Jetzt stand ich in diesem riesigem Raum und wusste nicht was ich tun sollte. Normalerweise hätte ich etwas mit meinen Brüdern oder Freunden gemacht, aber das war jetzt nicht wirklich möglich.
Ich wollte vorhin eigentlich nur kurz Süßigkeiten kaufen gehen. Meine älteren Brüder Edoardo und Diego wollten Filme kaufen gehen um die Ecke. Wir hatten so unsere Tradition. Nachdem unsere Mutter an Krebs gestorben war, als ich sieben war, hatte ich mich nicht mehr einbekommen mit dem Weinen. Um mich und meinen kleinen Bruder Matteo abzulenken, hatten Edo und Diego die Filmabende eingeführt. Jeden zweiten Samstag machten wir einen Filmabend, nur wir vier Geschwistern. Das waren meine Lieblingsabende. Es gab nie Streit und wir konnten alle unseren normalen Alltag vergessen. Edo mit seinen 29 Jahren und Diego mit seinen 27 waren schon ins Familiengeschäft mit eingestiegen. Ich war 21 und eigentlich hätte ich auch im Geschäft sein müssen, aber ich war eine Frau und leider Gottes sind Mafiosis Chauvinisten. Mein kleiner Bruder Matteo war 17 und hielt sich gerade für den coolsten. Er war ein Idiot und erzählte mir immer, vor mir würde eh niemand Respekt haben und ich solle erst gar nicht versuchen mit ins Geschäft einzusteigen. Er war einfach immer noch in der Pubertät stecken geblieben. Aber Jungs sollen ja Spätzünder sein. Manchmal dachte ich es würde an der fehlenden Mutterrolle liegen, dass er so ein Idiot war. Er war gerade ein Jahr alt gewesen, als unsere Mutter starb. Sie hatte für ihn die Chemotherapie abgebrochen und dann nach der Geburt war es zu spät. Sie war eine wundervolle Frau und Mutter, aber Matteo konnte sich nicht mal mehr an ihr Gesicht erinnern. Würde sie ihn jetzt sehen, würde sie ihn wahrscheinlich in manchen Situationen mit einem Kochlöffel jagen. So hatte sie es mit uns anderen Kindern gemacht, wenn wir etwas Dummes gemacht oder gesagt hatten. Unsere Mutter hatte uns den Glauben hinterlassen. Wir gingen immer noch jeden Sonntag in die Kirche. Unsere gesamte Familie tat das. Einen Teil unserer - nennen wir es mal - Gemeinde tat es auch. Nicht alle der Gangmitglieder waren gläubig, aber alle waren unsere Familie. Wir sorgten für einander und passten auf uns auf. So wollte es meine Mutter. Sie war diejenige, die aus dem Drogenkartell kam nicht mein Vater. Er heiratete nur hinein.
Ein Klopfen an meiner Zimmertür ließ mich aus meinen sentimentalen Gedanken schrecken. Schnell wischte ich mir die Tränen von den Wagen und setzte eine eiskalte Miene auf.
"Herein!", antwortete ich herrisch. Die Gefahr das jemand meine Tränen doch sehen konnte war mir zu groß. Ich drehte der Zimmertür den Rücken zu und starrte mit verschränkten Armen aus dem Fenster.
"Es gibt Abendessen. Mein Vater hat noch ein paar von den anderen höheren Mitgliedern mit eingeladen. Ich hoffe das ist kein Problem für dich", hörte ich Marco hinter mir sagen. Er sagte es so ruhig und zaghaft, das man fast meinen könnte ihm täte meine Situation leid. Aber ich traute ihm nicht über den Weg. Er wollte doch nur in Frieden die Position seines Vaters übernehmen.
Ich nickte nur und folgte Marco. Er bot mir zwar wieder den Arm an, um mich einzuhaken, aber ich verzichtete geflissentlich darauf.
Als Marco und ich das Esszimmer betraten standen alle Männer am Tisch auf außer Lorenzo. Ganz der Gentleman zog Marco mir den Stuhl zurück. Ich saß ganz oben am Tisch zur linken von Lorenzo. Marco saß mir gegenüber während Lorenzo natürlich das absolute Tischende besetzte. Es saßen noch fünf weitere Männer am Tisch und musterten mich.
"Das ist Aurora Fontana. Was hast du getan Lorenzo. Willst du uns alle töten?", zischte einer der Männer. Er musste wirklich Eier besitzen so mit seinem Boss zu reden.
"Ich hatte das nicht geplant. Tommaso ist dafür verantwortlich. Er ist mittlerweile aber nicht mehr unser Problem", antwortete Lorenzo gereizt.
"Nein, jetzt bin ich euer Problem", meinte ich zuckersüß.
"Wir müssen sie auf der Stelle frei lassen!", rief der selbe Mann wieder. Drei weitere nickten. Nur einer blieb ganz still. Er saß ganz unten am Tisch, aber ich hatte nicht das Gefühl er gehörte dort hin. Seine Stellung in der Gang war eigentlich viel höher. Er beobachtete alles still und durchbohrte mich mit seinen Blicken.
Lorenzo wurde immer wütender, antwortete seinem vorlauten Mitglied nicht. Also übernahm ich es.
"Und was dann?", wollte ich sarkastisch von ihm wissen, "Ich bin euch nichts schuldig. Nicht nachdem ich entführt wurde, mir ein Sack über den Kopf gezogen wurde, ich gefesselt wurde, in den Kofferraum eines Autos geschmissen wurde, beleidigt wurde und auf die Knie gezwungen wurde!"
Das letzte zischte ich dem Mann nur entgegen.
"Ich werde diese Gang mit Freude brennen sehen, für das inkonsequente Handhaben seiner Mitglieder!", setzte ich wütend noch einen drauf.
"Aurora, ich warne dich!", zischte Marco, "Du bist hier Gast!"
"Nein! Ich bin eine Gefangene. Ein Gast darf gehen und nur weil ihr mich in euer bestes Gästezimmer steckt, macht mich das noch nicht zum Gast. Sei ganz vorsichtig, Marco. Denn noch bin ich umgänglich mit euch umgegangen!", antwortete ich ihm eiskalt.
Wütend schmiss ich die Stoffserviette, die ich mir vorher noch ordentlich auf den Schoß gelegt hatte auf den Tisch und verließ das Abendessen ohne auch nur einen Bissen zu mir genommen zu haben.
"Das wirst du bereuen!", brüllte Marco mir hinterher.
"Nein, mein Lieber. DU wirst es bereuen. Ich werde euer Leben zur Hölle machen!", brüllte ich zurück. Das war keine leere Drohung von mir und gerade Marco wusste das nur zu gut. Jetzt hatten sie mich wirklich wütend gemacht. Oder zumindest einer von ihnen!
In meinem Zimmer angekommen lief ich wütend auf und ab im Raum. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Dieser Mann sollte dafür brennen und das meinte ich sogar wörtlich. Und wenn ich ihm den Benzin eigenhändig überkippen musste!
Nach einer Stunde etwa klopfte es wieder an meine Tür.
"Was?!", schnauzte ich die Person vor der Tür an.
Es war Lorenzo mit einem Teller Essen, Besteck und einer Flasche Wasser.
"Sieh es als Friedensangebot an. Er ist mein Sohn und ich liebe ihn, aber das was er heute gesagt hat, war nicht in Ordnung. Ich weiß heute war nicht der beste Tag für ein Wiedersehen zwischen uns, aber vergiss nicht ich bin dein Patenonkel. Wir sind sowas wie Familie."
"Danke, aber du warst nur mein Patenonkel, weil unsere Familien damals noch befreundet waren. Wir sind es nicht mehr, seit dem ihr behauptet habt, wir hätten Michele getötet! Seit dem wird bei uns nicht ein Wort mehr von euch geredet und das du mein Patenonkel bist, macht es für uns alle nur noch schlimmer!", fauchte ich ihn an.
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Mario Adorf als Lorenzo Moretti
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I will fear no evil
RomanceAurora Fontana, die Tochter des gefürchteten Drogenbosses Giovanni Fontana. Ein Leben im goldenen Käfig, aus dem sie nie ausbrechen konnte, aber es auch nicht wollte. Bis sie von Anhängern der verfeindeten Moretti Familie entführt wird und plötzlich...