Umzug

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»Ich hasse Treppen«, keuchte ich atemlos, während ich den verdammt schweren Karton noch ein paar Stufen höher schleppte. Die Pappe schnitt mir ins Fleisch und ich war mir ziemlich sicher, dass es sehr bald zu viel für meine Hände werden würde und das Ganze in einer Blutlache mit meinen abgetrennten Fingern drin endete. Ja, Optimismus war schon immer eine meiner Stärken gewesen.

Es waren sechsunddreißig Stufen, mit den drei Stufen vor der Haustür waren es neununddreißig. Die Bordsteinkante konnte man eigentlich auch noch dazuzählen. Dann waren es vierzig.
Vierzig Stufen hörte sich eigentlich gar nicht so viel an, aber das konnte man nicht mehr sagen, wenn man diese Stufen schon gefühlt achthundert Mal hoch und runtergerannt war. Hoch wohlgemerkt mit etwa zwei Tonnen zusätzlichem Gewicht. Pro Gang.
Gut, vielleicht waren achthundert Mal und zwei Tonnen etwas übertrieben – aber wie gesagt; Optimismus.

Ich stemmte mich die letzten zwei Stufen hoch und steuerte ohne Pause die offenen Wohnungstür an. Ich schaffte es erst beim zweiten Anlauf, auch die Breite des Kartons durch den nicht allzu breiten Türrahmen zu bringen.

»Aus der Bahn!«, rief ich schwer atmend, auch wenn ich Harry nicht mal sehen konnte. Ich warf noch einen Blick auf den Deckel des Kartons. Küche, hatte Harry in seiner krakligen Schrift mit einem Edding darauf geschrieben.
Also bog ich links in den nächsten Raum ein, der die Küche war (beziehungweise sein würde).

Mit letzter Kraft stolperte ich noch die letzten Meter, um den Karton in eine freie Ecke zu stellen. Atemlos stützte ich mich auf die Anrichte der Kücheninsel.

»Hey Dray.«

Kraftlos sah ich auf. Harry saß mit baumelnden Beinen und einem viel zu hübschen Lächeln auf der Küchenanrichte. Er trug seine Brille nicht.

»Bist du scharf auf einen Zusammenstoß mit der Wand oder trägst du neuerdings Kontaktlinsen?«, fragte ich trocken und konzentrierte mich bewusst auf meine Atmung, um sie wieder zu normalisieren. Eigentlich war mir die Sache mit Harrys Brille auch egal. Er sah mit genauso gut aus wie ohne.

»Weder noch, ich hatte Angst, dass ihr etwas passiert. Da habe ich sie abgesetzt. Meine Sehkraft ist nicht so schlecht, wie du denkst, Draco.«
Ich zuckte mit den Schultern und murmelte ein unwichtiges ›Wenn du meinst‹.

»Ich gehe dann mal wieder runter und hole den nächsten Karton hoch.«, erklärte ich und Harry nickte. »Hey, wieso sitzt du eigentlich hier und entspannst, wenn da unten noch ein Haufen Sachen auf uns wartet, Harry Potter?«

»Ich koche uns Kaffee.« Erst jetzt fiel mir die Kaffeemaschine auf. Die Küche war einer der Räume, die schon halbwegs normal aussahen, weil Küchenanrichte und -insel schon drin waren und das reine Weiß nur noch von einer blauen Schutzfolie abgedeckt wurde. Es sah hier drin ein wenig aus wie in einer blauen Gummizelle (ich war noch nie in einer Gummizelle, aber so ungefähr musste es sein). Jedenfalls war das Einzige, was nicht wie Umzug wirkte, die Kaffemaschine, die einsam auf der breiten, blauen Anrichte stand und vor sich hin brummte.
»Beeil dich also mit dem Karton.«

Weil ich die Kraft, die ich gleich wieder brauchen würde, nicht verschwenden wollte, nickte ich einfach und lief schnell aus der Wohnung und wieder die Treppe hinunter. Am großen Laster unten nahm ich mir wahllos einen weiteren – leider auch sehr schweren – Karton und machte mich wieder auf den Weg nach drinnen. Diesmal mit der motivierenden Aussicht auf Kaffee.

Wieder schleppte ich mich mühsam die Treppe hoch, schneller als eben war ich ganz sicher nicht. Ich verfluchte jeden Schritt und wieder schmerzten meine Hände unter dem Gewicht des Kartons.
Als ich ihn dann aber endlich im Wohnungsflur abgestellte hatte, ging ich erleichtert in die Küche. Harry saß immer noch auf der Anrichte, nur hatte er jetzt zwei Tassen (keine Ahnung, aus welchem Karton er die gekramt hatte) mit Kaffee neben sich stehen.

Drarry OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt