stand, ohne mit den Beinen zu strampeln.
Dann, langsam, gab Harry ihn wieder frei und schob ihn leicht von sich. Nur noch Dracos Hände lagen in seinen. Doch Draco stand noch immer sicher auf dem Eis. Harry lächelte optimistisch und setzte sich dann ganz langsam in Bewegung. Rückwärts.
Draco war zu fasziniert von Harrys Eislaufkünsten, als dass er sich gleichzeitig auf ihn und auf seine eigenen Füße konzentrieren konnte. Schnell versuchte er, seine Beine seinem Körper nachfolgen zu lassen, der von Harry hinter sich her gezogen wurde.
Und wieder waren es nur Harrys Hände, die ihn daran hinderten, einfach umzufallen.
»Draco, du musst lockerer werden!«, sagte Harry lächelnd. Sogar wenn er sich rückwärts auf dem Eis fortbewegte, wirkte es leichtfüßig. Ganz im Gegensatz zu Draco. Der fühlte sich wie ein Sack Kartoffeln.
Doch Harry schien die Hoffnung in ihn nicht zu verlieren. Während dieser allmählich halbe Pirouetten drehte, überließ er Draco immer mehr sein eigenes Gleichgewicht. Und irgendwann ließ der Schwarzhaarige Dracos Hände los. Und es war unmöglich, aber er stand. Draco stand - und kippte beinahe allein aus Verwunderung darüber wieder um.
Erstmal konzentrierte er sich nur darauf, nicht umzukippen. Er stand ganz ruhig und versuchte, flach zu atmen, um sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Vorsichtig hob er einmal den Kopf. Harry und Hermine waren ein Stück weiter auf dem See und sahen aus wie Eisfeen. Es war unglaublich, dass die beiden so gut darin waren. Und ihre Gesichter zeigten, wie viel Spaß es ihnen machte.
Ron war nicht weit von ihm entfernt und stakste etwas steif auf den schmalen Kufen. An der Falte auf seiner Stirn erkannte Draco, wie konzentriert er versuchte, seine Bewegungen zu verflüssigen.
Draco grinste glücklich und konzentrierte sich wieder auf sich. Langsam hob er einen Fuß an und setzte ihn ein wenig weiter wieder auf.

Und diesem Schritt folgte ein weiterer. Viele weitere, und jeder war sicherer als der vorherige.
Sie verbrachten den ganzen Tag auf dem See. Ron und Draco hatten irgendwann den Bogen raus und konnten ihr Tempo immer weiter erhöhen.
Als die Sonne schließlich unterging, machten sie sich auf den Weg zurück zum Ufer. Hand in Hand glitten Harry und Draco übers Eis. Und es lag an der Dunkelheit, dass Draco umknickte. Ein pulsierender Schmerz erfüllte seinen Knöchel. Harry trug ihn zurück, bis in den Krankenflügel. Der Knochen war angebrochen.
Doch all das spielte keine Rolle. Es war einer der besten Tage gewesen, an die Draco sich erinnern konnte.
Der Knochen war dank Madame Pomfrey auch schon fast wieder verheilt.
Draco saß in dem weißen Krankenbett, Harry war an ihn geschmiegt. Irgendwann schlief Draco dann ein. Und so merkte er nicht mehr, wie Harry ein wenig später aufstand, ihn auf die Stirn küsste und leise etwas murmelte.
»Frohe Weihnachten, Draco.«

Drarry OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt